Innovationspreis Paradebeispiel für Energieeffizienz

Kategorie Mittelstand: Häussler Innovation baut 40 Prozent weniger Stahl in Betondecken und Fundamente ein. Ein Meisterstück an Materialeffizienz.

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Unternehmenschef Franz Häussler verkürzt mit seinen rollbaren und maßgefertigten Stahlbewehrungen drastisch die Rohbauzeiten für Gebäude Quelle: Robert Brembeck für WirtschaftsWoche

Es gibt idyllischere Ausflugsziele. Die Temperatur in der schmucklosen, unbeheizten Werkhalle in Münchsmünster nahe Ingolstadt klettert an diesem Spätwintertag kaum über null Grad; der ohrenbetäubende Lärm, den zwei fast 50 Meter lange Anlagen erzeugen, ist nur mit Gehörschutz zu ertragen. Und dennoch lohnt ein Abstecher ins Werk der BT Bewehrungstechnik – zumindest für jeden, der sich für außergewöhnliche Technik begeistert. Denn die beiden Maschinen-Monster, die auf einer Entwicklung des Ingenieurbüros Häussler Innovation aus Kempten im Allgäu basieren, sind Teil einer Revolution am Bau: Sie produzieren am Fließband Stahlgeflechte, die Fundamente und Betondecken gegen Zugkräfte schützen und Bürohäuser oder Industriehallen so vor dem Einsturz bewahren, selbst wenn die Erde mal bebt.

Sieger und Finalisten des Deutschen Innovationspreises

Software spart Material, Zeit und Kosten

Die eigentliche Revolution liegt aber nicht im Stahl, sondern in der Software, die ihn anordnet. Sie spart bis zu 40 Prozent des Metalls und macht die Bauteile somit leichter und billiger. Dazu berechnet das Computerprogramm der Häussler Ingenieure für jeden Quadratzentimeter der Bewehrung – so der Fachbegriff für die Einsturzsicherung –, wie dick und zahlreich die Stahlstäbe sein müssen, um Bodenplatte und Decken ausreichend zu stabilisieren. Bei einer herkömmlichen Bewehrung dagegen wird überall mehr oder weniger gleich viel Stahl in den Beton eingegossen.

So viel Fortschritt auf einmal hat die Juroren des Deutschen Innovationspreises überzeugt. Sie küren die Allgäuer zum Gewinner in der Kategorie Mittelstand. Hans-Peter Villis, Vorstandschef des Energieversorgers EnBW Energie Baden-Württemberg, wertet die Leistung als „Paradebeispiel für Material- und Energieeffizienz“. Sie sei ein entscheidender Schlüssel für die künftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie, urteilt die Jury. Viele Rohstoffe würden knapp und teuer. Deshalb komme es darauf an, sie möglichst sparsam und überlegt einzusetzen.

Teppich aus Eisen

Villis hebt noch einen zweiten Punkt hervor. Bisher sei die Bauindustrie bei der Industrialisierung ihrer Prozesse immer noch eher zögerlich und hinke daher anderen Branchen in Sachen Produktivität hinterher. Die Häussler-Innovation bringe jetzt einen ordentlichen Schub in Richtung Automatisierung. Die Maßanfertigung ist dabei nur der spektakulärste Vorteil der neuartigen Bewehrungstechnik, die Firmenchef Franz Häussler unter der Marke Bamtec hat schützen lassen: Der Bauherr zahlt für die sparsame Bewehrung rund 20 Prozent weniger. Und weil sich die Eisenmonierung auf der Baustelle einfach wie ein Teppich ausrollen lässt, verkürzt sich die Verlegezeit gegenüber der üblichen Montage einzelner Stäbe oder Metallmatten um bis zu 90 Prozent. Und dass die Berechnungsdaten zugleich die Maschinen steuern, auf denen die Stahlrollen produziert werden, erhöht die Wirtschaftlichkeit zusätzlich.

Stahlbau im Franchise-System

Häusslers Bamtec-Technologie kommt auch beim Flughafens in Budapest zum Einnstz. Quelle: Pressebild

Daneben profitiert auch die Umwelt. Denn jede weniger verbaute Tonne Baustahl spart 143.000 Kilowattstunden (kWh) Strom und reduziert den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) um 32,5 Tonnen. Die Jury honoriert mit der Auszeichnung auch, dass die Allgäuer die Neuerung mit einem Geschäftsmodell verknüpfen, das ihnen dauerhaft Einnahmen garantiert: Um die Erfindung vor Nachahmern zu schützen, hat Häussler sie patentieren lassen und vergibt nun Lizenzen dafür. Sein Vorbild dafür war die Fast-Food-Kette McDonald’s. 25 Partner hat der 40-Jährige für das Franchisemodell bereits gefunden, darunter Unternehmen in England, Skandinavien, Australien, Russland und dem Emirat Dubai. Einer der deutschen Lizenznehmer ist die BT Bewehrungstechnik in Münchsmünster – ein höchst zufriedener. „Die Vorzüge der Technik sprechen sich in der Branche herum, und die Nachfrage wächst“, berichtet Unternehmenschef Michael Becker

Mit Wabenstrukturen Strom und Material sparen

Künftig will Häussler mit seinem System auch in Saudi-Arabien, Malaysia, Singapur, Brasilien, Indien und in der Türkei präsent sein. Die Gespräche liefen vielversprechend, sagt er. Bei der Vermarktung hilft ihm, dass die Bamtec-Technologie auch bei bekannten Bauprojekten wie der Erweiterung des Flughafens der ungarischen Hauptstadt Budapest eingesetzt wird. Und dass weltbekannte Architekten wie der Brite Sir Norman Foster, der die Kuppel des Berliner Reichstags entworfen hat, mit seinem System arbeiten. „Das war der Ritterschlag“, sagt Häussler. Und Ansporn zugleich, die Bewehrungstechnik für neue Anwendungen weiterzuentwickeln. Dabei kooperieren die Kemptener mit dem Mittelständler Hans Hundegger Maschinenbau aus dem nahe gelegenen Hawangen, der die Schweißautomaten baut. Die neue Technologie hat dem eigentlich auf Maschinen für die Holzverarbeitung spezialisierten Unternehmen neue Aufträge und Arbeitsplätze gebracht – auch das ein wichtiges Kriterium des Innovationspreises.

Häussler und Hundegger haben das Schweißverfahren inzwischen so verbessert, dass es die Stahlstäbe nun noch zuverlässiger in der berechneten Position fixiert und gegen jedes Verrutschen sichert. Erst in diesen Tagen erhielten die Entwickler die Zulassung, die Bewehrung etwa auch in Brücken, Tunneln oder in die Fundamente von Windrädern einzubauen. Schließlich sind diese Bauwerke ganz besonderen dynamischen Kräften ausgesetzt, wenn etwa Autos darüber donnern oder heftige Winde an ihnen zerren.

Und Häussler sprudelt nur so vor weiteren Ideen. Schon fix und fertig sind eine Art gewölbte Kunststoffdeckel, die wie Bienenwaben die Bewehrung verstärken. Sie bilden Hohlräume, sodass beim Ausgießen der Decken bis zu 30 Prozent weniger Beton eingebaut wird. Der Effekt: Die Decken werden nochmals erheblich leichter. Das wiederum verschafft den Architekten die Freiheit, Decken mit sehr großen Spannweiten vorzusehen, ohne dass Stützpfeiler die Sicht versperren. Die Baukunst ist damit um ein Kapitel reicher. Jede Tonne Stahl weniger spart 143.000 Kilowattstunden Strom

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