Industrie 4.0 Bezahlbare Einzelstücke aus der digitalen Fabrik

Seite 3/5

Schmuck aus dem Drucker

Die Revolution von Fertigungssteuerung und Innovationsmanagement geht einher mit einem ebenso radikalen Umbruch in den Fertigungstechnologien – allen voran der Verbreitung sogenannter 3-D-Drucker. Sie markieren die Abkehr vom Konzept, Bauteile herzustellen, in dem man nicht benötigtes Material wegfräst oder abschleift. Die neue Technologie lässt Werkstücke nur da entstehen, wo tatsächlich Material benötigt wird. Das senkt den Rohstoff- und Fertigungsaufwand drastisch.

Auswahl von 3D-Druck-Verfahren

Lange war das nur im Laboreinsatz und zu immensen Kosten möglich. Nun aber gibt es Maschinen für den Privatgebrauch bereits für weniger als 500 Euro, mit denen jedermann zum Fabrikanten werden und beispielsweise Modeschmuck oder Spielsachen fertigen kann. Daneben erschließen Preisverfall und Leistungsschub der Technik auch in der Industrie neue Einsatzfelder. Dentallabors produzieren Zahnersatz damit, Boeing komplette Flugzeugbauteile. Die US-Weltraumbehörde Nasa testet, ob die 3-D-Drucker Astronautennahrung herstellen könnten.

Und das ist nicht die einzige radikale Neuerung, die gerade die Spielregeln der industriellen Welt durcheinanderwirbelt. Die universelle Vernetzung im Internet der Dinge führt dazu, dass bald jedes Produkt einen Prozessor, einen Funkchip und ein digitales Gedächtnis besitzt. So lassen sich Bauteile orten, aus der Ferne überwachen und per Datennetz mit neuer Software bestücken. Digitalisierung und Erreichbarkeit schaffen so ganz neue attraktive Märkte für internetbasierte Dienstleistungen rund um die Produkte.

Beispiele dafür gibt es bereits. BMW und Audi etwa entwickeln App-Stores, die Autobesitzern Musiktitel, Reiseführer und Navigationskarten zum Herunterladen anbieten. Auch an neuen Reparaturservices arbeiten die Entwickler: Sensoren registrieren, wann die Bremsbeläge abgefahren sind, und melden das via Bordcomputer an eine Werkstatt des Herstellers, die gleich Reparaturtermine anbietet.

Bosch wiederum will Kunden Software verkaufen, die den Energieverbrauch von Maschinen drastisch reduziert. Dazu sammeln und analysieren die Stuttgarter akribisch, welche Betriebsdaten die Anlagen permanent via Internet übermitteln.

Bollwerk gegen Asien

Beide Trends – die individualisierte Produktion und intelligente Produkte – bergen nach Meinung von Frank Riemensperger ein historisch einmaliges Potenzial. Der Deutschland-Chef der Unternehmensberatung Accenture will es nutzen, um ein Bollwerk gegen die Abwanderung der Fertigung in asiatische Billiglohnländer zu errichten. Riemensperger ist überzeugt davon, dass dies gelingen kann. Denn vor allem deutsche Hersteller und ihre gut ausgebildeten Belegschaften verfügten über die Fähigkeit, die hohe Komplexität der sogenannten iProduction zu beherrschen. „Wir haben ideale Startvoraussetzungen“, betont er. Besonders Schlüsselbranchen wie Auto- und Maschinenbau, Elektro- und Medizintechnik könnten vom Zusammenwachsen von Internet und Produktion profitieren.

Das sieht auch die Bundesregierung so. Sie hat das Projekt Industrie 4.0 zu einem Schwerpunkt ihrer High-Tech-Strategie für Deutschland gemacht und pumpt in den nächsten Jahren 200 Millionen Euro in die Förderung internetbasierter Produktionssysteme und Dienstleistungen. Kanzlerin Angela Merkel fordert die Wirtschaft auf, rasch zu handeln: „Die Menschen lassen sich nicht mehr mit Massenprodukten abspeisen“, mahnt sie.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%