Fragwürdige Diagnosen und Therapien Das dubiose Geschäft mit dem Vergessen

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Dubiose Geschäfte

Kostbare Körpersäfte - Proteine in der Rückenmarksflüssigkeit sollen angeblich ebenfalls Auskunft über Alzheimer geben Quelle: AP/dpa

Der emeritierte Professor am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg pries schon vor Jahren einen von ihm entwickelten Labortest an, der Alzheimer anhand bestimmter Proteine in der Rückenmarksflüssigkeit nachweisen könne, noch ehe klinische Symptome auftreten. Das Verfahren liefere ein fast 100-prozentig sicheres Ergebnis, behauptete der Chemiker.

Beyreuther schlug zudem vor, schon vor dem Auftreten der ersten Anzeichen von geistiger Verwirrtheit die Krankheit mit Medikamenten zu bremsen, die weder dafür gedacht noch zugelassen waren.

Doch die von Beyreuther gerühmten Medikamente nützen nach heutigem Wissen nichts. In einem Interview mit der WirtschaftsWoche räumte er im Herbst 2011 ein: „Beides würde ich heute so nicht mehr sagen.“ Und auf die Frage, was ein Vorsorgetest denn bringe, wenn die Krankheit nicht aufzuhalten sei, gestand der Forscher: „Herzlich wenig.“

Richtig dubios wurde das Geschäft mit der Angst vor dem Vergessen indes in Frankfurt: Dort verlor der einst hoch angesehene Psychiater und Alzheimer-Forscher Harald Hampel seinen Job als Leiter der psychiatrischen Universitätsklinik. Er ist seit Monaten abgetaucht.

Dabei galt er einst als Star der Alzheimer-Forschung. Jahrelang schwamm er auf derselben Welle wie Beyreuther: Wer an Alzheimer erkranken werde und wer nicht, sagte der Mediziner, das könnten Ärzte mit drei Liquormarkern schon sieben Jahre vor Ausbruch des Leidens feststellen. In Mitteilungen seiner Universität schwärmte der Psychiater von „bahnbrechenden Befunden“, „epochalen Schritten“ und „wegweisenden Studien“ zur Krankheit.

Unschöner Abgang

Damit ist seit einem Jahr Schluss. Nachdem die Universität versucht hatte, den heute 50-Jährigen am 22. März fristlos zu entlassen, trennte man sich im Rahmen eines arbeitsrechtlichen Vergleichs wegen Meinungsverschiedenheiten einvernehmlich. Die Vorwürfe lauteten: Er habe Angestellte schikaniert und ärztliche Pflichten vernachlässigt. Doch nicht nur seine Fähigkeiten als Chef standen in der Kritik. Seine Alzheimer-Versprechungen nicht minder.

So stellte die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) in einer Pressemitteilung explizit klar, „dass eine Alzheimer-Frühdiagnose nicht zuverlässig möglich ist“. Man sei noch nicht so weit, solche Tests routinemäßig einzusetzen.

Der gefallene Star Hampel hat zudem seine Arbeit als Arzt massiv mit kommerziellen Interessen verquickt. So hält er mehrere Patente für Verfahren, die er öffentlich stark propagiert hat. Sie alle betreffen neue Methoden, mit denen sich angeblich Formen von Demenz, Alzheimer oder anderen psychiatrischen Erkrankungen mithilfe von Biomarkern aus Liquor- oder Blutproben diagnostizieren lassen.

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