Medizin Die spannendsten deutschen Biotech-Start-ups

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Waffen gegen Infektionskrankheiten

Ein Biochemiker hält einen Rahmen mit künstlichen Spinnfäden gegen das Licht Quelle: dpa/dpaweb

AiCuris

Neue Waffen gegen Infektionskrankheiten sucht AiCuris aus Wuppertal. Der Bedarf an solchen neuen Medikamenten ist größer denn je: Für die meisten durch Viren verursachten Erkrankungen gibt es bis heute keine Therapien. Und Superkeime, gegen die kein Antibiotikum mehr hilft, breiten sich rapide auf der ganzen Welt aus. Dennoch stiegen die großen Pharmakonzerne aus diesen Forschungsfeldern aus, weil Mittel gegen Krebs oder Herz-Kreislauf-Leiden lukrativer waren.

Im Zuge dieses Trends ist das Unternehmen AiCuris entstanden: Helga Rübsamen-Schaeff gründete die von ihr verantwortete Antiinfektiva-Forschung aus dem Bayer-Konzern aus, als dieser den Bereich loswerden wollte. Einige Projekte konnte sie mitnehmen, sodass AiCuris schon elf Substanzen entwickelt. Zwei davon kommen in diesem Jahr in die dritte und letzte Prüfungsphase am Menschen: AIC316, eine hochwirksame Substanz gegen Herpes, und Letermovir gegen das Cytomegalievirus, das lebensbedrohlich für immungeschwächte Menschen ist. Ein Bakterienkiller, der sämtliche Superkeime erledigt, wird ab 2013 am Menschen getestet.

Alacris

Gerade moderne Tumorpräparate sind oftmals nur für eine bestimmte, genetisch genau charakterisierte Patientengruppe tauglich. Doch die Analyse all dieser genetischen Faktoren überfordert niedergelassene Ärzte und Kliniken zunehmend. Das 2008 in Berlin aus der Arbeitsgruppe des Genomforschers Hans Lehrach am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik ausgegründete Startup Alacris Theranostics hat deshalb am Computer ein virtuelles Patientenmodell entwickelt. Es kann die Wirkung von verschiedenen Kombinationen aus Krebstherapien errechnen und vorhersagen – jeweils in Zusammenhang mit den aus Gentests gewonnenen Daten.

Curetis

Bakterien, die resistent gegen Antibiotika sind, grassieren heute in jedem Krankenhaus und Pflegeheim. Sie verursachen Todesfälle und hohe Kosten. Wer sich aber eine schwere Infektion wie eine Lungenentzündung oder Blutvergiftung zugezogen hat, kann in Zukunft zumindest darauf hoffen, dass ihm sein Arzt kein wirkungsloses Medikament verschreibt, sondern die Erreger zuvor einem Resistenztest unterzieht. Einen solchen hat das 2007 gegründete Unternehmen Curetis aus Holzgerlingen bei Stuttgart entwickelt. Deren vollautomatischer Analyseroboter Unyvero kann in weniger als drei Stunden sowohl den Erregertyp als auch seine Resistenzen analysieren. Dann kann der Arzt aus der großen Zahl der Antibiotika gezielt ein wirksames auswählen, statt im Blindflug herumzuexperimentieren, was Kosten verursacht und den Patienten im Zweifelsfall das Leben kostet. Seit der Roboter im Mai sein CE-Zeichen bekam, hat Curetis mit der Vermarktung begonnen.

Evocatal

In Waschmitteln sind heute biologisch aktive Enzyme zugange, die Eiweiß- und Fettreste besser aus der Dreckwäsche herausbekommen als die schärfste Seifenlauge. Viele dieser biologischen Prozessbeschleuniger wurden in Biotech-Labors zudem auf höchste Leistungsfähigkeit getrimmt. Darauf hat sich das 2006 in Düsseldorf gegründete Unternehmen Evocatal spezialisiert. Kunden sind pharmazeutische Unternehmen und Konsumgüterhersteller wie die Kosmetikindustrie. Sie setzen zunehmend auf biologische Produktionsprozesse, um Energie und Ressourcen zu schonen. Für den Chemiekonzern Lanxess entwickelt Evocatal gerade Enzyme, die aus nachwachsenden Rohstoffen Kautschuk für die Gummireifenherstellung machen.

Amsilk

Spinnenfäden haben schier unglaubliche Eigenschaften: Sie sind leicht, elastisch wie Gummi und trotzdem stabil wie Stahl, je nachdem von welcher der weltweit 40.000 Spinnenarten und aus welcher ihrer Spinndrüsen sie stammen. Deshalb tüfteln Forscher auf der ganzen Welt daran, das Material aus langen Proteinketten im Labor nachzubauen. Bisher war das jedoch zu teuer. Den Forschern des Unternehmens Amsilk aus Martinsried bei München gelang es 2009 als ersten, einen biotechnischen Herstellungsweg zu entwickeln, der nicht zu teuer ist. Geistiger Vater des Verfahrens ist Amsilk-Mitgründer Thomas Scheibel: Er schaffte es, die Gene für den Abseilfaden aus der europäischen Gartenkreuzspinne in ein Bakterium einzuschleusen. Seither produziert Amsilk mithilfe der Gentech-Bakterien im Biofermenter Spinnenseide in großem Stil. Aus dem Material lassen sich in Zukunft Stoffe für schusssichere Westen und feuerfeste Kleidung weben, Wundauflagen und Beschichtungen medizinischer Implantate fertigen oder Spinnenseiden-Beton für Gebäude in Erdbebengebieten herstellen.

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