Gedacht, getan! Was die Hirnforschung möglich macht

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EU-Projekt Tobi: Steuerung per Gedanken

Computertomografie

Das Potenzial ist kaum zu überblicken. Womöglich surfen wir bald per Geistesblitz durchs Internet, verfassen E-Mails oder steuern Autos. Wo wir uns heute gerade daran gewöhnen, Computerspiele mit Gesten zu steuern, duellieren wir uns morgen mit virtuellen Gegnern – ohne noch einen Finger am Joystick zu krümmen. Und die Technik bietet erstmals schwerverletzten Unfallopfern die Chance, Rollstühle und Prothesen per Denkanstoß zu steuern.

Grundlagen der Telepathie

Um all das Realität werden zu lassen, arbeiten Wissenschaftler weltweit daran, Gehirnströme zu entziffern, in computerlesbare Daten umzuwandeln und dann in Worte oder Taten zu übersetzen.

So haben sich etwa im Rahmen des EU-Projektes „Tobi“ mehrere europäische Universitäten und Forschungsinstitute – unter anderem aus Berlin, Heidelberg, Tübingen und Würzburg – zusammengetan. Ziel des bis 2013 laufenden und mit zwölf Millionen Euro geförderten Vorhabens ist, erste Anwendungen zur Steuerung von Geräten per Gedanken zu entwickeln. Das US-Militär steckt alleine 34,5 Millionen Dollar in die Entwicklung von gehirngesteuerten Prothesen und vier Millionen in ein Projekt, das die Grundlagen der Telepathie erforschen soll.

Mehr als ein Hirngespinst

So abgedreht sie klingen, es sind weit mehr als als Hirngespinste weltferner Forscher. Auch Unternehmen wittern bereits gute Geschäfte. Der IT-Konzern IBM hat Ende vergangenen Jahres erst die Entwicklung von Maschinen mit Gedankensteuerung zu einem der wichtigsten Trends der nächsten fünf Jahre erklärt. Auch der Chiphersteller Intel forscht bereits an entsprechenden Techniken. Und der US-Thinktank Techcast prophezeit im Laufe des nächsten Jahrzehnts gar einen 400-Milliarden-Dollar-Markt für Produkte, die auf Gehirn-Computer-Interaktion basieren.

Dass es so kommt, bezweifeln nur noch wenige Experten, wie eine Umfrage von Forschern um die holländische Psychologin Femke Nijboer von der Uni Twente in Enschede belegt. Sie befragten 145 Wissenschaftler verschiedener Disziplinen – darunter Computerexperten und Hirnforscher. Rund zwei Drittel erwarten, dass die ersten Maschinen mit Gedankensteuerung für Otto Normalverbraucher im Laufe der nächsten zehn Jahre marktreif sind.

Die dafür nötigen Verfahren werden immer besser. Schon heute gelingt es Wissenschaftlern, ansatzweise zu erkennen, über welche Worte, Bilder, Töne und Entscheidungen Versuchspersonen nachdenken.

Rechen- und Schreibhilfe

Einfache Sensorensets wie das 300-Dollar-Modell des kalifornischen Herstellers Emotiv aus dem Berliner Auto-Experiment genügen dafür allerdings nicht mehr. Ausgefeilter ist Intendix, ein ebenfalls mit Elektroden arbeitendes System des österreichischen Anbieters g.tec. Das 12 000 Dollar teure Paket aus Computer und Sensorkappe ermöglicht es Versuchspersonen bereits, mit Rechnerhilfe Symbole auszuwählen oder Texte zu schreiben. „Manche schaffen fünf Buchstaben pro Minute“, sagt g.tec-Entwickler Gunther Krausz.

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