Über solche Definitionen haben sich erst jüngst die Stiftung Warentest und der Schokoladenhersteller Ritter Sport vor Gericht gestritten. In einem großen Schokoladentest hatte die Stiftung die Sorte „Voll Nuss“ der Firma durchfallen lassen. Schließlich gebe Ritter Sport vor, nur natürliche Zutaten zu benutzen. Tatsächlich sei der enthaltene Aromastoff Piperonal aber chemisch von dem Hersteller Symrise aus dem niedersächsischen Holzminden hergestellt worden. Symrise betonte vor Gericht, dass natürliche Aromen an den Kunden gegangen seien. Das Gericht entschied am Ende gegen die Stiftung Warentest.
So wenig es den Verbrauchschützern schmeckt, Unternehmen wie Symrise orientiert sich stark an den Wünschen der Kunden. Viele Verbraucher wollen lieber Fertigprodukte statt frischer Waren kaufen. Statt selbst zu kochen, greifen die Deutschen zu Fertiggerichten voller künstlich hergestellter Aromen. Im April vergangenen Jahres meldete das Deutsche Tiefkühlinstitut, dass noch nie so viel Kost aus der Truhe gekauft worden sei wie 2012. Konkret: Vor elf Jahren wurden noch etwa 177.000 Tonnen Tiefkühlpizza verkauft. 2012 waren es dann 289.000 Tonnen, also 825.000.000 TK-Pizzen allein in Deutschland.
Aromen-Hersteller Symrise
Symrise ist weltweit einer der ganz großen Player am Markt. In über 30 Ländern ist das Unternehmen aktiv und setzt dabei etwa 1,735 Milliarden Euro im Jahr um (Zahl von 2012). Dabei teilt sich der Umsatz etwa 50 zu 50 auf die Geschäftsbereiche „Geschmack“ und „Duft“ auf.
Der schlechte Ruf, den die Branche hat, ist dem Unternehmen durchaus bewusst. Fragt man nach, wie in den Produktionshallen in Niedersachsen eigentlich Aromen hergestellt werden, wird zunächst vom Zwiebelextrakt erzählt. Hierin sei man besonders gut. Die Zwiebeln würden von Bauern aus der Region geliefert, mit denen Symrise Exklusiv-Verträge abgeschlossen habe.
„Durch Extraktion gewinnen wir das Zwiebelöl. Das ist am Ende eine dicke Flüssigkeit, fast wie Sirup“, erklärt Christina Witter, stellvertretende Pressesprecherin bei Symrise. „Aus einer Tonne Zwiebeln gewinnen wir 100 Kilo Zwiebelextrakt.“ Das Produkt lasse sich auch weiter verarbeiten. Wie aus einer gigantischen Dusche sprühen die deutschen Aroma-Künstler das flüssige Extrakt auf verschiedene Trägerstoffe. Sprühtrocknung nennen die Experten das.
„Wir müssen sehr verschwiegen sein. Schließlich ist jeder individuelle Geschmack auch immer ein Markenzeichen des Kunden – und damit ein Betriebsgeheimnis“, sagt Christina Witter.
Hinter den Symise-Mauern geht es zu wie in einer Hexenküche. Zum einen kommen die Kunden mit sehr konkreten Vorstellungen auf das Unternehmen, zum anderen entwickeln die Flavoristen von Symrise unterschiedliche Geschmacksideen. Vor Augen haben sie dabei immer ein konkretes Produkt und eine konkrete Zielgruppe. „Man muss testen, ob die Kombination von Aromastoffen sich auch in dem jeweiligen Produkt entfaltet“, erklärt Christina Witter. Also: Schmeckt der Kartoffelchip würzig genug? Schmeckt der Pudding genug nach Erdbeere? Oder wie entfaltet sich der Minzgeschmack im Kaugummi? Jedes Produkt hat andere Einflüsse auf die Aromen.
Insgesamt verarbeiten die Niedersachsen 10.000 unterschiedliche Rohstoffe zu Aromen, die dann in etwa 30.000 Produkten zum Einsatz kommen – ein gigantisches Geschäft.
Der Grund dafür ist einfach: es ist bequem, oft günstiger als selbst zu kochen und dank Aromen und Zusatzstoffen auch noch lecker. Symrise will genau wissen, welche Geschmäcker bei den Verbrauchern gerade gut ankommen und betreibt regelmäßig Marktforschung. „Wenn wir am Markt erfolgreich sein wollen, müssen wir wissen, was die Leute gerne mögen“, sagt Christina Witter, stellvertretende Pressesprecherin des Unternehmens. In den vergangenen Jahren sei der Trend immer mehr in Richtung „Natürlichkeit, Authentizität und Regionalität“ gegangen.
Gleichzeitig habe der kulinarische Einfluss anderer Kulturen zugenommen. „Nach jeder Reise bringen wir Geschmäcker aus dem Ausland mit“, sagt Witter. „Das ist eine tolle Inspiration für neue Produkte.“ Heraus kommt eine Geschmackexplosion, die Verbraucher verführt und dem Unternehmen horrende Summen spart.
Denn natürlich steigt die Marge der Produkte, wenn hochwertige Waren durch Aromen ersetzt werden können. Allein mit einem Gramm Aroma könne man rund ein Kilogramm Lebensmittel aromatisieren, sagt Verbraucherschützerin Schauff, und weiter: „Wenn aber mit Zutaten auf der Verpackung geworben wird, die am Ende kaum bis gar nicht in den Produkten enthalten sind, dann werden falsche Erwartungen geweckt und Verbraucher hinters Licht geführt.“