Die Höheren Säugetiere tauchten erst nach dem Verschwinden der Dinosaurier auf der Erde auf. Ihr gemeinsamer Vorfahr sei vermutlich ein kleiner Vierbeiner gewesen, der Insekten fraß, berichtet ein Forscherteam im US-Fachblatt „Science“. Er habe sich einige hunderttausend Jahre nach dem großen Massensterben vor rund 65 Millionen Jahren entwickelt, bei dem rund 70 Prozent aller damals lebenden Arten von der Erde verschwanden, darunter auch die Dinosaurier. In den darauffolgenden Jahrmillionen entstanden dann rasch die vielen Ordnungen und Arten der Höheren Säugetiere, zu denen von den Nagetieren über die Wale bis hin zum Menschen ein Großteil aller heutigen Säugetiere gehören.
Die Frage nach dem Ursprung der Höheren Säugetiere - auch Plazentatiere genannt - beschäftigt Forscher seit langem. Molekulargenetischen Untersuchungen zufolge lebten die ältesten Vertreter der Klasse schon vor 100 Millionen Jahren, also vor dem großen Massensterben. Fossilienfunde stützen diese Theorie aber nicht. Die meisten Funde mit einer großen Vielfalt an Arten stammen erst aus einer Zeit vor etwa 55 Millionen Jahren. „Im Bereich der Säugetierforschung gab es eine große Kluft zwischen den Leuten, die mit DNA arbeiteten und denen, die sich mit der Morphologie beschäftigten. Sie haben bisher einfach nie zusammengearbeitet“, erläutert John Wible vom Carnegie Museum of National History. Er ist einer der Forscher, der im Team um Maureen O' Leary von der Stony Brook University (Stony Brook/US-Staat New York) nun versuchte, beide Ansätze miteinander zu versöhnen.
Die Wissenschaftler beschrieben dazu zum einen ganz detailliert das Aussehen und den Körperbau von 86 Arten höherer Säugetiere, und zwar sowohl von lebenden wie von ausgestorbenen. Insgesamt listeten sie 4500 Merkmale auf, wie etwa die Art der Zähne, das Vorhandensein bestimmter Knochen, die Musterung des Fells oder die Struktur des Gehirns. Dieser Datensatz - den Forschern zufolge ist er etwa zehnmal größer als alle anderen zuvor für solche Fragestellungen ausgewerteten Datensätze - kombinierten sie dann mit vorhandenen genetischen Daten.
Die Analyse des resultierenden Stammbaums ergab einen Ursprung der Höheren Säugetiere etwa 200.000 bis 400.000 Jahre nach dem großen Massensterben vor rund 65 Millionen Jahren. Etwa zwei bis drei Millionen Jahre danach tauchten dann die ersten Vertreter der modernen Plazentatiere auf. „Säugetier-Ordnungen wie Nagetiere und Primaten haben die Erde nicht mit den Nicht-Vogel-Dinosauriern geteilt, sondern entwickelten sich kurz nach dem Untergang dieser Dinosaurier aus einem gemeinsamen Vorfahren - einem kleinen, insektenfressendem, herumhuschenden Tier“, sagte O' Leary.
Ihre Studie bestätige damit das sogenannte Explosiv-Modell. Dies besagt, dass die Höheren Säugetiere in dem radikal veränderten ökologischen Umfeld nach dem großen Massensterben - das durch den Einschlag eines riesigen Asteroiden ausgelöst wurde - die ökologischen Nischen besetzten, die mit dem Verschwinden der Dinosaurier und anderer Tiere freigeworden waren.
Aus ihrer Datenanalyse leiteten die Forscher dann noch eine Reihe von Merkmalen ab, anhand derer sie das vermutliche Aussehen des gemeinsamen Vorfahrens rekonstruierten. Er wog demnach zwischen 6 und 245 Gramm, fraß Insekten und gebar einzelne Junge, die nackt und mit geschlossenen Augen zur Welt kamen.