Gesundheit Wie gefährlich Handystrahlung wirklich ist

Während Handyhersteller und Mobilfunkbetreiber immer wieder beteuern, dass die Strahlung der Geräte nicht gesundheitsschädlich ist, leiden andere unter Elektrosensibilität. Auch die Behauptung, Handystrahlung löse Gehirntumore aus, hält sich wacker.

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In der Forschung wird heftig darüber gestritten, wie schädlich Handystrahlung wirklich ist. Quelle: dpa, Montage

Doch was ist eigentlich dran an den Mythen rund um die Strahlung? Über dieses Thema wird in der Forschung heftig gestritten, während die Nutzer verunsichert sind.

Ein konkreter Fall: Vor zehn Jahren entdeckten Ärzte bei dem Italiener Innocente Marcolini einen gutartigen Tumor hinter dem Ohr. Entstanden ist das sogenannte Neuriom in den Schwann-Zellen, die sich um die Fasern des Hörnervs herum befinden. Marcolini vermutete, dass der Tumor durch die Vieltelefoniererei bei der Arbeit entstanden sein könnte und forderte von seinem Berufsverband einen Schadensersatz.

Das Urteil des Gerichts ist eine kleine Sensation. Der Italiener bekam Recht. Das Gericht kam nach Sichtung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse zu dem Ergebnis, das Handystrahlung durchaus Tumore auslösen könne. Ähnlich äußerte sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Frühjahr 2011. Die Krebsforschungsagentur IARC in Lyon stufte damals Handystrahlung im Rahmen der sogenannten „Interphonestudie“ bei Vieltelefonierern vage als „womöglich krebserregend“ ein.

Kritik an der schwedischen Forschung

Sowohl die Richter in Rom als auch die WHO stützen ihre Vermutung unter anderem auf Arbeiten des schwedischen Wissenschaftlers Lennart Hardell vom Universitätskrankenhaus Örebro. Hardell war damals bei der Sitzung in Lyon selbst anwesend. Seine epidemiologischen Studien haben bisher als einzige in der Forschungslandschaft einen Zusammenhang zwischen Handystrahlungen und Tumoren nachgewiesen. Demnach sorgen Mobiltelefone dafür, dass zwei- bis dreimal so viele Krebsfälle auftreten. Menschen unter 20 Jahren setzten sich einem fünf Mal höheren Risiko aus, an einem Hirntumor zu erkranken.

Die Ergebnisse der Interphonestudie ergaben, dass lediglich bei Vieltelefonierern, die mehr als zwölf Stunden am Tag ein Handy nutzen, ein gewisses Risiko bestehen könne. Zu einer konkreten Aussage ließen sich die forscher aber nicht hinreißen. Die Studie habe zu viele Unsicherheitsfaktoren aufgewiesen, die eine Verzerrung der Ergebnisse mit sich bringen könnte. Weitere Forschung sei nötig.

„Wegen seiner eindeutigen Ergebnisse wird Hardell immer wieder herangezogen“, sagt Dr. Sarah Drießen, Biologin am Institut für Arbeits- und Sozialmedizin an der RWTH Aachen. „Aber weder in anderen ähnlichen epidemiologischen Studien noch in experimentellen Studien konnte ein derartiger Zusammenhang bestätigt werden.“ Bei epidemiologischen Studien werden Bevölkerungsgruppen aufgrund  bestimmter Hypothesen genauer untersucht. Dazu dienen vor allem Befragungen, bei denen immer mit gewissen Unsicherheiten gerechnet werden muss. So kann sich ein erkrankter Mensch rückblickend falsch erinnern oder die 20. Frage im Fragebogen nicht mehr ganz so ernst nehmen, wie die erste. Die Wissenschaft nennt dieses Phänomen Recall-Bias. Experimentelle Studien arbeiten vor allem mit Tierversuchen und lassen so größere Stichproben und konkrete Versuche mit Handystrahlung zu. Das Problem hierbei: Die Ergebnisse an Tieren lassen sich nicht eins zu eins auf den Menschen übertragen.

Wenn Gelder aus der Wirtschaft fließen


Die hartnäckigsten Gesundheitsmythen
Eine junge Frau putzt sich mit einem Papiertaschentuch die Nase Quelle: dpa
Mann mit Rückenschmerzen sitzt im Büro Quelle: obs
In einer Zahnarztpraxis werden die Zähne eines Jungen untersucht Quelle: dpa
Ein Fieberthermometer liegt auf verschiedenen Arten und Formen von Tabletten Quelle: dpa
Ein Mann zieht an seinem Finger und erzeugt ein Knackgeräusch. Quelle: dpa
Angela Merkel hält ein Schnapsglas in der hand Quelle: AP
Ein Junge steht unter einer Dusche Quelle: dpa

„Um die Wirkungen elektromagnetischer Felder auf den Organismus beziehungsweise die Gesundheit nachweisen zu können, müssen sowohl epidemiologische als auch experimentelle Studien herangezogen werden“, erklärt Sarah Drießen aus Aachen. Einen umfassenden Überblick über einen Großteil der Studien bietet das EMF-Portal, eine Internet-Informationsplattform zu den Wirkungen elektromagnetischer Felder auf den Menschen und auf biologische Systeme.

Eine klare Antwort auf die Frage, wie schädlich Handystrahlung wirklich ist, scheint es im Moment nicht zu geben. „Wir können in der Forschung nie beweisen, dass etwas nicht da ist. Aber die Ergebnisse der vielen Studien deuten auf eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit hin“, sagt auch Alexander Lerchl. Er ist Vorsitzender des Ausschusses für nicht ionisierende Strahlung der Strahlenschutzkommission und Professor an der Jacobs-University in Bremen.

Alexander Lerchl Quelle: Presse

Lerchl gilt als einer der schärfsten Kritiker Lennart Hardells. „Wenn Handystrahlungen tatsächlich Hirntumore auslösen würden, müssten wir längst einen rapiden Anstieg dieser seltenen Krankheit wahrnehmen. Auch wenn die Technik erst zwanzig Jahre alt ist“, sagt er. Lediglich zwei Prozent aller Krebsarten sind Hirntumore. Drei bis fünf Personen pro 100.000 erkranken weltweit jährlich neu daran. Dabei sind die Zahlen in den letzten Jahren trotz steigender Handynutzung unverändert beziehungsweise sogar leicht zurückgegangen. Das zeigen unter anderen Daten der Statistik Austria.

Der Professorenkrieg zwischen Lennart Hardell und Alexander Lerchl hat Geschichte. Während Hardell 2011 in Lyon bei den Sitzungen der WHO anwesend war, ließ man den Bremer wegen Finanzierungen aus der Wirtschaft nicht zu. Lerchl sagt dazu: "Man hat mich nicht zugelassen, weil ich zu viele kritische Kommentare zu Studien veröffentlicht habe, die vermeintliche Schäden durch Mobilfunk zeigten. Inzwischen ist rund ein halbes Dutzend solcher Studien aufgrund meiner Kommentare zurückgezogen worden, die ansonsten weiterhin für Verunsicherung gesorgt hätten."

Lerchl wühlte anschließend in Hardells Geschichte und fand heraus, dass auch der Schwede schon von einem Unternehmen gefördert worden sei. Bei Studien aus den Jahren 2002 und 2004 nahm Hardell Gelder des schwedischen Telefonkonzerns Telia an. Dass Finanzspritzen aus der Wirtschaft in die Forschung fließen ist nicht ungewöhnlich. In der Regel geschieht dies dann über eine neutrale Instanz, die als „Firewall“ dient und so den direkten Einfluss der Unternehmen auf die Arbeit der Wissenschaftler ausschließen soll. Sowohl Hardell als auch Lerchl behaupten von sich, dass in ihren Fällen die Unabhängigkeit so sichergestellt worden sei.

Die IARC der WHO in Lyon hatte mich seinerzeit nicht wegen "Finanzierungen aus der Wirtschaft" nicht zum Expertentreffen eingeladen, sondern deswegen, weil ich zu viele kritische Kommentare zu Studien veröffentlicht habe, die vermeintliche Schäden durch Mobilfunk zeigten. Inzwischen ist rund ein halbes Dutzend solcher Studien aufgrund meiner Kommentare zurückgezogen worden, die ansonsten weiterhin für Verunsicherung gesorgt hätten. Dass dieses in der Wissenschaft normale und notwendige Verhalten von der IARC moniert und als Grund angegeben wurde, mich nicht einzuladen, spricht nicht eben für ein besonders kluges Wissenschaftsverständnis. Es ging, so muss man annehmen, bei der Einstufung der IARC nicht so sehr um Fakten, sondern um Proporz oder Konsens (beides gibt es in der Naturwissenschaft nicht). Wie sonst ist zu erklären, dass die IARC in Kenntnis der Dokumente (!) zuließ, dass Lennart Hardell, dem massive Manipulationen in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen wurden, dem Expertenteam angehörte?

Mobilfunknutzer sind verunsichert

Während sich die Wissenschaft streitet, sind viele Menschen verunsichert. Über 27 Millionen Deutsche nutzen derzeit Mobiltelefone. Sie wollen wissen, wie gefährlich die Geräte letztlich wirklich sind. Die Mobilfunkunternehmen streiten den gesundheitsgefährdenden Einfluss von Handystrahlung auf den menschlichen Körper selbstverständlich ab. Man halte sich an die vorgeschriebenen Grenzwerte im Frequenzbereich.

Denn eines ist sicher: Der Mensch nimmt hochfrequentierte elektromagnetische Felder auf und wandelt deren Energie vor allem in Wärme um. Die Felder werden von allen möglichen Antennen abgestrahlt - wie beim Fernseher, Radio, sogar Babyphone oder eben auch Mobilfunk. Die Umwandlung in Wärme wird auch als thermischer Effekt bezeichnet, der allerdings so gering ist, dass er sich kaum messen lässt.

Der Kampf der Skeptiker


Die häufigsten Todesursachen in Deutschland
Im Jahr 2013 verstarben in Deutschland insgesamt 893.825 Menschen, davon 429.645 Männer und 464.180 Frauen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, ist damit die Zahl der Todesfälle gegenüber dem Vorjahr um 2,8 Prozent angestiegen. Durch einen Suizid beendeten 10.076 Menschen ihr Leben, wobei der Anteil der Männer mit 73,9 Prozent fast dreimal so hoch war wie der Anteil der Frauen mit 26,1 Prozent. Quelle: dpa
In 10.842 Fällen (4 972 Männer und 5 870 Frauen) war ein Sturz die Ursache für den Tod. Quelle: dpa
Bestimmte infektiöse und parasitäre Krankheiten waren für 18.475 Sterbefälle verantwortlich. Quelle: dpa
3,8 Prozent aller Todesfälle waren auf eine nicht natürliche Todesursache wie zum Beispiel eine Verletzung, einen Unfall oder eine Vergiftung zurückzuführen (34.133 Sterbefälle). Quelle: dpa
Eine deutliche Zunahme um 16,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ist bei den Psychischen und Verhaltensstörungen festzustellen. Hieran verstarben 2013 insgesamt 36.117 Menschen, davon 14.241 Männer und 21.876 Frauen. In 80 Prozent dieser Sterbefälle war eine Demenzerkrankung die Todesursache. Quelle: dpa
Die Zahl der Sterbefälle infolge von Krankheiten des Verdauungssystems betrug im vergangenen Jahr 40.112. Das entspricht einer Rate von 4,5 Prozent. Quelle: dpa
Mann packt scih an die Brust Quelle: dpa

Wie weit die Felder in den Körper gelangen können, hängt wiederum von der Frequenz ab. Die Felder des Mobilfunks, mit ihren sehr hohen Frequenzen, werden schon auf den ersten Zentimetern vom Körper aufgenommen. "Allerdings ist die Erwärmung des Gewebes, die hier auftritt nur zu einem Prozent auf tatsächliche Handystrahlung zurückzuführen", setzt Alexander Lerchl dagegen. Die Hauptquelle der Erwärmung, vor allem des Ohres, entstehe dadurch, dass das Ohr vom Handy abgeschirmt werde. Hinzu käme die Wärme, die das Gerät selbst abgibt.

Dennoch müssen sich die Mobiltelefonanbieter an bestimmte Grenzwerte pro Frequenzbereich halten, um das Gesundheitsrisiko möglichst gering zu halten. Bisher werden diese Grenzwerte jedoch nicht einmal voll ausgeschöpft.

Gerrit Krause Quelle: Presse

Dennoch gibt es Skeptiker. "Die Angabe der deutschen Grenzwerte verweist nur auf die Unzulässigkeit von Sendeleistungen oberhalb der thermischen Grenze.  Dies bedeutet jedoch keinen Schutz vor nicht-thermischen Effekten, die inzwischen durch mehr als 100 wissenschaftliche Studien nachgewiesen sind. ", sagt Gerrit Krause vom Verein Limes-NRW e.V. und Verbraucherschutzverband "Diagnose Funk" in Nordrhein-Westfalen. "Inzwischen sind wir in unseren eigenen Wohnungen und Häusern von etlichen hochfrequenten Strahlungsquellen umgeben umgeben, sei es das Smartphone, das Tablet, das Schnurlos-Telefon oder das WLAN. Zusätzlich dringen von außen vermehrt leistungsstarke DVB-T oder auch DAB+ durch unsere Wohnungswände. Alles zusammen wirkt heute viel stärker als die einzelnen Mobiltelefone und Sendemasten der vergangenen Jahre."

Ähnlich äußert sich der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in einem Positionspapier. „Wie in anderen technisch hoch entwickelten Ländern, hat auch in Deutschland sowohl die Anzahl der Quellen hochfrequenter elektromagnetischer Felder (EMF) als auch die Hochfrequenzexposition der Bevölkerung seit den 1960er Jahren erheblich zugenommen. Zum einen ist die Anzahl der Geräte in den privaten Haushalten stark gestiegen, zum anderen erfordern viele Geräte der Informations- und Kommunikationstechnik eine Infrastruktur aus vielen mehr oder weniger leistungsstarken Funksendeanlagen zur Übertragung von Informationen“, heißt es darin. Wie sich diese verschiedenen Strahlungsquellen auf den Menschen auswirken ist noch unklar ist einer der Kritikpunkte des Vereins "Diagnose Funk".

Gerrit Krause beschäftigt sich seit über sieben Jahren mit der Frage wie krank Mobilfunk wirklich macht. Für ihn gibt es keinen Zweifel „Wir werden auf jeden Fall negativ beeinträchtigt“, sagt er. Entsprechend setzt sich der studierte Nachrichtentechniker für den Schutz der Menschen vor elektromagnetischer Strahlung ein. Und dabei geht es ihm wie anderen Unterstützern nicht nur um den Schutz vor Krebs. Handystrahlung könne noch ganz andere Leiden hervorrufen.

Elektrosensibilität und Medizin


Was Sie mit ihrem Handy lieber lassen sollten
Problemfall 1: Kurzschluss-NachrichtenWie schnell kann es gehen, dass man eine SMS, die an den Liebsten gehen soll, mal eben an den Ex-Freund verschickt? Die brisantesten Uhrzeiten für solche Fälle: der späte Abend. Die brisantesten Zustände: angetrunken. Deshalb im Notfall das Smartphone lieber nach 22 Uhr nicht mehr zur Hand nehmen. Und wenn, dann nur zum Empfangen, nicht zum Senden. Quelle: AP, Montage
Problemfall 2: Kaum noch redenKurze Frage: Wann haben Sie zuletzt mit Ihrem Smartphone - Achtung (!) - telefoniert? Genau. Viel beliebter ist es nämlich, laut einer aktuellen Studie von O2, auf dem Smartphone durchs Internet zu surfen, sich in sozialen Netzwerken herumzutreiben, Musik zu hören und zu spielen. Erst an fünfter Stelle kommt das Telefonieren. Und nun mal Hand aufs Herz: Ist es für die persönliche Kommunikation mit Freunden, Familie oder eben auch dem einen oder anderen Geschäftspartner nicht besser, einfach mal zu reden, anstatt sich kurze Nachrichten zuzuschicken und diese im schlimmsten Fall auch noch misszuverstehen. Quelle: obs
Problemfall 3: zu viele FotosEs soll ja Leute geben, die während eines Musikkonzerts nichts anderes tun, als das Smartphone für den perfekten Schnappschuss in die Höhe zu halten. Und jeder weiß, wie das abläuft: Die meisten dieser Fotos sind zu dunkel, zu weit entfernt, zu verschwommen, zu... Und ehe man sich versieht, ist das Konzert vorbei und auf die Frage "Wie war's denn?" fällt einem nix ein. Deshalb: Smartphone am besten zuhause lassen und die Musik genießen. Quelle: dapd
Problemfall 4: Handy statt LenkradNicht ohne Grund ist die Polizei sehr wachsam und streng, wenn es um das Telefonieren am Steuer geht. Doch mittlerweile wird nicht nur telefoniert, sondern auch mal eben an der Ampel die Mails gecheckt oder ein Foto bei Facebook geliked. Klingt banal, ist es aber gar nicht: Beim Laufen, insbesondere auf Straßen, ist es durchaus ratsam, die Augen nicht am Handydisplay kleben zu haben. Laternenpfähle stellen sich manchmal wirklich einfach in den Weg. Quelle: dpa
Problemfall 5: Handy auf dem TischDie typische Situation beim Business-Lunch: Die Jacken werden an der Garderobe abgegeben, Portemonnaie und Smartphone kommen mit an den Tisch - und zwar nicht etwa in die Jacke oder Handtasche. Nein, sie werden fein säuberlich neben Messer und Gabel aufgereiht. Getreu dem Motto: mein Haus, mein Auto, mein Handy. Noch schlimmer: Während des Gesprächs starrt das Gegenüber ständig auf hereinkommende Nachrichten, antwortet mal eben auf einen Tweet oder ruft den Wetterbericht ab. Geht gar nicht und das nicht nur aus Gründen des Anstands.
Problemfall 6: Unterdrückte Rufnummer Es ist nicht unbedingt gefährlich, es gehört sich schlichtweg nicht, dem Gegenüber nicht zu zeigen, wer man ist und am besten noch beleidigt zu sein, wenn kein Rückruf erfolgt. Deshalb: Es ist eine Frage des Anstands, seine Nummer anzuzeigen. Ebenso anständig ist es übrigens, dann auch wirklich zurückzurufen. Und nicht nur per SMS zu reagieren. Quelle: dpa, Montage
Problemfall 7: Klingelnde und summende TelefoneNichts ist schlimmer, als wenn im Kino ein Handy bimmelt oder während einer berührenden Szene ein Smartphone vor sich hin brummt. Gibt's tausende von Erinnerungsspots im Vorprogramm des Films, hilft oft aber immer noch nichts. Gehört sich einfach nicht. Quelle: dpa

„Zu uns kommen Menschen, die unter Elektrosensibilität leiden“, sagt er. Angeblich sollen acht Prozent der Bundesbürger unter diesem Phänomen leiden. Genaue Zahlen sind nicht bekannt. Als elektrohochsensibel werden Menschen bezeichnet, die behaupten, elektrische, magnetische oder elektromagnetische Felder (EMF) wahrnehmen zu können, beziehungsweise daran leiden. Diese Felder werden auch als Elektrosmog bezeichnet. Über 40 Symptome sind inzwischen bekannt, darunter Ein- und Durchschlafstörungen, chronische Erschöpfung, Kopfschmerzen, Migräne, Schwindel, Tinnitus, Konzentrationsprobleme und gerade bei Kindern immer wieder das Aufmerksamkeitsdefizit ADHS.

Das Phänomen ist nicht offiziell als Krankheit anerkannt. „Das Problem ist, dass bisher bei keinem einzigen Menschen Elektrosensibilität konkret nachgewiesen werden konnte“, sagt Alexander Lerchl aus Bremen. Und auch Sarah Drießen aus Aachen weiß um das Problem: „Man geht davon aus, dass es das Phänomen gibt, allerdings ist bisher nicht geklärt, ob es ursächlich mit elektromagnetischen Feldern zusammenhängt. Die Symptome sind sehr unspezifisch und das Vorkommen von Elektrosensibilität variiert trotz ähnlicher Umweltbedingungen länderspezifisch stark.“

Für die Ärzte entsteht dadurch das Problem, dass sich die einzelnen Fälle bei der Krankenkasse nicht ordentlich abrechnen lassen. Entsprechend bemühen sie sich verstärkt, auf die Problematik aufmerksam zu machen. Eine der bekanntesten Initiativen ist der Freiburger Appell, der erstmals 2002 über die Gefahren von Mobilfunkstrahlung auf den Körper aufmerksam gemacht hat. An dieser Initiative sind über 1000 Ärzte beteiligt.

Aufklärung in den Schulen

Bei all diesen teils verwirrenden Fakten rund um das Thema Handystrahlung scheint es umso verwunderlicher, dass das Gericht in Rom im Fall des Italieners Innocente Marcolini so eindeutig entscheiden hat. Gerrit Krause macht das Urteil Mut, während Alexander Lerchl nicht fassen kann, welch Gewicht die Studie Lennart Hardells hat. Für ihn ist das Thema fast „totgeforscht“, die Wahrscheinlichkeit, dass es einen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und Handystrahlung gibt, ginge gegen Null. Lediglich im Bereich der Langzeitwirkungen und beim Einfluss auf Kinder seien noch Studien nötig. „Daran arbeiten wir gerade“, sagt Lerchl.

Während Lerchl und sein Team an der Jacobs University in Bremen forschen, engagiert sich Gerrit Krause. Er hat mit seinem Verein das Projekt „Funky School“ ins Leben gerufen, das von der Stiftung "Umwelt und Entwicklung NRW" gefördert wird. Darin soll Schulen gezeigt werden, welche Möglichkeiten sie haben, eigenverantwortlich Prävention zu betreiben und die Risiken für alle Beteiligten zu minimieren ohne auf die Errungenschaften der modernen Technik vollständig verzichten zu müssen.

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