Medizin Roboter erobern den OP-Saal

Ein Roboter aus Frankreich führt Ärzten bei komplizierten Eingriffen am Hirn die Hand. Das macht die OPs deutlich schneller und schonender. Der Markt für OP-Roboter könnte schon bald 20 Milliarden Dollar schwer sein.

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Präziser Gehilfe: MedTech-Gründer Nahum mit Roboter Rosa. Quelle: Laif

Ein falscher Schnitt – und der Patient kann nicht mehr sprechen, schmeckt nichts mehr, fühlt nicht mehr richtig mit den Fingern. Eine Operation im Gehirn ist immer riskant. Der Chirurg muss sie exakt planen und peinlich genau durchführen. Und möglichst schnell, damit der belastende Eingriff nicht länger als nötig dauert.

Bertin Nahum weiß um diese Risiken. Der französische Ingenieur senegalesischer Abstammung hat daher Rosa gebaut: den Robotic Surgery Assistant, einen Roboterassistenten, der Neurochirurgen zur Hand geht.

Er hilft – weil hoch präzise – Risiken und Belastungen für Patienten mit Tumoren, Parkinson, Schmerzsyndromen oder auch Wirbelsäulenleiden zu reduzieren.

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Nahum gehört mit seiner Firma MedTech aus dem südfranzösischen Montpellier zu der wachsenden Zahl von Pionieren, die Roboter in die OP-Säle schicken. So hat etwa gerade das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt die Lizenz für einen mechanischen Operateur an den Medizintechnikriesen Medtronic verkauft.

Ein Forscherteam vom Children’s National Health System in Washington hat sogar einen Roboter gebaut, der völlig selbstständig, ohne Zutun eines Mediziners Eingriffe am Darm vornimmt – und dabei im Tierversuch bessere Ergebnisse lieferte als menschliche Operateure. Präzisere Bilderkennung, sensiblere Sensoren, bessere Software ermöglichen diese Fortschritte.

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Zwei Drittel schneller als früher

Die Chirurgen müssen bisher nicht um ihre Arbeitsplätze fürchten, weil die Robotersysteme sie in der Regel unterstützen und nicht ersetzen. So wie Rosa, mit dessen Hilfe bereits mehr als 1800 Menschen weltweit operiert wurden und der gerade in deutschen Kliniken immer häufiger Einzug hält. Er scannt mit seinem beweglichen Arm das Gesicht eines Patienten, berechnet aus diesen Daten exakt die Bohrstelle und positioniert dort den Schaft für den Bohrer. Durch das Loch führt dann der Chirurg seine Instrumente oder Katheder zielgenau an die entscheidende Stelle im Hirn.

Marktpotenzial in Milliardenhöhe

Verunsicherte Patienten, die fürchten, der Roboter könnte den Arzt ersetzen, beschwichtigt MedTech-Gründer Nahum: Rosa sei wie ein Navigationssystem. „Der Roboter führt den Chirurgen präzise zum Ziel, ohne umliegendes Gewebe oder Nervenbahnen zu verletzen. Aber operieren muss er schon noch selbst.“

Früher spannten die Mediziner bei Gehirn-OPs den Kopf der Patienten in einen Metallrahmen ein, führten eine Computertomografie durch und gaben die so gewonnenen Daten anschließend händisch in die herkömmliche Zielvorrichtung für diese stereotaktischen Eingriffe ein. „Dabei konnten sich, trotz aller Sorgfalt, Fehler einschleichen“, sagt Thomas Freiman, Leitender Oberarzt für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Frankfurt.

Was Roboter schon heute alles können
Im Geschäft persönlich vom Roboter begrüßt zu werden - auch das kann bald für mehr Menschen Realität sein. „Pepper“ hat Knopfaugen, und er ist in astreinem Deutsch recht schonungslos: „Meiner bescheidenen Meinung nach ist dieses Modell nicht besonders schmeichelhaft für Ihre Figur. Dürfte ich Ihnen ein paar neu eingetroffene Modelle zeigen, die mir für Sie besonders gut gefallen?“ Eigene Infos werden per QR-Code auf dem Smartphone gespeichert, den der Roboter im Geschäft dann scannt. In Japan ist Pepper (von SoftBank) bereits aktiv. Quelle: dpa
„iPal“ ist ein künstlicher Freund und Spielgefährte. Der Roboter ist so groß wie ein sechsjähriges Kind. Er kann singen und tanzen, Geschichten vorlesen und spielen. Durch Gesichtserkennung und automatisches Lernen wird „iPal“ mit der Zeit immer schlauer. Er erinnert sich an Vorlieben und Interessen des Kindes. „iPal“ ist keine gefühllose Maschine“, behauptet John Ostrem vom Hersteller AvatarMind. „Er kann Emotionen erspüren und fühlt, wenn das Kind traurig ist.“ Der Roboter, der in rosa oder hellblau angeboten wird, übernimmt auch gleich ein paar vielleicht leidige Erziehungspflichten: Der eingebaute Wecker holt das Kind aus dem Schlaf. Die Wetter-App sagt ihm, was es anziehen soll, und eine Gesundheits-App erinnert ans Händewaschen. „iPal“ wurde vor allem für den chinesischen Markt entwickelt. Ostrem erläutert: „Dort gibt es in den Ein-Kind-Familien viele einsame Kinder, deren Eltern wenig Zeit haben und die einfach niemanden zum Spielen haben.“ Anfang 2016 soll es „iPal“ dort für etwa 1000 US-Dollar (knapp 900 Euro) geben. Quelle: dpa
Wer auf Reisen die Zahnbürste vergessen hat, kann sie bald von einer freundlichen Maschine aufs Zimmer gebracht bekommen. „Relay“, der Service-Roboter, wird in einigen US-Hotels im Silicon Valley getestet. Die Rezeptionistin legt Zahnbürste, Cola oder Sandwich in eine Box im Roboter, dann gibt sie die Zimmernummer des Gastes ein. „Relay“ kann sich selbst den Fahrstuhl rufen – auch wenn er noch ziemlich lange braucht, um wirklich einzusteigen. Er scannt vorher sehr ausgiebig seine gesamte Umgebung, um ja niemanden umzufahren. Vor der Zimmertür angekommen, ruft der Roboter auf dem Zimmertelefon an. Wenn der Hotelgast öffnet, signalisiert ihm „Relay“ per Touchscreen: Klappe öffnen, Zahnbürste rausnehmen, Klappe wieder schließen. „Das Hotel ist für uns erst der Anfang“, sagt Adrian Canoso vom Hersteller Savioke. „Wir wollen „Relay“ auch in Krankenhäuser, Altenheime und Restaurants bringen, einfach überall dahin, wo Menschen essen oder schlafen.“ Quelle: PR
„Budgee“ trägt die Einkäufe und rollt hinterher. Per Funksender in der Hand oder am Gürtel gesteuert, kann er bis zu 22 Kilogramm schleppen, so der US-Hersteller. Er folgt Herrchen oder Frauchen mit mehr als 6 Kilometern pro Stunde. Die Batterie hält angeblich zehn Stunden. „Budgee“ lässt sich zusammenklappen und im Kofferraum verstauen. Die ersten Vorbestellungen werden ausgeliefert, Stückpreis rund 1400 US-Dollar. Quelle: PR
Roboter können nicht nur Einkäufe schleppen, sondern auch für viele Menschen unliebsame Arbeiten im Haushalt abnehmen – und damit sind nicht nur die Staubsaug-Roboter gemeint. Der „PR2“ des Institute for Artificial Intelligence (IAI) der Universität Bremen kann auch in der Küche zur Hand gehen, zumindest in der Laborküche. Quelle: dpa
Ja, heutige Roboter können bereits feinmotorische Aufgaben übernehmen und etwa zuprosten, ohne dass das Sektglas zu Bruch geht. Das ist aber nicht die Besonderheit an diesem Bild. Der Arm rechts gehört Jordi Artigas, Wissenschaftler am Institut für Robotik und Mechatronik des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen bei München. Der Roboterarm wird von Sergei Wolkow gesteuert – und der war nicht in Oberpfaffenhofen, sondern auf der Internationalen Raumstation ISS, wie im Hintergrund auf dem Monitor schemenhaft zu erkennen ist. Der „Tele-Handshake“ war nach Angaben des DLR ein weltweit einzigartiges Experiment. Quelle: dpa
Solche Aufgaben, wie etwa dieses Zahnrad zu greifen und weiterzugeben, konnte der DLR-Roboter „Justin“ schon 2012. Dass er aus dem All gesteuert wird, ist jedoch neu und bislang einzigartig. Quelle: dpa

Durch Rosa reduzieren sich die Dauer der Narkose und die Gefahr von Komplikationen, weil die OP schneller geht. „Pro Einsatz einer Elektrode musste ich früher 30 Minuten veranschlagen, mit dem Roboter sind es nur noch 10“, sagt Freiman, der mit Rosas Hilfe Epilepsiepatienten bis zu zwölf Elektroden implantiert, die die typischen Anfälle der Patienten verhindern sollen.

Idee entstand schon 1994

Die erste Idee für einen OP-Roboter hatte Nahum, der mit knapp einem Jahr nach Frankreich kam, bereits während seiner Diplomarbeit 1994 in einem Lyoner Krankenhaus. Doch erst mit der eigenen Firma gelang dem 46-Jährigen der Durchbruch. Seit Ende 2013 ist MedTech börsennotiert. Am Firmensitz stehen gerade knapp 20 Roboter fertig zum Versand in alle Welt. Rund zwei Drittel des Umsatzes von zuletzt 6,5 Millionen Euro macht MedTech in den USA. In Europa ist Deutschland der wichtigste Markt.

Nach Rosa Brain für Gehirn-OPs soll Rosa Spine nun Eingriffe an der Wirbelsäule erleichtern. Anders als bei Operationen im Kopf, der sich fixieren lässt, ist die Wirbelsäule ständig in Bewegung – weil der Patient atmet. Damit Rosa dennoch zielgenau die OP-Instrumente führt, haben sich Nahum und seine 40 Mitarbeiter einen Kniff ausgedacht: Ein Infrarotsensor registriert die kleinste Abweichung an der Operationsstelle. So kann sich der Roboter pausenlos neu justieren.

Weltweit rechnet Nahum für Rosa Spine mit einem Marktpotenzial von drei Milliarden Euro. Das scheint nicht hoch gegriffen, denn Rückenleiden kosten allein in Deutschland Krankenkassen und Wirtschaft jährlich fast 50 Milliarden Euro.

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