US-Forscher rücken Tumoren mit speziell programmierten Bakterien zu Leibe. Die genetisch veränderten Salmonellen produzieren einen Anti-Krebs-Wirkstoff, lösen sich dann selbst auf und setzen das Gift im Tumor frei, wie die Wissenschaftler im Fachjournal „Nature“ schreiben.
Ein Team um Jeff Hasty von der University of California San Diego in La Jolla (Kalifornien, USA) entwickelte die neuen Bakterienstämme, Sangeeta Bhatia und ihre Kollegen vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (Massachusetts, USA) führten Tests mit Mäusen durch.
Bei ihrem Konzept hätten er und seine Kollegen sich davon leiten lassen, dass eine Krebstherapie möglichst wenig Schaden im Körper des Patienten anrichten soll, sagte Hasty laut einer Pressemitteilung seiner Universität. „Wir wollten außerdem eine beträchtliche therapeutische Nutzlast an die erkrankte Stelle liefern.“ Die Forscher verwendeten Bakterien, die besonders Tumore besiedeln.
Formen der Krebs-Therapie
Bei einer Operation wird der Tumor entfernt, häufig auch die umliegenden Lymphknoten um eine Streuung zu vermeiden. Eine Operation allein reicht meist nicht aus.
Quelle: Bayerische Krebsgesellschaft
Dabei kommen bestimmte Medikamente, sogenannte Zytostatika, zum Einsatz. Sie können bösartige Tumoren zerstören oder zumindest ein weiteres Wachstum verhindern. Die Medikamente greifen in den Zell-Stoffwechsel ein. Weil sie aber nicht zwischen gesunden Zellen und Tumorgewebe unterscheiden können, kommt es zu Nebenwirkungen, etwa Haarausfall, Erbrechen, Immunschwäche. Weil sich das Normalgewebe aber schneller regeneriert, wirkt die Chemotherapie auf Krebszellen stärker.
Der Tumor wird vor, nach oder anstelle einer Entfernung mit energiereicher Strahlung beschossen. Die Bestrahlung kommt nur lokal zum Einsatz und kann das Wachstum des Tumors bremsen, indem die Tumorzellen zerstört werden.
Es handelt sich um einen jungen Therapieansatz, auch "targeted therapy" (zielgerichtete Therapie) genannt. Hierunter fällt die in der US-Studie erforschte Blockierung des Ral-Proteins. Spezifische Wirkstoffe sollen zielgenau die Krebszellen angreifen.
Hierbei werden Antihormone gegeben. Sie können vor allem Tumoren der Geschlechtsorgane und Brustkrebs im Wachstum stoppen oder verlangsamen.
Hierunter versteht man die Überwärmung des Körpers oder einzelner Körperteile. Dies kommt beispielsweise ergänzend zu einer Strahlentherapie zum Einsatz, und kann ihre Wirkung verstärken.
In das Erbgut bestimmter Salmonellen setzten sie mehrere Gene ein, die eine Art Selbstzerstörungsmechanismus bewirken. So wird ein Protein namens AHL produziert, das sich zwischen den Zellen einer Bakterienkolonie in einem Tumor verbreitet. Erreicht die AHL-Konzentration einen bestimmten Grenzwert, löst das Protein die Produktion eines Stoffes aus, das die Bakterienzelle auflöst. Einige der Salmonellen überleben die Massenselbsttötung der Kolonie und können im Tumor wieder eine Population aufbauen.
Während die veränderten Salmonellen sich vermehren, produzieren sie dank eines weiteren eingeschleusten Gens ein Gift, das Krebszellen tötet. Lösen sich die Bakterien auf, wird dieses Gift freigesetzt.
Siegfried Weiß vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig findet das Konzept der US-Forscher ausgesprochen innovativ. Es sei zwar nicht schwierig, Salmonellen dazu zu bringen, einen bestimmten Stoff zu produzieren, wohl aber, diesen Stoff auch freizusetzen. „Dieses Problem haben die Forscher sehr elegant gelöst“, betont Weiß, der nicht an der Studie beteiligt war.
Hasty und Kollegen testeten die genetisch veränderten Salmonellen zunächst in Nährlösungen. Um die Zyklen sichtbar zu machen, in denen die Kolonie wächst, sich größtenteils auflöst und wieder wächst, integrierten sie ein weiteres Gen in das Bakterium. Es sorgt dafür, dass die Zellen Licht aussenden. In Zeitrafferfilmen zeigen sich aufleuchtende und wieder verschwindende Bakterien. Zudem konnten die Forscher bereits in der Nährlösung zeigen, dass der Anti-Krebs-Wirkstoff, von mehreren Tausend Salmonellen gleichzeitig freigesetzt, menschliche Krebszellen töten kann.
Forscher
Das MIT-Team unter der Leitung von Bhatia setzte nun die Forschung an krebskranken Mäusen fort. Dabei zeigte sich, dass die Anti-Krebs-Salmonellen das Wachstum von Darm- und Lebertumoren zwar einschränken, die Tumore aber nicht abtöten können. Die besten Ergebnisse brachte eine Kombination aus drei veränderten Bakterienstämmen, die jeweils einen anderen Wirkstoff produzieren, und einer Chemotherapie. Damit gelang es immerhin, die Lebenserwartung der Mäuse um 50 Prozent zu erhöhen.
Deutsche Kollegen sind beeindruckt von Forschungsergebnissen
Das Konzept sei spannend und absolut neu, unterstreicht Mathias Heikenwälder vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, der nicht an der Studie beteiligt war. „Das synchronisierte Auflösen einer Bakterienpopulation ist beeindruckend!“ Die Bakterien seien wie Drohnen, denen man ein Programm eingibt, dass sie dann ausführen. Allerdings seien noch einige Fragen offen, etwa, ob das Konzept auf die klinische Anwendung übertragbar sei.
In einem „Nature“-Kommentar weist Shibin Zhou von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore (Maryland, USA) darauf hin, dass das Verfahren auch anderweitig angewendet werden könnte: „Eine zyklische Wirkstofffreisetzung könnte nützlicher sein für die Behandlung von Menschen mit Krankheiten, die wiederkehrende Dosierung erfordern, wie Diabetes und Bluthochdruck.“