Grippewelle Influenza kostet Deutschland Milliarden

Seit Wochen hat eine Grippewelle Deutschland im Griff: Büros sind leer, Busse bleiben wegen kranker Fahrer im Depot und die Kliniken überfüllt. Der gesamtwirtschaftliche Schaden übersteigt die zwei Milliarden-Marke.

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Deutschland fiebert, hustet und schnupft: Die Grippewelle wandert vom Süden einmal quer durch das Land, Experten sprechen von einem der heftigsten Ausbrüche in den vergangenen fünf Jahren. Eine Grippe meldet sich plötzlich mit raschem Temperaturanstieg, großer Abgeschlagenheit, heftigen Kopf- und Gliederschmerzen. Auslöser sind Influenza-Viren, die meist durch Tröpfcheninfektion - also beim Niesen, Husten oder Sprechen - von Mensch zu Mensch übertragen werden.

Schwere Infektionen wie Lungen- und Herzmuskelentzündung können folgen. Erkältungen, auch grippale Infekte genannt, weisen häufig ähnliche Symptome auf. Der Krankheitsverlauf steigt aber in der Regel weniger sprunghaft an und ist meist weniger schwer. Da es rund 200 verschiedene Erkältungsviren gibt, kann man mehrmals hintereinander erkältet sein.

Grippe nicht überall gleich stark verbreitet

Wie viele Patienten derzeit wegen Influenza im Krankenhaus liegen, ist noch nicht bekannt. Aber allein in der letzten Februarwoche wurden bundesweit über 7000 neue Grippefälle gemeldet. 2013 wurden in Deutschland 14.027 Menschen aufgrund einer Grippe vollstationär im Krankenhaus behandelt, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Das waren über 9000 Fälle mehr als im Jahr 2012. „Regional gab es große Unterschiede“, berichtete Destatis-Mitarbeiter Thomas Graf: Während 2013 in Bremen nur fünf Personen je 100.000 Einwohner im Krankenhaus versorgt werden mussten, waren es in Sachsen-Anhalt mit knapp 41 Personen je 100.000 Einwohner mehr als achtmal so viele.

Wie man Antibiotika richtig einsetzt

Auch dieses Jahr hat es einige Regionen heftiger erwischt, als andere. So waren Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen weitaus schlimmer dran, als die östlichen Bundesländer. Derzeit schwappt die Grippewelle in Deutschland gen Norden. Insgesamt kletterte die Zahl der im Labor bestätigten Diagnosen seit Herbst auf bald 27.000. Das teilte die Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) des Robert Koch Instituts (RKI) mit. Es gibt aber eine hohe Dunkelziffer, da nicht jeder Fall gemeldet wird.

„Stark erhöhte Influenza-Aktivität“, meldet die AGI für alle Teile Deutschlands. Auch die Zahl der Arztbesuche schnellte deutlich nach oben. „Das erlaubt aber noch keine direkten Rückschlüsse auf das Ausmaß der Grippewelle“, betonte Susanne Glasmacher vom RKI. Erst im Nachgang könne die Heftigkeit bewertet werden.

Krankenhäuser sind überlastet

In den besonders von Grippe betroffenen Regionen sind viele Krankenhäuser jedoch bereits komplett dicht. „Die Lage ist regional unterschiedlich, aber teilweise stehen die Krankenhäuser sehr unter Druck“, sagte Holger Mages von der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Grundsätzlich versuchten die Kliniken zusätzliche Kapazitäten vorzuhalten. Doch die Lage in den Notaufnahmen werde dadurch verschärft, dass viele Patienten statt zum Hausarzt direkt in die Krankenhausambulanz gingen.

„Die Notaufnahmen in Bayern sind alle komplett voll“, sagte der Sprecher der Landeskrankenhausgesellschaft, Eduard Fuchshuber. „Die Grippe und die Wintergeschichten kommen zu der eh angespannten Situation in den Notaufnahmen nun noch hinzu. So extrem wie dieses Jahr hab ich es noch nicht miterlebt.“ Ähnlich überfüllt ist die Situation in vielen Kliniken Baden-Württembergs, so die dortige Krankenhausgesellschaft.

Auch aus Niedersachsen melden viele Krankenhäuser Land unter. „Es ist ein flächendeckendes Problem, aber besonders stark betroffen sind die Ballungsräume“, sagt Helge Engelke von der Landeskrankenhausgesellschaft in Hannover. So mussten in Braunschweig zwischenzeitlich Patientenbetten auf dem Flur stehen. Eng wird es auch dadurch, dass diagnostizierte Grippepatienten wegen der Ansteckungsgefahr einzeln untergebracht werden müssen. Außerdem werden in vielen Häusern seit Jahren Betten und auch Personal abgebaut.

Kleine Unternehmen stärker von den Folgen betroffen

Doch nicht nur die Krankenhäuser und Ärzte stönen unter der Last der Patienten, auch der Wirtschaft geht es schlecht. Einmal davon abgesehen, dass ein Grippekranker nicht konsumiert, fehlt er auch am Arbeitsplatz. In manchen Regionen wie beispielsweise Koblenz dünnten die Verkehrsbetriebe schon das Busnetz aus, weil die Fahrer krank im Bett liegen. Doch grundsätzlich leiden eher die kleinen Unternehmen als die großen Konzerne, wie auch der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) berichtet. Die Großen können solche Wellen in der Regel abfedern. „Wie immer“ oder „saisonüblich“ seien die Krankenzahlen zuletzt nach oben gegangen, oft wegen der Grippe. „Signifikant“ höher als in den Vorjahren sei der Ausschlag, heißt es etwa beim Chemiekonzern BASF mit 39.000 Beschäftigten in Ludwigshafen. Von Problemen sei ihr aus den Abteilungen „nichts zu Ohren gekommen“, so eine Sprecherin.

So beugen Sie dem Schnupfen vor
Körpergeräusche ignorierenLautes Niesen, Husten Schmatzen, Nase hochziehen - wer erkältet ist, gibt viele Körpergeräusche von sich. Das ist nicht nur für den Erkälteten unangenehm, sondern auch für alle, die drum herum sitzen. Benimm-Experten raten dazu, sämtliche Körpergeräusche zu ignorieren. Es ist auch ohne Mitleidsbekundungen, "Gesundheit!"-Rufe und Gejammer schon schlimm genug. Quelle: dpa
HustenanfälleEinzige Ausnahme sind Hustenanfälle. Wer sich vor lauter Husten und Keuchen gar nicht mehr beruhigt, darf auch ein wenig Mitleid von den Kollegen erwarten. Vernünftig ist es jedoch, das Büro bei einem lautstarken Hustenanfall zu verlassen und sich zum Beispiel in der Büroküche ein Glas Wasser zu genehmigen, bis das Schlimmste überstanden ist. Quelle: obs
Das richtige TaschentuchFür das Putzen der Nase empfehlen Knigge-Profis und Mediziner aus hygienischen Gründen ein Papiertaschentuch. Um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, sollte man jedoch lieber auf ein Stofftaschentuch zurückgreifen. Wer möchte schon mit Papierkrümeln auf der Stirn in einem Meeting sitzen? Quelle: dpa
Auf den Handschlag verzichtenDer kräftige Händedruck zur Begrüßung ist nur dann höflich, wenn dabei keine Erkältungserreger weitergegeben werden. Wer eine regelrechte Bazillenschleuder ist, sollte darauf verzichten. Erklären Sie zum Beispiel beim Treffen mit einem Geschäftspartner, warum Sie auf den Handschlag verzichten wollen. Ihr Gegenüber wird es Ihnen danken. Quelle: dpa
Linke statt rechte HandLässt sich der Handschlag nicht vermeiden, freut sich Ihr Gegenüber darüber, dass Sie in die linke Hand genießt haben. Die rechte ist tabu! Der Vorschlag, in die Armbeuge zu niesen, wird von Knigge-Kennern abgelehnt, da sich oft nicht vermeiden lässt, dass dabei Flüssigkeit aus der Nase fliegt und die Kleidung beschmutzt. Husten und Niesen Sie am besten in ein Papiertaschentuch, und drehen sich dabei vom Gegenüber weg. Quelle: dpa
DesinfizierenWer krank ist, sollte mehrfach täglich gründlich die Hände mit Wasser und Seife waschen und auch desinfizieren. Gerade in Büros bieten viele Arbeitgeber dafür medizinisches Desinfektionsmittel an. Beim Händewaschen gilt es, auch lange genug zu schäumen: seifen Sie sich mindestens 20 bis 30 Sekunden ordentlich ein. Anschließend müssen die Hände gründlich abgetrocknet werden. Denn in feuchtem Milieu gedeihen die Bazillen besser. Quelle: dpa
Arbeitsplatz reinigenMit einem Desinfektionstuch sollte der Erkältete von Zeit zu Zeit auch Tastatur und Maus abwischen, um den Arbeitsplatz frei von Bakterien und Viren zu halten. Quelle: AP

BMW, Daimler oder Siemens, die anderen Industrieriesen im Süden, melden Ähnliches: Der Krankenstand bewege sich in einem für den Winter üblichen Maß. „Das ist für die Jahreszeit nicht untypisch“, sagte ein Siemens-Sprecher. Eine Sprecherin von Daimler in Stuttgart nennt es „saison- und witterungsbedingt“. Seit Jahren biete man kostenlose Grippeimpfungen an, die auch gut angenommen würden. Das die Impfung in dieser Saison nicht so recht greife, und der Schutz nicht so groß sei wie üblich, habe sich herumgesprochen. Besondere Vorkehrungen gebe es dennoch nicht: Die Mitarbeiter würden jeweils im Herbst im Intranet auf die nahende Grippezeit und die Impfungen hingewiesen, heißt es bei Daimler. Auch bei der BASF gehen über ein internes Infosystem regelmäßig Hygienetipps herum.

Wirtschaftlicher Schaden liegt bei über zwei Milliarden Euro

Bei tausenden Mitarbeitern mache sich der krankheitsbedingte Ausfall nicht so bemerkbar wie bei einigen Betrieben mit zehn oder zwanzig Beschäftigten, hieß es beim BWIHK in Stuttgart. Bei einer kleinen Export-Firma seien fünf von sieben Mitarbeitern krank gewesen. „Aber sowas sind Einzelfälle.“ Zahlen vom aktuellen Krankenstand in den Südwest-Unternehmen gebe es nicht. Mancherorts wird von zehn und mehr Prozent gesprochen.

Trotzdem: Hochgerechnet kostet die diesjährige Grippewelle die Bundesrepublik einiges: Laut Berechnungen des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsinstituts (RWI), die der Zeitung "Die Welt" vorliegen, könnte das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal durch die aktuelle Grippewelle um 0,3 Prozentpunkte zurückgehen. Das entspricht einem volkswirtschaftlichen Schaden von etwa 2,2 Milliarden Euro.

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