Forschungsfälschung Persiflage entlarvt Wissenschaftsbetrieb

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Nur ein Beispiel unter vielen

Gerade unter serbischen Forschern, die schnell an Publikationen kommen wollten, sei das rumänische Blatt Metalurgia deshalb überaus beliebt, sagen die Autoren. Eigentlich ein Fachblatt für Hüttenwesen, veröffentliche die Redaktion gegen ein Entgelt von wenigen hundert Euro jedes eingereichte Manuskript, ohne Rückfragen zu stellen.

Nachdem die peinliche Publikation die Runde machte, versuchten zahlreiche Forscher allerdings, ihre Veröffentlichungen dort wieder zurück zu ziehen.

Kein Witz - bitterer Ernst

Wäre Metalurgia ein Einzelfall, könnte man den Blödel-Artikel mit Anspielungen auf die Europäische Union, Religion und Computerwissenschaften glatt genießen. Doch leider ist das Blatt nur ein Beispiel unter vielen. Weltweit existieren zahlloser ähnlich schlecht aufgestellter Magazine, die bei näherem Hinsehen wohl kaum das Prädikat Wissenschaftsmagazin verdient hätten.

Und dass selbst hoch angesehenen Magazinen wie "Nature", "Science" oder "Cell" gerade bei Top-Themen Fehler und Fälschungen durchrutschen, zeigte sich jüngst in diesem Sommer wieder, als eine Arbeit über das Klonen menschlicher Zellen schon nach vier Tagen wieder einkassiert wurde.

Viele Forscher, die sich über die schwarzen Schafe in ihren Reihen ärgern, begrüßten die Aktion der drei Belgrader Kollegen deshalb. Sie hatte immerhin zur Folge, dass einige Universitäten die Publikationsgewohnheiten ihrer Forscher nun genauer unter die Lupe nehmen.

Welche kühnen Experimente Forscher wagen
Partydroge statt KreislaufmittelAuf der Suche nach einem Kreislaufmittel entdeckte der Schweizer Wissenschaftler Albert Hoffmann das stärkste Halluzinogen.  Und kostete den Rausch gleich selbst aus. Sein Kreislaufmittel wurde wegen den starken Nebenwirkungen wieder vom Markt genommen. Quelle: Joe Mabel
Erbrochenes ins Auge tropfenGelbfieber wird über Mückenstiche übertragen. Das wusste man 1802 noch nicht. Damals wollte Stubbins Ffirth beweisen, dass sich Gelbfieber vom Menschen zu Menschen übertrage. Dafür träufelte er sich Erbrochenes von Gelbfieberkranken in eine selbst zugefügte Schnittwunde im Arm, ins Auge – und schluckte sie. Er blieb gesund. Quelle: dpa
Unterwegs auf dem Raketenschlitten1955 galt er als der schnellste Mann der Erde, wie das Time Magazine damals schrieb. Auf einem Raketenschlitten erreichte John Paul Stapp 1.017 Kilometer die Stunde. Dabei wollte er herausfinden, wie sich das Vielfache der Erdbeschleunigung „g“ auf einen Menschen auswirkt.  Man glaubte, dass 18 g tödlich seien, Stapp ertrug 46,2 g als er von seinem Geschwindigkeitsrausch innerhalb von 1,4 Sekunden zum Stillstand kam. Quelle: U.S. Air Force
Per Bakterien-Cocktail zur MagenschleimhautentzündungBarry Marshall (Foto) wollte nachweisen, dass Bakterien für eine Magenschleimhautentzündung verantwortlich sind. Dafür trank er 1984 eine Mischung aus einer Milliarde Bakterien – und hatte „Erfolg“. Quelle: dpa/dpaweb
Mit dem "Blitzfänger" zur FeuerkugelUm die Luftelektrizität zu messen, baute 1753 der deutsche Physiker Georg Richmann in seinem St. Petersburger Laboratorium einen sogenannten "Blitzfänger". Dabei handelte es sich um eine Glasflasche in der ein Eisenstab nach oben über das Dach hinaus ins Freie ragte. Nach unten war er über eine Metallkette mit einem Glas voller Kupferspäne verbunden. Die Apparatur fing nicht nur Elektrizität ein, sondern bildete auch eine Feuerkugel, die in den Kopf des Forschers eindrang - mit tödlichen Folgen. Quelle: dpa
Mit dem Katheter vom OP-Saal  zur RöntgenabteilungDen 65 Zentimeter langen Katheter schob sich 1929 der Arzt Werner Foßmann selbst vom Ellbogen durch eine Vene bis ans Herz. Damit machte er sich dann vom OP-Saal machte zu Fuß über einige Treppen auf dem Weg zur Röntgenabteilung. Sein Experiment stellte die erste Angiographie dar. Mittels Katheter und Röntgenstrahlen stellte er seine Blutgefäße dar – und erhielt dafür schließlich den Nobelpreis. Quelle: AP
Humboldt auf schmerzhafter KlettertourAlexander von Humboldt wollte die Höhenkrankheit erforschen – an sich selbst. Mit einer Forschergruppe erklomm er den 6.267 Meter hohen Chimborazo in Ecuador – mit normaler Straßenkleidung und "kurzen Stiefeln". Ob Atemnot, Übelkeit, Schwindel und blutige Lippen: Akribisch hielt er fest, was sich auf welcher Höhe ereignete. Quelle: dpa/dpaweb

Weltweites Problem

Tatsächlich wäre das auch weit über Serbien hinaus mehr als empfehlenswert. Denn ernstzunehmende Fälschungsvorwürfe beschäftigen Universitätsgremien immer wieder: Etwa der Fall des Düsseldorfer Stammzellforschers Bodo Strauer. In 48 seiner Arbeiten entdeckten Kollegen Ungereimtheiten wie doppelt verwendete Datensätze, geschönte Ergebnisse, Rechenfehler, unklare Angaben zum Versuchsaufbau und, und, und. Hier ist die Untersuchung noch immer nicht abgeschlossen, wird aber in Kürze erwartet.

Um auf Missstände hin zu weisen ist das Veröffentlichen von Unfug ein durchaus erprobtes Mittel. Erstmals machten die Physiker Alan Sokal und Jean Bricmont damit 1996 Furore, als sie der Zeitschrift "Social Text" einen Artikel unterjubelten, der den Titel trug: "Die Grenzen überschreiten. Auf dem Weg zu einer transformativen Hermeneutik der Quantenschwerkraft." Auch dieser Text war eine inhaltsfreie Parodie - in diesem Fall allerdings zusammengesetzt aus Zitaten bekannter französischer Denker.

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