Leiden auf Rezept Krank durch Medikamente

Antibiotika machen depressiv, Schlafmittel dement und Blutdrucksenker impotent. Das behauptet zumindest die Biologin Cornelia Stolze in ihrem neuen Buch "Krank durch Medikamente". Ein Auszug.

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Quelle: imago images

Arzneimittel sollen heilen, Beschwerden lindern und – wenn möglich – sogar vor künftigen Leiden bewahren. Tatsächlich retten Medikamente vielen schwerkranken Menschen das Leben, sie nehmen Patienten stärkste Schmerzen oder schützen Kinder und Erwachsene vor den Folgen gefährlicher Infektionen.

Doch der Siegeszug der Pharmazie hat eine Kehrseite: Die wachsende Flut von Medikamenten macht inzwischen auch immer mehr Menschen krank. Ob Herzrasen, Depression, lebensgefährliche Schädigung des Immunsystems, Verwirrtheit, Gedächtnisstörungen oder Demenz – hinter zahlreichen Leiden, die Ärzte heute diagnostizieren, stecken in Wirklichkeit nicht körperliche oder seelische Defekte, sondern die Nebenwirkungen massenhaft konsumierter Arzneien.

Opfer der Industrie

Je älter wir werden, desto größer ist die Gefahr. Aber selbst die Jüngsten werden immer öfter zu Opfern der pharmazeutischen Industrie, schließlich schlucken viele Kinder inzwischen bereits jahrelang Psychopharmaka.

Wer käme schon auf die Idee, dass Präparate wie der Kassenschlager Ritalin bei achtjährigen Jungen stundenlange Erektionen auslösen können, die nicht nur sehr schmerzhaft sind, sondern mitunter auch zu bleibenden Schäden führen und die Betroffenen dauerhaft impotent machen?

Die hartnäckigsten Gesundheitsmythen
Eine junge Frau putzt sich mit einem Papiertaschentuch die Nase Quelle: dpa
Mann mit Rückenschmerzen sitzt im Büro Quelle: obs
In einer Zahnarztpraxis werden die Zähne eines Jungen untersucht Quelle: dpa
Ein Fieberthermometer liegt auf verschiedenen Arten und Formen von Tabletten Quelle: dpa
Ein Mann zieht an seinem Finger und erzeugt ein Knackgeräusch. Quelle: dpa
Angela Merkel hält ein Schnapsglas in der hand Quelle: AP
Ein Junge steht unter einer Dusche Quelle: dpa

Welche ältere Dame rechnet damit, dass sie mit Mitte siebzig plötzlich eine krankhafte Spielsucht oder ein unbändiger Kaufzwang packt – nur, weil sie seit ein paar Wochen ein Medikament gegen Parkinson nimmt?

Woher soll eine junge, kerngesunde Patientin wissen, dass die Einnahme eines altbekannten Schmerzmittels sie zum Notfall machen kann? Und wer ahnt schon, dass massenhaft verschriebene Cholesterinsenker wie Sortis oder Zocor das Gehirn blockieren, Erinnerungen auslöschen und die Betroffenen orientierungslos herumirren lassen können? Vier Beispiele von vielen, die uns vor Augen führen, dass Medikamente wahrlich keine Lutschbonbons sind.

Doch häufig werden die Nebenwirkungen weit verbreiteter Arzneimittel selbst von denen, die sie verordnen, und von denen, die sie schlucken, nicht als solche erkannt. Kein Wunder, denn die Einnahme von Medikamenten ist vielen von uns so in Fleisch und Blut übergegangen, dass manch einer glatt vergisst, was er da regelmäßig schluckt und spritzt.

Sei es der Diabetiker, der täglich sein Insulin injiziert und dabei aus dem Blick verliert, dass dies ein Arzneimittel und potentiell tödlich ist. Sei es die junge Frau, die seit Jahr und Tag die „Pille“ nimmt. Oder aber der ambitionierte Hobbysportler, der ohne sich viel dabei zu denken, gelegentliche Schmerzen mit der ein oder anderen Tablette stillt.

Arzneimittelfirmen, Behörden und Politik, versuchen natürlich, das Thema zu meiden. Doch die Fakten sprechen für sich: Seit Mitte der 1990er Jahre ist die Zahl der Komplikationen und Todesfälle, die sich auf die Einnahme von Medikamente zurückführen lassen, erheblich gestiegen.

Todesfälle durch Medikamente

Untersuchungen in den USA haben 2010 gezeigt, dass sich die Zahl der schweren Arzneimittelzwischenfälle allein zwischen 1998 und 2005 mehr als verdoppelt hat. Die Zahl der Todesfälle durch Medikamente hatte sich im selben Zeitraum sogar fast verdreifacht, stellten die Forscher um Thomas Moore vom Institute for Safe Medication Practices in Pennsylvania fest.

Zur Person

Die starke Zunahme der Komplikationen gehe unter anderem darauf zurück, so Moore, dass die Zahl der verschriebenen Medikamente in den USA seit 1998 um etwa die Hälfte gestiegen ist. Jedes Jahr, berichtet auch die Verbraucherschutzorganisation Public Citizen mit Sitz in Washington, kommt es dadurch unter älteren US-Bürgern zu mehr als 9,6 Millionen solcher Komplikationen.

Die starke Zunahme der Arzneimittelschäden weise auf ein massives Problem hin, so Moore. Daran zeige sich, dass das derzeitige System die Patienten nicht genug schütze.

Ein ähnlicher Trend in Deutschland

Ein ähnlicher Trend zeichnet sich auch in Deutschland ab. Noch nie haben die Deutschen so viele Schmerzmittel, Psychopharmaka, Blutdrucksenker und Magensäure-Hemmer geschluckt wie heute: Allein 2012 verordneten Ärzte mehr als 38 Milliarden Tagesrationen unterschiedlichster Medikamente.

2004 waren es noch 26 Milliarden – ein Anstieg von 45 Prozent in nur acht Jahren. Insgesamt gaben die gesetzlichen Krankenkassen dafür 2012 mehr als 31 Milliarden Euro aus. 1980 waren es noch knapp 7 Milliarden. Das entspricht einer Steigerung von mehr als 440 Prozent.

Was gegen Erkältung hilft - und was nicht
Fast jedes dritte von rund 2000 überprüften rezeptfreien Medikamenten ist laut Stiftung Warentest wenig gegen Erkältungen geeignet. Darunter fallen bekannte Mittel gegen Erkältung, Schnupfen, Halsentzündung, Verstopfung, Durchfall oder Insektenstiche. Oft schneiden die Kombinationen verschiedener Wirkstoffe schlecht ab, etwa von Schmerzmitteln und anregenden Mitteln in Erkältungsmedikamenten. In anderen Fällen bemängeln die Tester hohen Alkoholgehalt etwa bei einem Erkältungsmittel für die Nacht oder ungeeignete Zusammenstellungen bei Tabletten gegen Halsinfektionen. Die 2000 rezeptfreien Medikamente sind Teil einer umfassenderen Datenbank von Stiftung Warentest mit Arzneimitteln. Quelle: dpa
Bei Erkältung und Grippe hat die Apotheke so einiges an rezeptfreien Mitteln zu bieten. Doch viele halten nicht, was sie versprechen.Aspirin Complex Granulat: Nicht sinnvolle Kombination aus einem Schmerzmittel und einem anregenden Mittel, das über die Blutbahn im ganzen Körper verteilt wird.Doregrippin Tabletten: Wie beim Aspirin Complex Granulat stuft die Stiftung Warentest die Kombination der Mittel als nicht sinnvoll ein. Grippostad C Kapseln: Enthält ein müde machendes Antihistaminikum, das über die Blutbahn im ganzen Körper verteilt wird.WICK DayMed und MediNait (Kapseln und Getränke): Nicht sinnvolle Kombination unter anderem aus einem Schmerzmittel, einem Hustenmittel und einem anregenden Mittel.Alternative: Die einzelnen Erkältungssymptome sollten besser getrennt behandelt werden. Gegen Schmerzen und Fieber reicht Parazetamol allein. Bei Schnupfen ist die kurzzeitige Anwendung von abschwellenden Nasentropfen verträglicher. Quelle: Fotolia
Schnupfen und AllergienRhinopront Kombi Tabletten: Wenig geeignet bei Schnupfen. Nicht sinnvolle Kombination an Mitteln.Reactine duo Retardtabletten: Hilft kaum bei allergischem Schnupfen. Wenig sinnvolle Kombination aus einem Antihistaminikum und einem anregenden Stoff, der über die Blutbahn im ganzen Körper verteilt wird und dabei auch die Schleimhäute abschwillt. Bei Daueranwendung kann es zu schwerwiegenden Nebenwirkungen kommen.Alternative: Tabletten, Tropfen oder Saft mit Cetirizin oder Loratadin sollen bei akuten Allergie-Beschwerden helfen. Cromoglizinsäure als Nasenspray zur Vorbeugung (früh genug mit der Behandlung beginnen, unkonservierte Präparate bevorzugen). Bei einem normalen Schnupfen ist die kurzzeitige Anwendung von abschwellenden Nasentropfen verträglicher. Quelle: dpa
Nahrungsergänzungsmittel mit Zink und Vitamin C sollen das Immunsystem unterstützen. Natürlich braucht der Körper bestimmte Nährstoffe, damit das Abwehrsystem gegen Bazillen und Viren funktioniert. Doch Vitamin C- und Zinktabletten können Erkältungen nicht heilen oder gar verhindern. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gibt es keine wissenschaftlichen Beweise für den Nutzen der bunten Pillen. Die Zufuhr ist normalerweise über die Ernährung sichergestellt, Mangelzustände an Vitamin C und Zink kommen in Deutschland nur selten vor. Gute Vitamin C-Lieferanten sind zum Beispiel Orangensaft, Brokkoli, Kiwi oder rote Paprika. Zink ist zum Beispiel in Fleisch, Ei, Vollkorn- und Milchprodukten enthalten. Die empfohlene Tagesdosis wird etwa bereits durch ein Stück Rindfleisch (150 Gramm) und ein Glas Milch gedeckt. Quelle: dpa
Doch nicht nur gegen Erkältungssymptome gibt es rezeptfreie Mittelchen, die leider nichts bewirken. Auch gegen andere Wehwehchen ist nutzloses Kraut gewachsen... Quelle: dpa
SchürfwundenBrand- und Wundgel Medice: Das Gel ist laut Stiftung Warentest wenig zur Wundpflege geeignet. Die therapeutische Wirksamkeit ist nicht ausreichend nachgewiesen. Zudem kann der Inhaltsstoff Benzethonium leicht Allergien auslösen.Alternative: Leichten Verbrennungen mit unverletzter Haut unter fließendem Wasser schnell kühlen. Offene Wunden sollten aber nicht selbst behandelt werden.Pyolysin Salbe: Auch diese Salbe für oberflächliche Wunden verfehlt ihre Wirkung.Alternative: Povidon-Jod-Lösung eignet sich zum Desinfizieren, Dexpanthenol-Salbe zur Pflege bei oberflächlichen Schürfwunden. Quelle: Fotolia
HalsschmerzenDobendan Strepsils Dolo bzw. Dolo-Dobendan Lutschtabletten: Die Kombination der Inhaltsstoffe ist nicht sinnvoll: Antiseptika wie Cetylpyridiniumchlorid sind gegen Viren nur lückenhaft oder gar nicht wirksam. Bakterien in tieferen Schleimhautschichten werden zudem nicht erreicht. Das schmerzstillende Benzokain kann leicht Allergien hervorrufen.Dorithricin Lutschtabletten/ Lemocin Lutschtabletten: Auch diese Tabletten helfen nicht wirklich gegen Entzündungen im Hals. Das Antibiotikum Tyrothrizin wirkt nur oberflächlich und erreicht Bakterien in tieferen Gewebeschichten nicht. Auch hier ist das schmerzstillende Benzokain enthalten, das leicht Allergien auslösen kann.Locabiosol 0,125 mg Spray: Die therapeutische Wirksamkeit des Antibiotikums Fusafungin bei Halsinfektionen ist nicht ausreichend nachgewiesen. Die Anwendung als Spray kann bei empfindlichen Personen zu Asthmaanfällen führen.Alternative: Halsentzündungen werden häufig durch Viren verursacht, bei denen Antibiotika nicht wirken. Zuckerfreie Halsbonbons befeuchten die Schleimhäute und  können Schluckbeschwerden lindern. Lutschtabletten mit Ambroxol oder Lidokain wirken schmerzstillend. Quelle: Fotolia

Gleichzeitig wird das Präparate-Arsenal wird immer größer. Schon heute stehen in Deutschland 97.800 verkehrsfähige Arzneimittel zur Verfügung, darunter 47.300 verschreibungspflichtige, 19.450 apothekenpflichtige und 29.600 freiverkäufliche Produkte. Jedes Jahr kommen im Schnitt 45 neue Wirkstoffe und Hunderte neuer Varianten verschiedener Präparate hinzu.

Unerwünschte Nebenwirkungen

Parallel dazu nahmen auch die Berichte über unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) und Todesfälle erheblich zu, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zentral sammelt und registriert. Hatten Ärzte 1996 noch 5547 Komplikationen an das BfArM gemeldet, waren es 2012 bereits 24.421.

Demnach hat sich die Zahl der Berichte in diesem Zeitraum mehr als vervierfacht. Die Zahl der Fälle, die tödlich verliefen, stieg sogar von 451 auf 2425 zu. Das entspricht einer Steigerung um mehr als das Fünffache.

Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn Nebenwirkungen von Medikamenten werden in Deutschland nicht systematisch erfasst. Die Arzneimittelüberwachung stützt sich allein auf freiwillige, spontane Meldungen von Ärzten und Angehörigen anderer Gesundheitsberufe, wenn diese einen Hinweis auf spezifische Nebenwirkungen eines Medikaments sehen.

Spontanes Meldesystem

Ein solches Spontanmeldesystem hat zwar den Vorteil, dass es direkt nach Beginn der Vermarktung eines neuen Medikaments einsetzt und theoretisch alle mit Arzneimitteln behandelten Patienten umfasst. Doch die Erfahrung zeigt: Die überwiegende Zahl auftretender Nebenwirkungen – auch der tödlichen – wird von den betroffenen Patienten und ihren Ärzten nicht als solche erkannt und noch seltener werden sie dem BfArM berichtet. Dabei sind Mediziner laut ärztlicher Berufsordnung sogar zur Meldung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen verpflichtet.

Die am häufigsten falsch behandelten Krankheiten
Platz 10: Uterus myomatosusKnapp zwei Drittel aller Fehler, die von den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Bundesärztekammer 2011 anerkannt wurden, ereigneten sich in Krankenhäusern. Auf Platz 10 der dort am häufigsten fehlbehandelten Krankheiten ist Uterus mymatosus. Dahinter verbergen sich Myome der Gebärmutter, die am häufigsten gutartigen Tumore bei Frauen. 21 Mal behandelten Krankenhaus-Ärzte diese Krankheit vergangenes Jahr falsch.Woran die zahlreichen Fehler in Krankenhäusern liegen, hat die WirtschaftsWoche bereits im April analysiert. Quelle: Fotolia
Platz 9: Gallenstein23 Mal wurden in Krankenhäusern vergangenes Jahr Gallensteine, also Cholelithiasis, falsch behandelt. Quelle: Fotolia
Platz 8: Oberflächliche VerletzungenWunden und Schrammen wurden 2011 in deutschen Krankenhäusern 26 mal falsch behandelt – womit sie auf Platz 8 landen. Bei Fehlbehandlungen in Arztpraxen erreichen oberflächliche Verletzungen Platz 10. Niedergelassene Ärzte behandelten sie nur zehn Mal falsch. Quelle: REUTERS
Platz 7: HandfrakturKnochenbrüche an der Hand behandelten Krankenhausärzte vergangenes Jahr 30 Mal falsch. Damit erreichen Handfrakturen Platz 7. Bei Fehlbehandlungen durch niedergelassene Ärzte erreichen Handfrakturen Platz 8. Sie behandelten diese Knochenbrüche 12 Mal falsch. Quelle: dapd
Platz 6: Schulter- und OberarmfrakturNur einmal mehr pfuschten Krankenhaus-Ärzte bei Brüchen an Schulter und Oberarm: Hier gab es 31 Fehlbehandlungen im Jahr 2011. Bei niedergelassenen Ärzten kommen Pfuschereien in diesem Bereich gar nicht in den Top 10 vor. Quelle: Fotolia
Platz 5: Unterschenkel- und SprunggelenkfrakturGanze 21 Mal häufiger wurden Brüche an Unterschenkel- und Sprunggelenken falsch therapiert. Hier gab es 2011 in deutschen Krankenhäusern 52 Fehlbehandlungen. In Praxen gab es bei Unterschenkel- und Sprunggelenkfrakturen sogar mit 15 Fällen die zweithäufigsten Fehlbehandlungen. Quelle: dpa-tmn
Platz 4: OberschenkelfrakturMit 63 Pfuschereien in Krankenhäusern landen Oberschenkelfrakturen auf Platz 4. In niedergelassenen Praxen kommen Oberschenkelfrakturen nicht in den Top 10 der Fehlbehandlungen vor. Quelle: dpa

Experten gehen davon aus, dass die zuständigen Stellen (neben dem BfArM zählt dazu auch die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, kurz AkdÄ) von gerade einmal zwei bis fünf Prozent aller Fälle erfahren. Das führt nicht nur dazu, dass viele Nebenwirkungen – insbesondere solche von Medikamenten, die relativ neu auf dem Markt sind – erst mit erheblicher Verzögerung bekannt werden.

Durch die spärlichen Berichte entsteht auch der trügerische Eindruck, Schäden durch Arzneimittel seien viel seltener, als es tatsächlich der Fall ist. Der Pharmakologe Peter Schönhöfer – langjähriger Mitherausgeber des industrieunabhängigen Informationsdienstes arznei-telegramm – hat 2001 ermittelt, dass hierzulande jährlich mit rund 210.000 Krankenhauseinlieferungen aufgrund schwerwiegender Arzneimittelnebenwirkungen zu rechnen ist.

Seiner Schätzung nach sind etwa 70.000 davon akut lebensbedrohend und müssen intensivmedizinisch behandelt werden; rund 16.000 dieser Fälle verlaufen tödlich. Demnach sterben in Deutschland jährlich mehr als viermal so viele Menschen an Arzneimittelnebenwirkungen wie im Straßenverkehr. Dort liegt die Zahl Todesopfer bei rund 3500 im Jahr. "Gegen diesen Missstand wird aber weitaus mehr getan", so Daniel Grandt, Vorstandsmitglied der AkdÄ.

Fachchinesisch im Beipackzettel

Der klassische Beipackzettel jedenfalls löst die Probleme nicht. Das darin enthaltene Fachchinesisch wirft für die meisten Menschen mehr Fragen auf, als es klärt. Und die lange Liste von Horrorszenarien bei etlichen Präparaten schreckt schon Gesunde von der Lektüre ab.

Umfrage in Hessen: Welche Medikamente häufig fehlen

Was also liegt näher, als dass man – zumal als kranker, alter oder seelisch angeschlagener Mensch – die Verantwortung für Nebenwirkungen lieber dem Arzt überlässt? Schließlich ist er der Fachmann, der Patient in der Regel nicht. Aber was viele Menschen nicht ahnen: Selbst die meisten Mediziner können Nebenwirkungen oft nicht als solche erkennen. Denn das wird im Studium kaum gelehrt.

Viele Schadwirkungen von Medikamenten werden zudem erst Jahre nach Markteinführung bekannt. Und oft dauert es einige Zeit, bis die Hinweise in den Fachinformationen auftauchen.

Hochgejubelte Präparate

Ob Lipobay, Vioxx oder Bextra – etliche einst hochgejubelte Präparate mussten wenige Jahre nach ihrer Einführung vom Markt genommen werden, weil sich zeigte, dass sie erheblich schwerwiegendere Nebenwirkungen verursachten, als man zunächst eingeräumt hatte.

Und die nächsten Absturzkandidaten sind schon in Sicht: die beiden jüngsten Marktschlager Pradaxa und Xarelto. Beide Präparate sind Blutgerinnungs-Hemmer und haben den entscheidenden Vorteil, dass sie als Pille verfügbar sind. Alle bislang verfügbaren Produkte müssen gespritzt werden.

Aber seit einiger Zeit mehren sich die Hinweise, dass die Mittel schwere Blutungen verursachen können – und die Hersteller Boehringer und Bayer nicht ausreichend darüber informiert haben. Anfang 2014 wurde Boehringer in den USA von mehreren Tausend Betroffenen verklagt. Im Mai 2014 legte der Konzern den Streit mit einem Vergleich bei – und zahlte den rund 4000 Geschädigten insgesamt 470 Millionen Euro.

Probleme bereitet zudem der immer bunter werdende Cocktail von Medikamenten, den ein wachsender Teil der Bevölkerung heute schluckt. Bislang ist kaum untersucht, was die Kombination von oftmals hochpotenten Stoffen im Körper bewirkt und ab wann sie für den Konsumenten tödlich wird.

Fest steht nur: Je älter der Patient, desto höher ist das Risiko, dass er zum Opfer von Nebenwirkungen und Fehldiagnosen wird. Denn das Alter bringt häufig unterschiedlichste gesundheitliche Probleme mit sich, wie Schmerzen, Arteriosklerose oder Diabetes, weshalb viele Senioren fünf und mehr Medikamente gleichzeitig einnehmen. Im Extremfall ist es sogar mehr als ein Dutzend Präparate pro Patient.

Zehn Dinge, die uns den Schlaf rauben
Trennung von Arbeit und FreizeitSchlafstörungen haben sich nach Einschätzung von Medizinern zu einer Volkskrankheit entwickelt. „Wir schätzen, dass zwischen 5,7 und 6 Prozent der Bevölkerung an behandlungsbedürftigen Ein- und Durchschlafstörungen leiden“, sagte Hans-Günter Weeß, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Es gebe wissenschaftliche Hinweise, dass heute weniger geschlafen werde als vor Jahrzehnten. Ein Grund ist die mangelnde Trennung von Arbeit und Freizeit: Abends noch schnell E-Mails für die Arbeit beantworten oder am PC noch an einem Projekt feilen – die ständige Erreichbarkeit und die technischen Möglichkeiten, auch von daheim zu arbeiten, lassen die Grenzen von Arbeit und Freizeit verschwimmen. Das hindert daran, den Kopf frei zu bekommen und entspannt, einschlummern zu können. Quelle: Fotolia
Aktivierung statt Entspannung beim Internet-SurfenPCs und Smartphones verändern unser Freizeitverhalten: Statt vorm Einschlafen ein Buch zu lesen oder Fernzusehen – und dabei passiv Informationen aufzunehmen – surfen Menschen zunehmend vorm Schlafengehen im Internet. Doch beim Online-Shopping, E-Mail-Verkehr, Facebook-Chats oder Online-Spielen  muss das Gehirn sehr viele Informationen verarbeiten. Dabei wird es eher aktiviert als auf den Schlaf vorbereitet zu werden. Dabei kann helfen die Hintergrund-Beleuchtung der Displays zu dimmen, um sich auf die anstehende Nachtruhe einzustellen. Außerdem sollte nicht im Schlafzimmer gesurft werden, um den Raum gedanklich nicht mit Aktivität in Verbindung zu bringen. Eine Stunde vor dem Schlafengehen sollte man komplett auf PCs, Smartphones und Co. verzichten. Quelle: obs
Zu viel StressStressige Lebensphasen wühlen den Körper auf, und machen es nachts schwieriger, einzuschlafen. Um so wichtiger ist, es für Entspannung zu sorgen. Quelle: Fotolia
Die Angst vor Schlafstörungen verstärkt sie nurJe mehr man sich Gedanken, um die Schlafstörungen macht, desto stärker fördert man sie. So wird die Angst zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Da man denkt, in der Nacht nicht einschlafen zu können, stellt sich der Körper auf diesen Zustand ein – und man bekommt tatsächlich kein Auge zu. Quelle: Fotolia
Unruhiger Schlaf kann zur Gewohnheit werdenWenn Menschen lange Zeit einen unruhigen Schlaf haben, etwa weil sie gerade ein Kind bekommen haben, wird dieser Zustand für den Körper irgendwann zur Gewohnheit. So können Menschen auch Jahre nachdem ihr Baby das letzte mal nach der Flasche geschrien hat, immer noch einen unruhigen Schlaf haben. Dagegen kann eine Verhaltenstherapie helfen. Quelle: dpa
Es fehlt ein EinschlafritualMenschen sollen über ihre Schlafprobleme nicht grübeln, sondern ihr Verhalten ändern. Dies kann etwa ein Einschlafritual sein. So stellt etwa die obligatorische Tasse Tee oder Milch vor dem Gang zum Bett, den Körper irgendwann darauf ein, dass nun die Schlafenszeit ansteht. Dadurch kann das Einschlafen mit der Zeit leichter fallen. Quelle: dpa/dpaweb
Verschiedene Wecker Quelle: dpa

"Dieser Mix ist für die Patienten mitunter extrem schädlich", so Hendrik von den Bussche, Professor für Allgemeinmedizin am Universitäts-Klinikum Hamburg-Eppendorf. Denn je mehr Substanzen ein Patient einnimmt, desto höher ist das Risiko von Neben- und Wechselwirkungen.

Zumal bei einem älteren Menschen. Im Alter reagiert der Organismus auf viele Medikamente nämlich anders als in jungen Jahren. Der Körper baut Arzneimittel meist langsamer ab, und sie bleiben unter Umständen doppelt so lange im Organismus. Sie wirken damit oft stärker – wodurch das Risiko für Nebenwirkungen weiter steigt.

Paradoxerweise rufen viele Medikamente bei älteren Menschen zudem häufig Nebenwirkungen hervor, die als charakteristische Merkmale einer Demenz gelten, darunter Unruhe, Wahnvorstellungen, Angst, Apathie, Reizbarkeit, Übererregung und Schlafrhythmusstörungen.

Kollektives Schweigegelübde

Hinzu kommt ein Phänomen, das hierzulande eine Art kollektives Schweigegelübde umgibt: ältere Menschen, die über Jahre oder gar Jahrzehnte tablettenabhängig sind. Meist handelt es sich dabei um Schlaf- und Beruhigungsmittel wie Librium, Valium, Sonata, Zolpidem oder Tavor.

In Deutschland gebe es "wahrscheinlich mehr Tablettenabhängige als Demente", schätzt Siegfried Weyerer, der an der Universität Mannheim über die Häufigkeit psychischer Krankheiten forscht. Auch wenn es schwierig einzuschätzen sei, wo diese Suchtform beginne, seien wohl mindestens eine Million Deutsche im Rentenalter tablettenabhängig, so der Gesundheitswissenschaftler Gerd Glaeske von der Universität Bremen, der sich seit Jahren mit dem Thema "Sucht im Alter" befasst.

Zusammen mit den gar nicht so wenigen alkoholabhängigen Senioren habe die Altersklasse über 65 Jahre damit wohl die höchste Suchtquote. Anders ausgedrückt : In keiner Altersgruppe gibt es so viele "Drogenabhängige" wie bei den Ruheständlern. Und bald werden es noch mehr sein.

Suchtkranke Senioren

"Innerhalb der nächsten 25 bis 30 Jahre dürfte sich Zahl der suchtkranken Senioren verdoppeln", vermutet der Mediziner Dirk Wolter, der ein Buch über Sucht im Alter geschrieben hat, denn 2030 wird knapp ein Drittel der 80 Millionen Deutschen über 60 Jahre alt sein.

Arzneimittelherstellern und Apothekern bescheren derlei „treue“ Kunden ein blühendes Geschäft. Nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen lag der Apothekenumsatz mit klassischen Benzodiazepinen zum Beispiel 2008 bei 250 Millionen Euro.

Mehr Frauen sterben an Folgen des Rauchens
Frau raucht eine Zigarette Quelle: dpa
Das Volksleiden: Rückenschmerzen gehören in Deutschland zu den häufigsten Gesundheitsbeschwerden. Forscher der Northwestern University (USA) fanden nun heraus, dass Raucher im Vergleich zu Nichtrauchern ein um das Dreifache erhöhtes Risiko haben, an chronischen Rückenschmerzen zu erkranken. Studienautor Bogdan Petre erklärt: "Wir haben festgestellt, dass Rauchen die Art und Weise beeinflusst, in der das Gehirn auf Schmerzen im Rücken reagiert." Auf Hirnscans der rauchenden Patienten stellten die Forscher eine Veränderung der Areale fest, die für Sucht- und Lernverhalten zuständig sind. Die Kommunikation dieser Hirnregionen sei für die Entwicklung eines chronischen Schmerzes kritisch, stellten die Wissenschaftler fest. Chronischer Schmerz und Suchtverhalten hingen eng zusammen. Antientzündliche Medikamente konnten zwar die Schmerzen erleichtern, waren aber nicht in der Lage, die Aktivität der verantwortlichen Hirnregionen zu ändern. Nur wer während der Studie freiwillig mit dem Rauchen aufhörte, konnte sein Risiko absenken. Quelle: dpa
Passivrauchen: Raucher gefährden auch ihre Mitmenschen, denn der blaue Dunst schadet jedem, der ihn einatmet. Jährlich sterben weltweit mehr als 600.000 Menschen an den Folgen des Passivrauchens. Besonders betroffen sind Kinder. Selbst, nachdem sich der Rauch verzogen hat, sind die Schadstoffe noch stundenlang in der Luft, fanden Forscher des Berkeley Lab heraus. Sie lagern sich in Teppichen, Polstern oder Tapeten ab. Auch 18 Stunden, nachdem die letzte Zigarette geraucht wurde, fanden die Forscher noch immer eine ganze Reihe gesundheitsgefährdender Stoffe. Es reicht also nicht, nur in der Gegenwart anderer Menschen nicht zu rauchen. Auch die Luft in Räumen ist noch lange belastet. Quelle: dpa
Rauchen ist das Gesundheitsrisiko Nummer eins: Jeder sechste der jährlich rund 850.000 Toten in Deutschland ist laut Statistik an den Folgen des Rauchens gestorben. Raucher verkürzen ihre durchschnittliche Lebenserwartung um fünf, ambitionierte Tabakkonsumenten sogar um neun Jahre. EU-weit sterben pro Jahr fast 700.000 Raucher an den Folgen ihres Konsums. Quelle: dpa
Rauchen begünstigt viele Krebsarten: Jeder, der raucht, hat ein zweimal höheres Risiko an Krebs zu erkranken als Nichtraucher. Etwa 90 bis 95 Prozent der erwachsenen Lungenkrebspatienten sind oder waren Raucher.  Das Risiko, an Mundhöhlen-Krebs zu erkranken, steigt durch regelmäßigen Tabakkonsum um den Faktor 27, bei Kehlkopfkrebs um den Faktor 12. Durchschnittlich rauchte jeder Deutsche im Jahr 2013 996 Zigaretten. Im Jahr 2000 lag der Pro-Kopf-Konsum noch bei 1699 Zigaretten pro Jahr. Quelle: dpa
Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Schlaganfälle und Herzinfarkte verursachen die meisten Toten in Deutschland. Raucher trifft es besonders oft, Herzinfarkte vor dem 40. Lebensjahr betreffen fast ausschließlich Raucher. Ihr Risiko ist drei- bis viermal so hoch wie das von Nichtrauchern. Denn der Tabakkonsum verengt die Blutgefäße, lässt den Blutdruck steigen und schränkt die Leistungsfähigkeit des Herzens ein. Quelle: dpa
Frauen erhöhen durch Nikotin-Konsum ihr Risiko für Brustkrebs, Gebärmutterhalskrebs, Osteoporose oder Unfruchtbarkeit. Vor der Menopause versechsfacht sich das Risiko für Raucherinnen, an einem Herzinfarkt zu sterben. Weniger als jede fünfte deutsche Frau ab 15 Jahren konsumiert regelmäßig Zigaretten und Co. Quelle: dpa

Hinzu kamen im selben Jahr weitere etwa 350 Millionen Euro für Benzodiazepin-Abkömmlinge und andere Schlaf- und Beruhigungsmittel mit Suchtpotenzial. Doch trotz der wachsenden Brisanz des Problems und trotz der hohen Zahl von Opfern durch "unerwünschte Arzneimittelwirkungen" wird – auch im Vergleich zu anderen maßgeblichen Todesursachen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs – kaum zu diesem Thema geforscht.

Denn der politische Druck dafür fehlt. Stattdessen sorgt eine mächtige Lobby dafür, immer mehr Arzneimittel auf den Markt und an den Mann oder die Frau zu bringen: Da sind zum einen jene international agierenden Pharmafirmen, die kontinuierlich für Nachschub an neuen, patentgeschützten Produkten sorgen müssen.

Patente sichern Monopole

Patente sichern den Unternehmen Monopole und damit satte Gewinne auf dem Weltmarkt. Hinzu kommen aufstrebende und/oder einflussreiche Mediziner an Instituten und Universitäten, die ihre Karriere und ihren Ruhm auf die Entwicklung und das Anpreisen "innovativer Therapien" gegen weitverbreitete Leiden gründen – und dabei eng mit der Industrie kooperieren.

Und nicht zuletzt gibt es eine massiv gestiegene Zahl von niedergelassenen Ärzten und Apotheken, die umso besser leben, je mehr Rezepte ausgestellt werden. Zum Vergleich: 1960 kamen die Deutschen noch mit 166 Ärzten pro 10.000 Einwohnern aus, heute ernährt unser Gesundheitssystem mehr als doppelt so viele Mediziner, nämlich 435 pro 100.000 Einwohner. Im selben Zeitraum wurde auch das Apothekennetz immer dichter. 1960 waren es 16,4 pro 100.000 Einwohner, heute sind es 25,2.

Eine auch nur ansatzweise vergleichbare Lobby für die Rechte und Interessen der viel größeren Gruppe von Patienten und Verbrauchern, die sich bewusst sind, dass ja auch sie irgendwann krank werden können, gibt es dagegen nicht. Betroffene, Angehörige, Verbraucherschützer und unabhängige Experten haben weder so viel wirtschaftliche Macht noch sind sie so gut vernetzt und organisiert wie die Zünfte der Arzneimittelhersteller, Pharmazeuten und Mediziner.

Selbst jene, denen laut Definition "die Erhaltung und Förderung der öffentlichen Gesundheit" obliegt – die nationale Arzneimittelbehörde BfArM und die europäische Arzneimittel-Agentur EMA (ehemals EMEA) – handeln nur bedingt im Sinne der Verbraucher.

Diese Berufe machen depressiv
MontagsbluesBesonders montags fällt es uns schwer, etwas positives am Arbeiten zu finden. Laut einer amerikanischen Studie dauert es im Durchschnitt zwei Stunden und 16 Minuten, bis wir wieder im Arbeitsalltag angekommen sind. Bei Menschen ab dem 45. Lebensjahr dauert es sogar noch zwölf Minuten länger. Doch es gibt nicht nur den Montagsblues: Manche Berufsgruppen laufen besonders stark Gefahr, an einer echten Depression zu erkranken. Allein in Deutschland haben nach Expertenschätzungen rund vier Millionen Menschen eine Depression, die behandelt werden müsste. Doch nur 20 bis 25 Prozent der Betroffenen erhielten eine ausreichende Therapie, sagte Detlef Dietrich, Koordinator des Europäischen Depressionstages. Quelle: dpa
Journalisten und AutorenDie Studie der medizinischen Universität von Cincinnati beinhaltet Daten von etwa 215.000 erwerbstätigen Erwachsenen im US-Bundesstaat Pennsylvania. Die Forscher um den Psychiater Lawson Wulsin interessierte vor allem, in welchen Jobs Depressionen überdurchschnittlich oft auftreten und welche Arbeitskriterien dafür verantwortlich sind. Den Anfang der Top-10-Depressions-Jobs macht die Branche der Journalisten, Autoren und Verleger. Laut der Studie sollen hier etwa 12,4 Prozent der Berufstätigen mit Depressionen zu kämpfen haben. Quelle: dpa
HändlerDer Begriff „Depression“ ist in der Studie klar definiert. Als depressiv zählt, wer mindestens zwei Mal während des Untersuchungszeitraums (2001 bis 2005) krankheitsspezifische, medizinische Hilferufe aufgrund von „größeren depressiven Störungen“ gebraucht hat. Händler aller Art, sowohl für Waren- als auch für Wertpapiere, gelten demnach ebenfalls als überdurchschnittlich depressiv. Platz neun: 12,6 Prozent. Quelle: dpa
Parteien, Vereine & Co.Neben den Hilferufen nach medizinischer Fürsorge flossen noch andere Daten in die Studie ein. Die Forscher beachteten außerdem Informationen wie Alter, Geschlecht, persönliche Gesundheitsvorsorge-Kosten oder körperliche Anstrengung bei der Arbeit. Angestellte in „Membership Organisations“, also beispielsweise politischen Parteien, Gewerkschaften oder Vereinen, belegen mit über 13 Prozent den achten Platz im Stress-Ranking.
UmweltschutzDer Kampf für die Umwelt und gegen Lärm, Verschmutzung und Urbanisierung ist oft nicht nur frustrierend, sondern auch stressig. Knapp 13,2 Prozent der beschäftigten Erwachsenen in dem Sektor gelten laut den Kriterien der Forscher als depressiv. In den USA betrifft das vor allem Beamte, denn die Hauptakteure im Umweltschutz sind staatliche Organisationen und Kommissionen. Quelle: AP
JuristenAls mindestens genauso gefährdet gelten Juristen. Von insgesamt 55 untersuchten Gewerben belegten Anwälte und Rechtsberater den sechsten Platz im Top-Stress-Ranking: Rund 13,3 Prozent der Juristen in Pennsylvania gelten für die Forscher der medizinischen Universität Cincinnati depressiv. Quelle: dpa
PersonaldienstleisterAuf Rang fünf liegen Mitarbeiter im Dienstleistungsbereich. Deren „Ressource“ ist der Mensch – und der ist anfällig: Denn der „Personal Service“ in Pennsylvania hat nach Lawson Wulsin und Co. eine Depressionsrate von knapp über 14 Prozent. Und nicht nur Kopf und Psyche sind von der Krankheit betroffen, sondern offenbar auch der Körper: Schon seit Jahren forscht Wulsin auf diesem Gebiet und geht von einer engen Verbindung von Depression und Herzkrankheiten aus. Gefährdeter als Menschen aus dem Dienstleistungsbereich sind nur vier andere Jobgruppen.

"Wie die meisten nationalen Arzneimittelbehörden schützt auch die EMEA weiterhin – den Buchstaben des Gesetzes folgend – eher das kommerzielle Eigentum von Arzneimittelherstellern als die Gesundheit von Patienten", stellte eine internationale Gruppe von industrieunabhängigen Medikamentenexperten 2005 in der Berliner Deklaration zur Pharmakovigilanz fest.

Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Jeder Einzelne kann selbst etwas dafür tun, um sich vor unerwünschten Wirkungen von Medikamenten und den daraus folgenden Fehldiagnosen und falschen Therapien zu schützen. Dazu braucht man weder ein Studium der Medizin noch der Pharmazie. Es genügt zu wissen, dass selbst millionenfach verschriebene Medikamente manch böse Überraschung bergen – und wie das im Einzelfall aussehen kann.

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