High-Tech-Baustoff Was mit neuartigem Glas alles möglich ist

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Vorurteil 4 "Glas ist langweilig"

Linz Quelle: Pressebild

Ein Gebäude des Fassadenspezialisten Drooghmans im belgischen Balen beweist das Gegenteil: Regenbogenfarbene Streifen zieren die Fassade. Mal schimmern sie grün, mal dominiert Purpur. Jeder bunte Streifen besteht aus einzelnen farbig leuchtenden Glasscheiben, die sich wie Puzzleteile zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Der Trick: In die Scheiben wird seitlich farbiges LED-Licht eingestrahlt, dessen Farbe automatisch geregelt wird.

Der französische Hersteller Saint-Gobain nimmt das Gebäude gerne als Beleg für einen Trend: Glas wird intelligent. So wechseln Fenster per Knopfdruck nicht nur die Farbe, sie werden auf Wunsch auch milchig. Ungeordnete Flüssigkristalle lassen die Scheibe trüb erscheinen. Sobald sie unter elektrische Spannung gesetzt werden, richten sich die Kristalle aus und der milchige Schimmer verschwindet. Eingesetzt wird die Technik bereits in neuen ICEs in der Trennwand zwischen Lokführer und Fahrgästen.

Vor allem sind es chemische Beschichtungen, die das Material intelligent machen. Das Unternehmen Saint-Gobain, das 2010 rund 40 Milliarden Euro umsetzte, bezeichnet sich als Weltmarktführer in dem Feld.

Jalousien werden überflüssig

Doch die Nachfrage nach intelligenten Gläsern lässt Raum für Neulinge: Vor vier Jahren nahm der heute in Plauen ansässige High-Tech-Glashersteller E-Control den Betrieb auf. Das Unternehmen brachte als erstes in Europa dimmbare Fensterscheiben auf den Markt, die an selbsttönende Sonnenbrillen erinnern.

Der Unterschied zur Brille: Der Hausbesitzer kann den Sonnenschutz per Knopfdruck regeln. In dunklem Zustand ist das Glas undurchsichtig. Dann heizen sich auch im Sommer die Büros und Wohnzimmer nicht auf und Jalousien werden überflüssig. Für das neue Werk im westungarischen Ort Szentgotthárd hat Opel vor wenigen Wochen eine Fertigungshalle mit den dimmbaren Scheiben ausstatten lassen. Auch das Bundespräsidialamt verfügt seit 2011 über ein transparentes Dach mit integrierter Sonnenbrille, nachdem zuvor jahrelang die Jalousien des Hauses versagten.

Der Dimm-Effekt beruht auf den Eigenschaften von Lithium-Ionen: Sobald ein Stromstoß durch die Scheibe fließt, wandern sie zu einer Schicht aus Wolframoxid. Diese ist im Normalzustand farblos. Sobald die Lithium-Ionen aber dort ankommen, färbt sich das Wolframoxid blau. Binnen 15 Minuten verdunkelt sich das Glas.

So vielseitig die beschichteten Scheiben auch sein mögen, die Technik verursacht auch Probleme. Bislang war Glas auch deshalb umweltfreundlich, weil es sich optimal recyceln ließ. Wenn das Material aber mit Flüssigkristallen, Metallen und Kunststoffen gespickt ist, könnte das Mehrwegprinzip wanken. Denn diese Rohstoffe werden aus Smartphones und Fassaden oft nicht zurückgewonnen.

Ein Umdenken setzt erst allmählich ein: Hersteller wie Schott nehmen metallreiche Produkte wie Solarmodule seit 2010 zurück, um sie zu recyceln.

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