Krebs-Medikament Amgen übernimmt Krebsspezialisten Micromet

Amgen Inc. wird Micromet für 1,16  Mrd. Dollar kaufen. Damit geht eine Perle der deutschen Biotechnik-Forschung an den US-Biotechriesen, der damit seine Krebssparte stärkt.

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Mit dem Zukauf soll die Präsenz in Europa gestärkt werden. Quelle: dapd

Schon seit vorigem Sommer arbeiten der US-Biotech-Konzern Amgen und das deutsch-amerikanische Unternehmen Micromet eng zusammen. Was die vor 19 Jahren in München gegründete Micromet zu bieten hat ist eine weltweit nahezu einmalige Technik, mit speziell gestalteten Antikörpern besonders effektiv gegen Krebs vorzugehen. Die Rechte an diesen sogenannten bispezifischen BiTE-Molekülen gehen mit der Fusion an Amgen über. Natürlicherweise bildet das körpereigene Abwehr- oder Immunsystem Antikörper, um Krankheitserreger oder Giftstoffe zu erkennen. Diese y-förmigen Proteine sind die Spürhunde der Körperpolizei: Haben sie etwas entdeckt, schlagen sie an und rufen Hilfe herbei, etwa die T-Zellen. 
Wenn allerdings Krebsgeschwüre den Menschen befallen, ist die körpereigene Abwehr machtlos. Zwar wandern Immunzellen wie die T-Zellen - eine Art Killertruppe der weißen Blutkörperchen - in die Geschwulste ein. Doch statt die Krebszellen zu zerstören, bleiben die Killer friedfertig. Den Grund kennt Micromet-Forschungschef Patrick Bäuerle: "Krebszellen tarnen sich und schütten Stoffe aus, die T-Zellen außer Gefecht setzen." Der Forscher hat deshalb ein Verfahren entwickelt, mit dem er die T-Zellen wieder scharf schalten kann, sodass sie Krebsgeschwulste förmlich dahinschmelzen lassen.
Dafür gaben die Micromet-Wissenschaftler den Antikörpern eine besondere Struktur: Sie schrumpften sie auf ihre wesentlichen Bestandteile - die Bindungsregionen am Ende der beiden Y-Arme. Weil die Moleküle so klein sind, bringen sie Killer- und Tumorzellen so nah aneinander, "dass es wieder funkt", sagt Bäuerle: "Wir sind die Dompteure, die T-Zellen dazu bringen, wieder durch brennende Reifen zu springen." In einer der jüngsten Studien mit diesen bispezifischen Antikörpern  bildete sich bei drei Viertel der Patienten eine besonders aggressive Blutkrebsart vollständig zurück: Es waren keinerlei Krebszellen mehr nachweisbar. 
Erfinder der Technik ist der inzwischen emeritierte ehemalige Leiter des Instituts für Immunologie an der Universität München, Gert Riehtmüller, der den Zusammenschluss der von ihm mitgegründeten Micromet „sehr begrüßt“. Denn für abschließende Studien und die Vermarktung solcher Krebsmedikamente brauche Micromet einfach einen großen und finanzstarken Partner, sagt Riethmüller. 

Perle der deutschen Biotechnik-Branche

Amgen und Micromet arbeiten schon seit dem Sommer zusammen Quelle: AP

Schon im Jahr 2006 war die von Riethmüller mitgegründete Micromet mit der in Rockville ansässigen und in USA börsennotierten CancerVax fusioniert  – und auf diese Weise schnell und preiswert an ein Nasdaq-Listing gekommen. So ließ sich in USA neues Kapital für die Weiterentwicklung leichter einwerben als von Deutschland aus, wo die Investitionsbereitschaft in die Biotechnik seit Jahre extrem dürftig ist. Seither lag der juristische Sitz des Unternehmens zwar in den USA, die komplette Forschung war allerdings am deutschen Standort München geblieben. Dass mit dem Aufkauf durch Amgen eine Perle der deutschen Biotechnik-Branche an einen US-Konzern geht, findet Riethmüller zwar schade, aber nicht tragisch: „Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass mit Bayer oder Boehringer Ingelheim einer der beiden deutschen Kooperationspartner Micromet kauft“, sagt der Erfinder der heilsamen Molekülklasse. Viel wichtiger sei ihm aber, „dass die Entwicklung der Medikamente nun schnell vorankommt und die Patienten auf der ganzen Welt möglichst schnell damit behandelt werden können“, so Riethmüller. Nach Riethmüllers Einschätzung könnte ein erstes Präparat schon ein etwa zwei Jahren auf den Markt kommen. Schließlich sei die US-Arzneimittelzulassungsbehörde FDA von sich aus auf Micromet zugekommen und hätte ein besonders beschleunigtes Zulassungsverfahren in Aussicht gestellt.

„Das ist schon ein sehr deutlicher Hinweis darauf, welches Heilungspotenzial diesen Molekülen nicht nur von uns zugetraut wird“, sagt der Erfinder. Tatsächlich erhofft sich auch Amgen-Chef Kevin Sharer durch den Millionen-Zukauf eine Stärkung der Krebsparte seines Unternehmens. Zugleich soll mit Micromet auch die Präsenz in Europa ausgebaut werden, denn nach Aussage des Amgen-Europachefs Carsten Thiel soll die Micromet-Forschung komplett in München bleiben: „Wir freuen uns auf die Mitarbeiter und deren Kompetenz, der Standort soll in jedem Fall erhalten werden.“

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