WiWo: Herr Weichert, was erfährt der Chef von den Diagnosen bei einem vom Arbeitgeber bezahlten Check-up, egal, ob beim Betriebsarzt oder einer externen Klinik?
Weichert: Es gilt die ärztliche Schweigepflicht. Natürlich unterliegt ein Betriebsarzt den allgemeinen Dienstpflichten gegenüber seinem Arbeit- oder Auftrag- geber, aber nicht bei für den Arbeitsplatz des Beschäftigten irrelevanten Gesundheitsdaten. Da gelten Datenschutz und Wahrung des Patientengeheimnisses grundsätzlich genauso.
Und wie verhält es sich bei Alkohol- oder Drogenmissbrauch?
Das Unternehmen kann einen Mediziner nicht von seiner gesetzlichen Schweigepflicht entbinden; das darf nur der Arbeitnehmer selbst. Aber bei Drogen- und Alkoholtests gibt es in der Praxis einen großen Graubereich. Hier lassen manche Arbeitgeber zum Beispiel bei Auszubildenden, unabhängig von einem konkreten Verdacht und von einer Erforderlichkeit wegen des konkreten Arbeitsplatzes, Screenings durchführen. Rechtlich darf Anlass für einen derartigen Test nur die begründete Sorge sein, jemand sei süchtig und darunter würde seine Arbeit leiden. In jedem Fall dürfte der Betriebsarzt auch nur dann das Ergebnis weiterleiten, wenn eine akute Gefährdung am Arbeitsplatz vorliegt.
Gibt es Krankheiten, bei denen ein Arbeitnehmer verpflichtet ist, seinen Arbeitgeber zu informieren?
Tatsächlich gehört es zu den Loyalitätspflichten eines Arbeitnehmers, seinen Chef über gesundheitliche Umstände zu informieren, die negative Auswirkungen auf den Betrieb oder auf die Belegschaft haben können. Das trifft aber noch nicht zu, wenn ein Mitarbeiter an einer ansteckenden Krankheit leidet, er aber durch Vorkehrungen, etwa durch besondere Hygienemaßnahmen, sicherstellt, dass er niemanden ansteckt. So kann ein HIV-Infizierter mit Vorkehrungen problemlos in einem Krankenhaus arbeiten. Dagegen hat eine Tröpfcheninfektion in einer Küche nichts verloren.
Darf der Chef für seine Mitarbeiter eine medizinische Untersuchung anordnen?
Arbeitsschutzrechtlich hat er bei bestimmten Tätigkeiten sogar die Pflicht, zum Beispiel bei Vorsorgeuntersuchungen von Piloten. Ansonsten kann der Chef keine Untersuchung verlangen, solange er keinen konkreten Anlass hat, der das aus Fürsorgegründen nötig macht. Das ist erst der Fall, wenn es konkrete Hinweise gibt, dass ein Arbeitsplatz krank macht oder ein Mitarbeiter die Gesundheit seiner Kollegen gefährdet. Schlechte Leistung ist kein Grund.
Am besten nur in Ausnahmefällen lügen
Was ist bei Bewerbungsverfahren und nach der Einstellung erlaubt?
Generell dürfen nur solche Gesundheitsdaten vom Arbeitgeber erhoben werden, die für die Tätigkeit direkt relevant sind. Alles andere geht das Unternehmen nichts an und darf ihm weder ein Betriebsarzt noch sonst ein medizinischer Helfer mitteilen. Der Arbeitgeber darf nur wissen, welche gesundheitlichen Einschränkungen für die Arbeit aus medizinischer Sicht bestehen, nicht aber die konkrete Diagnose, geschweige denn die Anamnese oder Details aus der Behandlung. Es besteht keine Pflicht, mit dem Arbeitgeber über eigene Krankheiten zu reden.
Gilt das auch, wenn der Mitarbeiter durch genetische Tests Kenntnis über eine unentrinnbar ausbrechende Krankheit bekommt?
Auch dann gilt: Eine Mitteilungspflicht besteht nur bei konkreter Gefahr am Arbeitsplatz.
Wie geschützt sind denn Check-up- Gespräche mit einem Psychologen?
Sie unterliegen den gleichen Verschwiegenheitsregeln wie Ärzte. Bei psychologischen Tests ist es aber noch dringender, dass die Betroffenen über Sinn, Zweck und Durchführung präzise aufgeklärt werden.
Gehören sensible Gesundheitsdaten in die Personalakte und wenn ja: Wer darf Zugriff darauf haben?
Sie gehören grundsätzlich nicht in die Personalakte, nur die äußeren Angaben, etwa über die Dauer der krankheitsbedingten Abwesenheit. Darüber hinausgehende Daten gehören in eine besonders vertraulich zu behandelnde Nebenakte, zum Beispiel in einen besonders versiegelten Umschlag.
Muss ein Mitarbeiter, der zum Job erscheint, dem Chef melden, dass er eigentlich zu krank zum Arbeiten ist, zum Beispiel wegen einer Krebserkrankung?
Jein. Wenn die Krankheit keine Beeinträchtigung am Arbeitsplatz – Ansteckungsrisiko oder beschränkte Leistungsfähigkeit – zur Folge hat, darf der Arbeitnehmer schweigen. Jeder ist aber gut beraten, seinen Vorgesetzten bei einer nicht unerheblichen Krankheit zu informieren.
Dürfen Arbeitnehmer lügen?
Ja, wenn die ehrliche Antwort den Chef nichts angeht. Bei der Frage nach einer Schwangerschaft darf auch gezielt die Unwahrheit gesagt werden. Aber auch für die Arbeit nicht direkt relevante Lügen können das Vertrauensverhältnis belasten. Lügen sollte die absolute Ausnahme bleiben.