Künstliches Blut Wie Wattwürmer unser Leben retten

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Kunstblut soll Spenderorgane länger haltbar machen

Daher ist er bisher auch nicht an die Börse gegangen. Das notwendige Wagniskapital stammt von bretonischen Business Angels und Förderern. 15 Millionen Euro kamen so zusammen. Das klingt nach viel, ist aber in einer Biotech-Firma schnell ausgegeben. „Die Apparate für unsere Labors kosten ein Vermögen.“ Auch die Anmeldung von bisher 18 Patenten war nicht billig.

Dafür tun sich ständig neue Therapiemöglichkeiten auf. So sollen im März klinische Studien beginnen, um Spenderorgane mit dem Wunderstoff zu konservieren. Die Zeit, in der Niere oder Lunge nicht durchblutet werden, müssen die Ärzte so kurz wie möglich halten, um Schäden zu verhindern. Bisher dürfen etwa bei der Transplantation eines Herzens nicht mehr als vier Stunden vergehen, bei einer Leber zwölf. Würde das Organ dagegen im sauerstoffreichen Kunstblut des Wurms baden, ließen sich die Transportzeiten wohl verdoppeln. „Unsere Tests haben ergeben, dass eine mit M101 konservierte Niere schon eine Stunde nach der Verpflanzung wieder arbeitet. Bisher müssen die Patienten nach dem Eingriff noch bis zu einem Monat zur Dialyse“, so Zal.

Organspenden in Deutschland

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten

Daneben will er mit dem Mittel auch offene Wunden behandeln, die oft schlecht heilen. Er hofft, dass Sauerstoffreichtum und Verträglichkeit von Hemarina M101 die Heilung kräftig beschleunigen.

Die US-Navy testet derweil, ob sie mit der Substanz Schäden durch Blutgerinnsel im Hirn lindern kann, die durch Druckwellen von Explosionen entstehen. Dadurch können Adern verstopfen, was im schlimmsten Fall tödlich ist, weil Nervengewebe nicht mehr mit Sauerstoff versorgt wird. Nehmen Soldaten M101 nach einer Detonation ein, könnte es das Gehirn schützen. Das könnte auch bei Patienten mit Verdacht auf einen Schlaganfall funktionieren.

„Das wäre der Königsweg“, urteilt Paion-Chefin Söhngen. „Idealerweise würde das Mittel bereits im Krankenwagen verabreicht.“ Ob ein großzügiger Einsatz möglich sei, hänge aber von den Produktionskosten ab. Die seien bei biologischen Substanzen oft hoch. Sie warnt zudem vor zu viel Optimismus. Denn Tierversuche lassen sich nicht immer auf Menschen übertragen.

Angesichts der vielen Therapieansätze kann Zal längst nicht mehr wie früher mit Gummistiefeln und Schaufel an den bretonischen Stränden nach Wattwürmern jagen. Mittlerweile liefert eine Zucht in den Niederlanden mehrere Tonnen jährlich.

Glücklicherweise stammt das M101 nicht aus einer vom Aussterben bedrohten Art. Zal verdreht die Augen. „Das Genehmigungsverfahren für unsere eigene Zucht war trotzdem eine Odyssee. Ich habe mir anhören müssen, dass Würmer keine Sympathieträger für eine Gemeinde seien.“ Sollte der Gründer Erfolg haben, wird sich das sicherlich schnell ändern: Wer hat nicht gern einen Lebensretter an der Angel.

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