„Ein biologisches System ist nie so optisch korrekt wie eine technische Linse“, sagt Kermani. Und so wird inzwischen mancher Sehgetrübte durch die Augen-OP zum technisch aufgerüsteten Menschen. Denn Patienten mit grauem Star können das getrübte Original heute durch Hochleistungs-Kunststofflinsen ersetzen lassen. Manche der Operierten erreichen damit 120 bis 180 Prozent der normalen Sehleistung, sagt der Augenarzt.
Prominentestes Beispiel aus Kermanis Praxis ist der Fernseh-Kabarettist Rüdiger Hoffmann. Der trat zwar immer ohne Brille auf, doch wegen seiner Star-Erkrankung konnte er dabei in den letzten sechs Jahren kaum noch etwas sehen. Nach der Operation im vorigen Jahr ist er nun quasi mit Adlerblick ausgestattet: „Ich sehe viel besser als vor der Erkrankung.“
Solche Erfolge lassen sich mithilfe von Sehchips, die vor oder hinter die Netzhaut implantiert werden, noch nicht erreichen. Aber immerhin erfassen die Sensoren ein Schwarz-Weiß-Bild, das den zuvor erblindeten Menschen erlaubt, sich ohne Hilfe zu orientieren und auch große Schriftzeichen wieder zu erkennen.
Der britische Künstler Neil Harbisson hat der Optimierung seines Körpers noch eine weitere Komponente hinzugefügt. Der Musiker und Maler ist farbenblind, er kann die Welt nur in Schwarz-Weiß und in Grautönen sehen. „Für mich sehen Himmel und Wiese immer grau aus, genauso wie Blumen“, beschreibt Harbisson: „Und auch das Fernsehen läuft für mich noch in Schwarz-Weiß.“
Er hat seine Sinne deshalb mit einer technischen Apparatur erweitert, die er Eyborg nennt. Das elektronische Auge hatte Harbisson vor neun Jahren zusammen mit dem Informatiker Adam Montandon entwickelt, um Farben hören zu können. Seither wandelt der optische Sensor des Eyborgs, den Harbisson an einem Bügel vor seiner Stirn trägt, Farben für ihn in Töne um, die er via Knochenschall empfängt.
Farben als Klangteppich
So klingt die Farbe Rot für ihn wie der Ton F, Gelb wie ein G, und ein Gemüsestand ist für ihn heute ein akustischer Genuss. Wenn er sich anziehe, erzählt Harbisson, dann wähle er die Farben nach seiner Stimmung aus: „Zu einer Beerdigung würde ich wohl Moll tragen.“ Inzwischen ist er so vertraut mit dem Bunt-Hören, dass er auch farbige Kunstwerke malt.
Der 30-Jährige belässt es nicht beim farbigen Standardrepertoire. Er findet die Vorstellung spannend, wie zum Beispiel Haie auch elektromagnetische Felder wahrnehmen zu können. Sein Credo lautet: „Wenn wir unsere Sinne erweitern, werden wir folglich auch unser Wissen vergrößern.“
Mithilfe seines technischen Hilfsmittels ist er deshalb auch in der Lage, infrarotes und ultraviolettes Licht – in Töne verwandelt – wahrzunehmen; Farben, die kein Mensch sonst erkennt.
Wozu Infrarot- und UV-Sinn gut sein sollen? Harbisson findet es praktisch: „So merke ich, ob sich ein Bewegungsmelder in der Nähe befindet oder ob es ein guter Tag zum Sonnenbaden ist.“
Tatsächlich trägt der in Spanien lebende Brite seinen Eyborg heute ständig, obwohl das Gerät bisher nur an den Kopf geklemmt ist. Lediglich der Empfangschip wurde ihm in den Kopf eingepflanzt. Dennoch setzte er durch, dass die britischen Behörden im Pass ein Foto akzeptierten, das ihn mit dem Gerät zeigt.