Also Planet oder Zwergplanet – hin oder her! Der detaillierte Blick auf Pluto kann uns viel über das verraten, was Forscher bislang nur von pixeligen Aufnahmen des Hubble-Teleskops kannten, auf denen sich fast gar nichts erkennen ließ. „Hier kommt die Überlegenheit zum Tragen, dass ein Labor in einer Raumsonde zu seinem Ziel fliegt und vor der Haustür Fotos schießt“, sagt Martin Pätzold, Planetenforscher des Rheinischen Instituts für Umweltforschung an der Universität zu Köln.
Er ist live in der Schaltzentrale dabei, während New Horizons Fotos macht und Werte misst, denn der gehört zu dem deutschen Team, das die Mission am Applied Physics Laboratory (APL) der John-Hopkins-Universität in den USA begleitet und unterstützt. „Wir messen zum ersten Mal direkt die individuellen Massen von Pluto und Charon.“ Die Durchmesser werde dabei präzise ermittelt und die Dichte der Körper berechnet. „Die Dichte eines planetaren Körpers sagt sehr viel über den inneren Aufbau und damit letztlich auch über seine Entstehung und seine Evolution aus.“
Fakten zu Pluto
Der Zwergplanet Pluto ist nach dem römischen Gott der Unterwelt benannt. Die Idee dazu hatte aber nicht etwa ein Wissenschaftler, sondern ein damals elf Jahre altes Mädchen - die 2009 gestorbene Venetia Phair. Ihr Großvater habe ihr 1930 aus der Zeitung vorgelesen, dass ein neuer Planet entdeckt worden sei, erzählte die Engländerin 2006 der US-Raumfahrtbehörde Nasa. „Nach einer kurzen Pause habe ich dann aus irgendeinem Grund gesagt: „Warum nennen sie ihn nicht Pluto?“ Ich hatte von den griechischen und römischen Legenden in Kinderbüchern gelesen und kannte das Sonnensystem und die Namen der anderen Planeten. Also dachte ich, diesen Namen gibt es noch nicht.“ Phairs Großvater, ein Bibliothekar, erzählte einem befreundeten Astronom von der Idee. Der wiederum gab sie an die Entdecker im Lowell-Observatorium im US-Bundesstaat Arizona weiter - und die nahmen den Vorschlag an. „Ich war begeistert“, erinnert sich die spätere Lehrerin Phair. „Das war sehr aufregend damals für ein kleines Mädchen.“
Fast 80 Jahre lang war Pluto ganz offiziell der kleinste Planet des Sonnensystems. Der nach dem griechischen Gott der Unterwelt benannte Winzling, der mit einem Durchmesser von etwa 2300 Kilometern kleiner als der Erdenmond (3500 Kilometer) ist, war der neunte und äußerste Planet - von seiner Entdeckung 1930 bis 2006. Dann degradierte ihn die Internationale Astronomische Union (IAU) offiziell zum Zwergplaneten, nachdem in seiner Region einige ähnlich große Objekte entdeckt worden waren.
Der etwa minus 230 Grad Celsius kalte Pluto ist eine Art Eiszwerg, wie sie zu Zigtausenden bei der Entstehung des Sonnensystems übrig geblieben sind und seitdem den Kuipergürtel am Rand unseres Systems bilden. Für einen Sonnenumlauf benötigt der zu knapp einem Drittel aus gefrorenem Wasser bestehende Zwergplanet 248 Erdenjahre. Im Eiskern des Pluto vermuten Forscher einen Ozean. Bislang sind fünf Monde des Winzlings bekannt: Charon, Styx, Nix, Kerberos und Hydra.
Der Kuipergürtel ist eine Region in unserem Sonnensystem außerhalb der Umlaufbahn des Neptuns. Benannt wurde sie nach dem niederländischen Astronomen Gerard Kuiper (1905-1973), der ihre Existenz schon vor mehr als 60 Jahren vermutete. Wissenschaftler nehmen an, dass dort möglicherweise Hunderttausende Eisbrocken schweben, die bei der Entstehung der Planeten übrig geblieben und dann dorthin geschleudert worden sind. Die meisten Gebilde im Kuipergürtel sind mit bis zu 50 Kilometern Durchmesser eher klein. Es gibt aber auch einige größere - wie die Zwergplaneten Pluto und Eris.
Die Eigenschaften Plutos können aber nicht nur wichtige Stichpunkte zur Entstehung des Planetensystems liefern, sondern insbesondere ein Phänomen unseres eigenen Planeten vielleicht besser erklären – das Erde-Mond-System. Denn der größte Mond Plutos, Charon, und der Zwergplanet scheinen in einem ähnlichen Verhältnis zueinander zu stehen, wie die Erde und ihr Mond. „Planetenforscher sprechen von Erde und Mond und Pluto und Charon gerne von Doppelplaneten, weil beide (Erde und Mond, Pluto und Charon) annähernd ähnliche Radien haben“, sagt Pätzold. Bei Jupiter und seinen Monden beispielsweise ist das anders, denn die Monde sind dort sehr viel kleiner als der Planet.
YES! After over 9 years & 3+ billion miles, @NASANewHorizons #PlutoFlyby was at 7:49am ET. http://t.co/Czrvonxugd pic.twitter.com/aSucgORofT
— NASA (@NASA) 14. Juli 2015
„Doppelplanetensysteme sind eher selten.“ In unserem Sonnensystem sind Forschern nur diese beiden bekannt: Erde und Mond, Pluto und Charon. Zwar kenne man das Erde-Mond-System mittlerweile recht gut, „der Vergleich mit Pluto-Charon kann aber helfen, noch verbliebene Fragen zu lösen“, so Pätzold. So können Forscher etwa den Mondeinfluss auf die Gezeiten vergleichen, die bei uns auf der Erde beispielsweise für Ebbe und Flut verantwortlich sind.
„Wir würden natürlich auch gerne wissen, wie Charon entstanden ist. Wie kommt Pluto dazu, so einen großen Mond zu haben?“, fragt Spohn. Das sei auch ein Rätsel, das sogar für Erde und Mond noch nicht so ganz gelöst sei. „Es gibt mittlerweile einigermaßen eine Vorstellung, wie der Mond entstanden ist, aber es gibt immer noch ungeklärte Fragen und die Untersuchung eines vergleichbaren Systems könnte uns der Lösung näher bringen“, so Spohn.