Selten sorgte eine Meldung des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) für so viele Reaktionen: Jedes dritte Kosmetikprodukt enthält hormonell wirksame Stoffe. Duschgel, Zahnpasta, Gesichtscreme, Sonnenschutz, Deo, Wimperntusche ... mit Produkten, die wir jeden Morgen nach dem Aufstehen benutzen, vergiften wir unseren Körper. Das Ergebnis sind reduzierte Spermienqualität, verfrühte Pubertät oder Brustkrebs, hieß es in der Studie des BUND. Zudem empfohlen die Experten eine App namens "ToxFox", mit der sich Produkte einscannen und auf ihren Hormongehalt überprüfen lassen. Schon einen Tag nach der Meldung war sie bundesweit die am zweithäufigsten nachgefragte Gratis-App von iPhone-Nutzern. In der Kategorie "Gesundheit" sprang sie sogar auf Platz 1, und binnen 24 Stunden wurden rund 600.000 Körperpflegeprodukte eingescannt.
"Die überwältigende Nutzung der Kosmetik-App zeigt, wie stark das Bedürfnis von Verbraucherinnen und Verbrauchern nach sicheren Produkten ist", sagt Jurek Vengels, Leiter des BUND ToxFox-Teams. "Die Kosmetik-Hersteller müssen damit rechnen, dass sich die Kunden künftig viel bewusster für oder gegen ein Produkt entscheiden." Besonders häufig wurden die Stoffe in Produkten der Marktführer Beiersdorf (bekannt durch die Marke Nivea) und L’Oreal nachgewiesen. Bei diesen Firmen steckten in nahezu jedem zweiten Kosmetikprodukt hormonell wirksame Chemikalien. Bei L'Oreal steht dies in besonderem Maße im Widerspruch zu den vom Unternehmen selbst gesetzten Maßstäben: Der Konzern hatte laut BUND bereits vor vier Jahren angekündigt, alle Rohstoffe vor der Verwendung auf hormonelle Wirksamkeit testen zu wollen.
Vengels glaubt, dass der Druck auf die Konzerne durch die Verbraucher künftig steigen wird, auf hormonähnliche wirkende Stoffe zu verzichten. Doch dafür müssten die Verbraucher bewusst auf entsprechende Produkte verzichten, was gar nicht so einfach ist. Denn in manchen Produkten kommen Hormone ganz bewusst und auch transparent zum Einsatz. Antifalten-Cremes zum Beispiel enthalten Östrogen.
Noch schwieriger einzuschätzen sind Stoffe mit hormonartiger Wirkung, die der BUND in jedem dritten Kosmetikprodukten festgestellt hat. Sie stehen im Verdacht eine ähnliche Funktion zu übernehmen, wie die körpereigenen Botenstoffe. Verbrauchern ahnen oft nicht, dass diese Stoffe in ihren Kosmetikprodukten enthalten sind.
"Das Schilddrüsenhormon ist zum Beispiel für viele Stoffwechselfunktionen, die Wärmeregulation, das Wachstum und vieles mehr verantwortlich", erklärt Klaus-Peter Liesenkoetter. Der Kinderarzt aus Berlin hat sich auf Hormonerkrankungen spezialisiert und untersucht in diesem Zug die erwünschten und auch unerwünschten Nebenwirkungen von Hormonen und hormonartigen Stoffen im Körper. Oft hat er mit Frauen zu tun, die aufgrund eines gestörten Hormonhaushalts nicht schwanger werden können. Doch auch Männer die eine Antifaltencreme benutzen, können unfruchtbar werden, da durch das zusätzliche Östrogen die Testosteronbildung abnimmt.