Die E-Zigarette ist umstritten. Mediziner kritisieren, dass auch das „Dampfen“ Schäden in der Lunge hinterlässt. Die Tabakbranche betont immer wieder, wie viel weniger gesundheitsschädlich die E-Zigarette für den Raucher ist. Nun wird bekannt, dass Philip Morris International (PMI) an einem neuen Produkt bastelt. Der weltweit größte privatwirtschaftliche Hersteller von Tabakprodukten hat eine Mischung aus klassischer und elektrischer Zigarette vorgestellt. „IQOS“ heißt das Produkt, mit dem der Konzern den schrumpfenden Tabakmarkt neu beleben will.
Die neuen Zigaretten ähneln den gängigen E-Zigaretten. Sie sehen aus wie Stifthülsen, in die sogenannten „Heatsticks“ eingelegt werden. Diese Stäbe sollen zerstäubten Tabak auf bis zu 350 Grad erhitzen - deutlich weniger als beim herkömmlichen Rauchen. Dabei entstehe laut Philip Morris ein Gas mit zigarettenähnlichen Aromen, das inhaliert wird. Weil der Tabak nicht mehr im eigentlichen Sinne verbrenne, würden die Ursache für die meisten Krebserkrankungen wegfallen, heißt es aus dem Unternehmen.
Die wichtigsten Fakten zur E-Zigarette
Bei jedem Zug verdampft ein Brennelement ein sogenanntes Liquid. Dieses kann Nikotin in verschiedenen Konzentrationen enthalten - es gibt sie aber auch nikotinfrei. Außerdem können alle erdenklichen Aromen zugesetzt sein. Um die Illusion perfekt wirken zulassen, glüht bei manchen Modellen eine Leuchtdiode an der Spitze auf.
Wissenschaftliche Beweise gibt es nicht. Sicher ist, dass Nikotin schnell süchtig macht. Die Elektro-Kippen sind wenig erforscht, Auswirkungen möglicher Schadstoffen unbekannt, sagen Kritiker. Auch ist unklar, was dem Konzentrat beigemischt ist. Das wissen nur die Hersteller. Nachfragen bleiben mit Verweis aufs Betriebsgeheimnis unbeantwortet. Die US-Kontrollbehörde FDA fand im Jahr 2009 giftige Substanzen in Proben - darunter krebserregende Nitrosamine. Gegen eine hohe Qualität der E-Zigaretten spreche auch der variierende Nikotingehalt in den Kapseln. Auch in als nikotinfrei deklarierten Patronen konnte mitunter Nikotin gefunden werden.
Die gesundheitlichen Folgen für E-Dampfer und passive "Mit-Atmer" sind in der Wissenschaft äußerst umstritten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte zuletzt im Februar 2012 betont, dass Gefahren für Dritte „nach derzeitigem Kenntnisstand nicht auszuschließen“ seien. Es gebe so viele verschiedene Flüssigkeiten, die sogenannten Liquids, dass fraglich sei, was ein Nutzer im konkreten Fall tatsächlich inhaliere.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum spricht von einem erheblichen Forschungsbedarf und fordert geeignete wissenschaftliche Studien.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO forderte im Juli 2014, Rauchverbote auch auf E-Zigaretten zu übertragen - mit einer Einschränkung: Diese Empfehlung gelte nur, solange nicht belegt sei, dass der Dampf für Umstehende ungefährlich ist.
Behörden, Forscher und Politiker warnen vor möglichen Gesundheitsgefahren – sowohl für die E-Dampfer, als auch für die Passiv-Dampfer. Sie wollen die Rauchverbotszonen auch zu dampffreien Zonen machen. Zuletzt entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster am 4. November 2014, dass Wirte ihren Gästen weiter den Konsum von elektrischen Zigaretten erlauben dürfen - zumindest in Nordrhein-Westfalen. Das strenge Nichtraucherschutzgesetz in NRW gelte nicht für die Verdampfer. Weil bei E-Zigaretten kein Tabak verbrannt werde, handele es sich nicht um Rauchen, argumentierten die Richter. Zudem seien die Gefahren für Dritte nicht mit denen des schädlichen Zigarettenqualms vergleichbar (Az.: 4 A 775/14).
Das Oberverwaltungsgericht Münster befasste sich im September 2013 mit dem Verkauf von E-Zigaretten. Die Richter entschieden damals in einem Grundsatzurteil, dass nikotinhaltige Flüssigkeiten weiterhin außerhalb von Apotheken verkauft werden dürfen. Die Produkte seien keine Arzneimittel. Der freie Handel und Verkauf von Produkten rund um E-Zigaretten ist damit nicht strafbar. Das NRW-Gesundheitsministerium hat dagegen Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt.
E-Zigaretten erfreuen sich in Deutschland wachsender Beliebtheit. Laut dem Portal Statista wurden im Jahr 2010 fünf Millionen Euro auf dem E-Zigarettenmarkt umgesetzt - 2013 waren es schon 100 Millionen Euro. Für 2014 werden 150 bis 200 Millionen Euro erwartet.
Philip Morris glaubt an den Erfolg der neuen Zigarette, schon in drei bis vier Jahren soll sie Gewinne einbringen. Gleichzeitig setzt Philip Morris aber auch auf E-Zigaretten. Die Amerikaner werden zum Beispiel den britischen Hersteller Nicocigs für eine noch unbekannte Summe übernehmen.
Rauchen, um damit aufzuhören
E-Zigaretten enthalten statt Tabak eine Flüssigkeit. Diese wird erhitzt und der Dampf inhaliert. Verbrennungsprozesse gibt es anders als bei herkömmlichen Zigaretten nicht. Erst kürzlich hatte eine Befragung von mehr als 26.000 Jugendlichen und Erwachsenen aus 27 EU-Ländern bestätigt, dass vor allem junge Raucher gerne zur E-Alternative greifen, in der Hoffnung durch den Umweg über die Verdampfer, ganz mit dem Rauchen aufzuhören.
Hochgerechnet auf die gesamte Bevölkerung im Jahr 2012 haben mehr als 29 Millionen EU-Bürger E-Zigaretten bereits ausprobiert, heißt es in einer Studie, die Forscher im Fachblatt „Tobacco Control" veröffentlichten. Es sei dringend geboten, die gesundheitlichen Folgen der E-Zigaretten zu untersuchen und herauszufinden, welche Rolle sie bei der Nikotinabhängigkeit haben.
Fakten zum Tabakkonsum
Knapp 30 Prozent der Deutschen zwischen 18 und 79 Jahren rauchen. Zwischen den Geschlechtern gibt es Unterschiede: 33 Prozent der Männer und 27 Prozent der Frauen greifen zu Zigarette und Co.
Quelle: dpa, Stand 2014
Je höher der soziale Status, desto geringer ist laut Studien das Interesse am Nikotin.
Bei 996 Zigaretten lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch im Jahr 2013 - ein Rückgang von 1,2 Prozent im Vergleich zu 2012. Im Jahr 2000 hatten die Deutschen noch 1699 Zigaretten pro Kopf konsumiert. Der Gesamtverbrauch lag 2013 bei 80,3 Milliarden. Hinzu kamen knapp 3,6 Milliarden Zigarren und Zigarillos.
Bis zu 120.000 Menschen in Deutschland sterben jährlich an den Folgen, mehr als 3000 durch Passivrauchen. EU-weit sterben pro Jahr fast 700.000 Raucher.
Gut 24,3 Milliarden Euro gaben die Deutschen im vergangenen Jahr für Tabakwaren aus.
Die Einnahmen aus der Tabaksteuer lagen 2013 bei 14,1 Milliarden Euro. Damit ist sie ist nach der Energiesteuer (39,4 Milliarden Euro) die zweitergiebigste der Verbrauchsteuern.
Rund 200 Millionen Euro jährlich investiert die Tabakindustrie in die Werbung.
Inzwischen wird das Produkt nicht mehr als „gesunde Alternative zur Zigarette“ vermarktet. Noch vor zwei Jahren betonten die Hersteller gerne die vermeintlich geringere Gesundheitsgefahr, diese Hinweise findet man auf Webseiten mittlerweile deutlich seltener. Stattdessen wird die E-Zigarette zum eigenständigen Artikel, den sich die Kunden nach eigenen Wünschen hinsichtlich Nikotingehalt und Geschmack zusammenstellen können. Allein zwischen August 2012 und Januar 2014 sollen laut Fachmedien monatlich zehn Marken und 240 Geschmacksrichtungen neu auf den Internet-Markt gekommen sein.