Neuer Panamakanal Schleusen auf für die Giganten der Meere

Der erweiterte Panamakanal wird am Sonntag eröffnet, künftig können deutlich größere Frachter und Tanker die Wasserstraße passieren. Dabei sah es zwischenzeitlich nicht unbedingt nach einem Erfolg des Megaprojekts aus.

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Ein Frachter der Postpanamax-Klasse auf Testfahrt durch eine der neuen Schleusen des Panamakanals. Die Wasserstraße in Mittelamerika ist künftig auch für große Containerschiffe und Tanker passierbar. Quelle: Reuters

Panama-Stadt Panama wartet auf ein Schiff. Vor den Augen von Staatschef Juan Carlos Varela, befreundeten Präsidenten aus der Region, geladenen Gästen und Tausenden Schaulustigen wird die „Cosco Shipping Panama“ am kommenden Sonntag durch die Schleusen von Cocolí fahren und damit den erweiterten Panamakanal eröffnen. Die breiter und tiefer gewordene Wasserstraße zwischen Atlantik und Pazifik soll eine neue Ära im maritimen Welthandel einläuten.„Das ist eines der wichtigsten Bauwerke der Welt“, sagt der Chef der Kanalverwaltung Jorge Quijano. „Vielleicht nicht das teuerste, aber zweifellos das folgenreichste für die Welt. Hier fahren Schiffe aus 160 Länder durch.“

Künftig können auch Frachter der sogenannten Postpanamax-Klasse mit bis zu 14.000 Containern den Kanal befahren. Bislang wurden nur Schiffe mit maximal 4400 Containern auf der Wasserstraße durch den Regenwald geschleust. Auch Tanker etwa für Flüssiggas können bald die kosten- und zeitsparende Route durch den mittelamerikanischen Isthmus wählen, statt das unter Seefahrern immer noch gefürchtete Kap Hoorn an der Südspitze Südamerikas zu umschiffen.

„Das ist eines der wichtigsten Bauwerke der Welt“, sagt der Chef der Kanalverwaltung Jorge Quijano. „Vielleicht nicht das teuerste, aber zweifellos das folgenreichste für die Welt. Hier fahren Schiffe aus 160 Länder durch.“

Damit der Kanal auch künftig in der globalen Wirtschaft mitspielen kann, haben die Panamaer eine wahre Materialschlacht im Dschungel angezettelt: Insgesamt wurden 150 Millionen Kubikmeter Erde und Geröll abgeräumt. An den neuen Schleusen an der Atlantik- und Pazifikseite verbauten die Arbeiter zwölf Millionen Tonnen Zement. 192.000 Tonnen Stahl kamen zum Einsatz – das entspricht 19-mal dem Eiffelturm in Paris. Während der vergangenen neun Jahre waren rund 40.000 Arbeiter auf der Baustelle beschäftigt.

Der Streit um die Kosten ist noch nicht beendet

Eigentlich sollte die vor neun Jahren begonnene Erweiterung bereits 2014 fertig werden, pünktlich zum hundertjährigen Jubiläum des Kanals. Aber der Streit um Geld und die bei solchen Megaprojekten üblichen Verzögerungen machten das unmöglich. Anfang 2014 mussten die Bauarbeiten zeitweise sogar völlig gestoppt werden, nachdem es zu Streitigkeiten um die Kosten zwischen dem Baukonsortium GUPC und der Kanalbehörde gekommen war. 

Am Ende sind die Baukosten auf fast 5,6 Milliarden Dollar angestiegen und damit deutlich höher als die ursprünglich veranschlagten Kosten von 3,2 Milliarden Dollar. Und das Baukonsortium „Grupo Unido por el Canal“ (GUPC) unter der Führung des spanischen Baukonzerns Sacyr streitet sich derzeit mit Panama vor einem Schiedsgericht in Miami darum, wer die Mehrkosten zu tragen hat.

Es sei sehr schwer, mit dem Projekt Gewinn zu erzielen, sagt Fernando Pardo, der Sacyr in dem GUPC vertritt. Neben dem spanischen Bauunternehmen haben die Impregilo-Group aus Italien, Jan de Nul aus Belgien und Cusa aus Panama an der Kanal-Erweiterung mitgebaut. Das Konsortium argumentiert, der Grund für die Kostenexplosion sei ungenauen geologischen Studien geschuldet. Die Kanalbehörde dagegen wirft den Firmen vor, die Kosten in die Höhe getrieben und bei der Ausschreibung ein „unrealistisches Angebot“ abgeben zu haben.


Panamas unverzichtbare Lebensader

Unabhängig von der Kostenfrage war der Ausbau schlicht eine Notwendigkeit, um den Kanal konkurrenzfähig zu halten. Denn die Seeschifffahrt hat sich über die Jahre verändert. Die Reeder haben sich aus Kostengründen für größere Schiffe entschieden, die mehr Fracht transportieren können. „Der Trend geht schon seit Jahren zu immer größeren Schiffen, weil sie sich günstiger betreiben lassen“, sagt der stellvertretende Chef der Kanalverwaltung, Manuel Benítez.

Deshalb mussten auf beiden Seiten des Kanals neue Zufahrtskanäle ausgehoben und größere Schleusen gebaut werden. Zudem vertieften und verbreiterten Baggerschiffe die Fahrrinne. Künftig werden kleinere Schiffe die alte Route passieren, während große durch die neuen Schleusen fahren.

Zwischen 35 und 40 Schiffe werden jeden Tag durch den Panamakanal geschleust. Daran dürfte sich auch durch den Ausbau nichts ändern, doch die Schiffe werden größer. „Nach der Erweiterung können wir wieder 96 Prozent aller Schiffe weltweit schleusen“, sagt Mónica Martínez von der Kanalverwaltung. „Wir rechnen damit, dass wir den Frachtdurchsatz von derzeit 300 Millionen Tonnen pro Jahr auf 600 Millionen Tonnen verdoppeln können.“

Vom Kontrollturm in Cocolí auf der Pazifikseite überblicken die Schleusenwärter die neue Anlage mit drei Kammern. „Von hier aus lässt sich alles per Mouse-Klick steuern“, sagt Abdiel Julio von der Verwaltung. Jede Kammer ist 427 Meter lang, 55 Meter breit und 35 Meter tief. Die in Italien gefertigten Schleusentore brauchen zum Öffnen und Schließen rund fünf Minuten. Rund drei Stunden dauert es, die Schiffe rund 28 Meter auf das Niveau des Gatún-Sees anzuheben.

„Aus Sicherheitsgründen sind alle Systeme redundant angelegt. Die Schleusentore, die Motoren, die Elektrik und die Düsen“, sagt Julio. „Damit stellen wir sicher, dass wir auch bei technischen Problemen den Betrieb aufrechterhalten können.“ Komplett geschlossen wird der Panamakanal tatsächlich fast nie: Erst dreimal soll das in den vergangenen 100 Jahren vorgekommen sein.

Viel mehr als nur eine Wasserstraße

Allerdings musste der Panamakanal zuletzt wegen Wassermangels die Zahl der täglichen Passagen drosseln. Im alten System fließt nach der Schleusung das gesamte Wasser ins Meer ab. Die neuen Schleusen verfügen über neun Auffangbecken. Jedes fasst so viel Wasser wie 18 Olympische Schwimmbecken. Damit können künftig 60 Prozent des verwendeten Wasser wiederverwendet werden.

Der Ausbau des Kanals in Panama hat Auswirkungen auf die maritime Wirtschaft in der ganzen Region. Zahlreiche Städte bauen ihre Häfen aus, damit dort künftig ebenfalls Schiffe der Postpanamax-Klasse anlegen können.

Cartagena in Kolumbien investiert 800 Millionen US-Dollar, Callao in Peru 700 Millionen Dollar und San Antonio in Chile 440 Millionen Dollar.

„Der Ausbau ist bedeutend, weil er Einfluss auf die Größe und Anzahl der Schiffe hat, die die Häfen der US-Ostküste und Golfküste ansteuern“, sagt Andrew Kinsey vom Versicherungskonzern Allianz. „Derzeit müssen diese Schiffe den Suezkanal benutzen, um von Asien in die USA zu gelangen.“ Der Panamakanal ist also viel mehr als nur eine Wasserstraße: Er ist eine Abkürzung für den Welthandel.

Und für Panama die unverzichtbare Lebensader. Dank des Kanals ist das Land heute zu einem Dienstleistungszentrum geworden. Anders als in anderen Staaten der Region tragen in Panama Handel, Banken und Transport mit 80 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Exporte wie Kaffee und Bananen, mit denen die Nachbarstaaten ihre Wirtschaft am Laufen halten, spielen nur eine geringe Rolle.

Und ohne den 80 Kilometer langen Kanal wäre Panama vermutlich noch heute eine Provinz Kolumbiens. Anfang des 20. Jahrhunderts sorgten die USA für die Abspaltung Panamas vom südlichen Nachbarn und installierten in dem neuen Staate eine Regierung, damit die Wasserstraße nach US-Vorstellungen gebaut werden konnte.

Die Intervention brachte das erwünschte Ergebnis: Zwei Wochen nach der Unabhängigkeit Panamas im November 1903 erhielten die USA vertraglich das Hoheitsrecht über den noch zu bauenden Kanal zugesichert. Ein Recht, das sie erst mit der Übergabe der Kanalverwaltung an Panama am 31. Dezember 1999 aufgaben.

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