Ganz so weit ist die Mainzer Krebsforscherin Özlem Türeci noch nicht. Sie gründete 2001 die Biotech-Firma Ganymed Pharmaceuticals zusammen mit Christoph Huber, dem ebenfalls mittlerweile emeritierten Krebsimmunologen und Direktor einer der Mainzer Universitätskliniken. Auch sie will speziell abgerichtete Spürhunde in den Körper schicken, um die Körperpolizei zu unterstützen.
Türeci hat ein ganzes Set neuer Erkennungsregionen ausfindig gemacht, die ausschließlich auf Krebszellen vorkommen, aber auf keiner einzigen gesunden Zelle. Auf diese Erkennungsmuster trainiert sie ihre Antikörper-Spürhunde. Das 90 Mitarbeiter starke Unternehmen erprobt seine Fahndungs-Helfer gerade in einer zweiten klinischen Phase an 210 Menschen mit Magen- und Speiseröhrenkrebs.
So schnell und effektiv es ist, speziell trainierte Spürhunde anzufordern, so teuer ist es auch. Denn die extra designten Antikörper müssen die Forscher mithilfe gentechnisch aufgerüsteter Zellen in braukesselartigen Zuchtanlagen herstellen. Das ist aufwendig und entsprechend kostspielig.
Antikörper markieren den Tatort
Viel einfacher wäre es, die Körperpolizei vor Ort zu schulen – etwa mit großräumig verteilten Phantombildern der Übeltäter. Genau das versuchen viele Unternehmen, die therapeutische Impfungen entwickeln.
Bei klassischen, vorbeugenden Impfungen etwa gegen Grippe oder Tetanus spritzen Ärzte gesunden Menschen abgeschwächte oder abgetötete Krankheitserreger in den Körper. Die Körperpolizei stürzt sich darauf, registriert die Festgenommenen als fremd und lässt ihre eigenen Suchhunde an ihnen schnuppern. Der Körper entwickelt selbst Antikörper gegen den Krankheitserreger.
Die schwimmen dann durch die Lymphbahnen des Körpers und markieren den Tatort, wenn tatsächlich solch ein Erreger den Körper befällt. Die Abwehrreaktion geht nun viel schneller. T-Zellen – die Scharfschützen – eilen zu Hilfe und eliminieren die Erreger.
Biotech-Unternehmen die an Krebs-Immuntherapien forschen
Krebsart: Leberkrebs, Lungenkrebs
Wirkprinzip: Checkpoint-Therapie
Stand der Entwicklung*: Phase II
Kooperationspartner: Yakult; Biontech
* des jeweils am weitesten fortgeschrittenen Medikaments; zur Arzneimittel-Entwicklung gehören präklinische Studien wie Tierversuche und drei aufeinanderfolgende Testphasen (I–III) am Menschen
Quelle: eigene Recherchen, Unternehmensinformationen
Krebsart: Hirntumor
Wirkprinzip: Checkpoint-Therapie
Stand der Entwicklung*: Phase II
Kooperationspartner:
* des jeweils am weitesten fortgeschrittenen Medikaments; zur Arzneimittel-Entwicklung gehören präklinische Studien wie Tierversuche und drei aufeinanderfolgende Testphasen (I–III) am Menschen
Quelle: eigene Recherchen, Unternehmensinformationen
Krebsart: Hautkrebs, Brustkrebs
Wirkprinzip: Individuelle RNAKrebs-Impfung
Stand der Entwicklung*: Phase I/II
Kooperationspartner: 4SC, Immatics, Ganymed
* des jeweils am weitesten fortgeschrittenen Medikaments; zur Arzneimittel-Entwicklung gehören präklinische Studien wie Tierversuche und drei aufeinanderfolgende Testphasen (I–III) am Menschen
Quelle: eigene Recherchen, Unternehmensinformationen
Krebsart: Prostatakrebs, Lungenkrebs
Wirkprinzip: RNA-Krebsimpfung
Stand der Entwicklung*: Phase II
Kooperationspartner: Boehringer Ingelheim
* des jeweils am weitesten fortgeschrittenen Medikaments; zur Arzneimittel-Entwicklung gehören präklinische Studien wie Tierversuche und drei aufeinanderfolgende Testphasen (I–III) am Menschen
Quelle: eigene Recherchen, Unternehmensinformationen
Krebsart: Magen- und Speiseröhrenkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Eierstockkrebs
Wirkprinzip: T-Zell-Therapie
Stand der Entwicklung*: Phase II
Kooperationspartner: Biontech
* des jeweils am weitesten fortgeschrittenen Medikaments; zur Arzneimittel-Entwicklung gehören präklinische Studien wie Tierversuche und drei aufeinanderfolgende Testphasen (I–III) am Menschen
Quelle: eigene Recherchen, Unternehmensinformationen
Krebsart: Nierenkrebs, Darmkrebs, Hirntumor
Wirkprinzip: Peptid-Krebsimpfung
Stand der Entwicklung*: Phase III
Kooperationspartner: Roche; Biontech
* des jeweils am weitesten fortgeschrittenen Medikaments; zur Arzneimittel-Entwicklung gehören präklinische Studien wie Tierversuche und drei aufeinanderfolgende Testphasen (I–III) am Menschen
Quelle: eigene Recherchen, Unternehmensinformationen
Krebsart: Prostatakrebs, Blutkrebs
Wirkprinzip: T-Zell-Therapie, Krebsimpfung
Stand der Entwicklung*: Phase II
Kooperationspartner:
* des jeweils am weitesten fortgeschrittenen Medikaments; zur Arzneimittel-Entwicklung gehören präklinische Studien wie Tierversuche und drei aufeinanderfolgende Testphasen (I–III) am Menschen
Quelle: eigene Recherchen, Unternehmensinformationen
Krebsart: Blutkrebs, Knochenkrebs, Prostatakrebs, Darmkrebs
Wirkprinzip: T-Zell-Therapie, spezielle Antikörper
Stand der Entwicklung*: Zur Zulassung eingereicht
Kooperationspartner: Bayer; Boehringer Ingelheim; AstraZeneca/Medimmune
* des jeweils am weitesten fortgeschrittenen Medikaments; zur Arzneimittel-Entwicklung gehören präklinische Studien wie Tierversuche und drei aufeinanderfolgende Testphasen (I–III) am Menschen
Quelle: eigene Recherchen, Unternehmensinformationen
Krebsart: Nierenkrebs
Wirkprinzip: Checkpoint-Therapie
Stand der Entwicklung*: Phase I/II
Kooperationspartner: Merck, Merck (USA), Pfizer
* des jeweils am weitesten fortgeschrittenen Medikaments; zur Arzneimittel-Entwicklung gehören präklinische Studien wie Tierversuche und drei aufeinanderfolgende Testphasen (I–III) am Menschen
Quelle: eigene Recherchen, Unternehmensinformationen
Krebsart: Hautkrebs, Prostatakrebs
Wirkprinzip: RNA-Krebsimpfung
Stand der Entwicklung*: Präklinik
Kooperationspartner:
* des jeweils am weitesten fortgeschrittenen Medikaments; zur Arzneimittel-Entwicklung gehören präklinische Studien wie Tierversuche und drei aufeinanderfolgende Testphasen (I–III) am Menschen
Quelle: eigene Recherchen, Unternehmensinformationen
Forscher der Tübinger Firmen Immatics und Curevac impfen dagegen Menschen, die an Krebs erkrankt sind. Beide Gründungsteams stammen aus den Tübinger Universitätslaboren des weltweit renommierten Immunologie-Professors Hans-Georg Rammensee. Sie wollen die körpereigenen Immuntruppen auf die Krebszellen aufmerksam machen, damit diese dann selbst aktiv werden. Der Impfstoff präsentiert das biologische Verbrecherporträt. Er hält den Murots, Schimanskis und Bienzles des Körpers ein gestochen scharfes Fahndungsfoto vor die Nase.
Das Ganze ist recht preiswert, weil diese biologischen Phantombilder oftmals nur aus winzigen Protein-Bruchstücken bestehen oder sogar nur aus einer genetischen Bauanleitung – dem sehr billig herstellbaren Erbgutmolekül RNA.
Genau auf diese Billigstrategie setzt Ugur Sahin mit seiner in Mainz 2008 gegründeten Firma Biontech. Er will sie aber noch einen entscheidenden Schritt weiterentwickeln: Sahin will das Phantombild immer wieder neu zeichnen, weil sich die Tumorzellen extrem schnell genetisch verändern, etwa wenn Ärzte einen Krebskranken mit einem klassischen Chemotherapeutikum behandeln: Kaum schneidet die Körperpolizei den Verbrechern den Fluchtweg ab, entdecken sie einen Rettungstunnel. Wenn sie daraus wieder auftauchen, sind sie so verdreckt und zerzaust, dass das Fahndungsfoto nicht mehr stimmt.