„Im Alter entgleisen so viele verschiedene Mechanismen, weil die Evolution kaum noch eine Angriffsfläche für die Auslese hat – eben weil wir uns im höheren Alter nicht mehr fortpflanzen“, sagt der Kölner Genforscher Björn Schumacher. Denn die Evolution funktioniert nach dem Prinzip, dass die jeweils besten und erfolgreichsten Exemplare ihrer Art ihre Gene erfolgreich in die nächste Generation weitergeben. Ob oder woran wir erkranken und sterben, wenn unser Körper keine Nachkommen mehr produzieren kann, ist der Evolution herzlich egal.
Wo die natürliche Optimierung der Gene fehlt, legen Forscher nun selbst Hand an. So hat eine spanische Forscherin kürzlich eine Gentherapie gegen das Altern etabliert. Auch sie zunächst aber nur für Mäuse.
Maria Blasco vom spanischen Krebsforschungszentrum CNIO in Madrid hat es im vorigen Jahr geschafft, die sogenannten Telomere zu stabilisieren. Sie sitzen wie Schutzkappen auf den Chromosomen, in denen das Erbgut steckt. Bei jeder Zellteilung werden sie ein Stück kürzer. Irgendwann sind sie so kurz, dass der Körper die Zelle als schadhaft erkennt und aussortiert.
Auch das ist ein Mechanismus des biologischen Alterns: eine Art biologische Uhr.
Mithilfe eines eingeschleusten Gens kann die Forscherin den Prozess aufhalten und die Uhr zurückstellen. Die Folge: Die Mäuse altern langsamer, bekommen seltener oder viel später als ihre unbehandelten Artgenossen Diabetes und Osteoporose.
Hoffnungsschimmer
Blanco schlägt diese Jungbrunnentherapie nun auch als Anti-Aging-Therapie für den Menschen vor. Denn der Alterungsprozess der Zellen sei der Grund vieler alterstypischer Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Probleme oder Diabetes. „Indem wir die Zellalterung behandeln, können wir diese Krankheiten verhindern.“
Ein Hoffnungsschimmer sind diese Therapien in jedem Fall. Ewiges Leben hingegen werden sie so bald nicht bringen. „Eines Tages ist biologisch definitiv das Ende des Lebens erreicht“, beantwortet etwa der Kölner Krebsforscher Michael Hallek diese fast schon philosophische Frage.
Selbstbestimmt
Hallek ist stellvertretender wissenschaftliche Koordinator von CECAD und Direktor der Klinik I für Innere Medizin der Uniklinik Köln. Ihm geht es anders als de Grey oder Kurzweil nicht darum, das Sterben an sich abzuschaffen. Wofür Hallek mit seinen Kollegen sorgen will, ist, dass wir Menschen unsere Zeit bis zum Tod möglichst gesund und fit verbringen können.
So lautet auch das CECAD-Motto: „Dem Leben nicht nur mehr Jahre geben, sondern den Jahren auch mehr Leben.“
Dann könnte ein selbstbestimmtes, tatkräftiges Leben bis zum Schluss wieder fast so üblich werden wie vor der Erfindung vieler medizinischer High-Tech-Geräte – etwa in den Fünfzigerjahren.
Damals traf etwa der Tod von Hermann Thieme die Angehörigen völlig überraschend. Der Schreinermeister radelte gerade noch von seiner Tischlerei in Berlin-Niederschönhausen die paar Hundert Meter nach Hause und winkte seiner Frau zu. Sie stellte daraufhin das Essen auf den Tisch. Doch wer nicht erschien, war der Herr des Hauses. Der 69-Jährige war beim Abstellen seines Fahrrads zusammengebrochen. Als der Arzt endlich eintraf, konnte der nur noch seinen Tod feststellen.
Was damals ein Schock war, entwickelte sich in dieser und vielen anderen Familien allmählich zum Wunschszenario: So plötzlich und schmerzlos mitten aus dem Leben zu scheiden, das musste herrlich sein: kein Leid, keine Krankheit, kein Alten- und Pflegeheim.
Einfach winken – und weg.