Operation zu Beatles oder Bach Wenn im OP-Saal Musik erklingt

Wer sich einen OP-Saal als stilles Kämmerlein vorstellt, der irrt. Während vielen Operationen läuft im Hintergrund Musik. Doch welche Wirkung hat das auf Ärzte und Patienten?

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Gewichtheben hilft dem Gedächtnis
Gewichte stemmenEine Studie von Forschern am Georgia Institute of Technology hat gezeigt: körperliche Fitness bewegt auch den Geist. Die Untersuchung zeigte, dass ein kurzes Workout von gerade einmal 20 Minuten die Leistung des sogenannten episodischen Gedächtnisses verbessern kann. Dabei handelt es sich um einen Teil des Langzeitgedächtnisses, der speziell für das Erinnern von Ereignisketten im Laufe des Lebens zuständig ist. Untersucht wurden junge, gesunde Erwachsene. Die Forscher zeigten, dass ihr Erinnerungsvermögen um zehn Prozent gesteigert werden konnte, wenn sie Kraftsport machten. Quelle: REUTERS
Grüner Tee Das Gebräu ist nicht nur ein Muss für Entspannungsfanatiker und Meditationsfans, sondern auch Doping für die Hirnleistung - und eine Waffe gegen Alzheimer. Forscher der Universität Basel fanden heraus, dass sich durch grünen Tee die Zusammenarbeit verschiedener Hirnareale steigern lässt. Diese bessere Konnektivität sorgt zumindest kurzfristig für eine bessere Denkleistung. Aber auch langfristig hilft grüner Tee: Laut Wissenschaftlern der Universität von Michigan enthält er den Wirkstoff namens Epigallocatechin-3-gallate. Er kann Eiweißablagerungen verhindern, die bei der Entstehung von Alzheimer eine Rolle spielen. Quelle: dpa
YogaWer regelmäßig Yoga macht oder meditiert, kann seine Denkkraft auch im Alter länger hochhalten. Zu diesem Ergebnis kamen Psychologen der Havard Medical School, die Yoga-Übende, Meditierende und Nicht-Praktizierende in einer Studie miteinander verglichen. Dabei wurde die Gehirnaktivität der Probanden mit einem Magnetresonanztomographen gemessen, außerdem wurden Denkgeschwindigkeit und Auffassungsgabe geprüft. Den Gehirnleistungsvorsprung der Yoga-Übenden erklären die Psychologen mit drei Gründen: Erstens haben die Yoga-Praktizierenden stärker verknüpfte neuronale Netze, zweitens sind ihre Schaltkreise widerstandfähiger gegenüber Verletzungen und drittens gehen sie achtsamer mit ihren Aufgaben um. Quelle: dpa
SchlafenGute Nachrichten: Es geht auch bequemer. US-Wissenschaftler der Rochester Universität haben kürzlich anhand von Tierversuchen erneut belegt, dass einfaches Schlafen die Hirnaktivität fördert. Grund dafür ist nicht nur die Erlebnisverarbeitung, sondern auch eine Art „Recyclingfunktion“ des Gehirns. Dieses entsorgt im Schlaf den schädlichen, zellulären Müll des Tages. Kann das Gehirn seine Abfallentsorgung nicht durchführen, beispielsweise aufgrund von Schlafmangel, drohen Erkrankungen wie Alzheimer. Die Empfehlung der Forscher: Sieben bis neun Stunden Schlaf jede Nacht. Quelle: obs
Soziale KontakteQuatschen, Plaudern, Reden. Soziale Kontakte wirken wahre Wunder. Im Gehirn übernimmt die soziale Interaktion eine ähnliche Funktion wie Gehirnjogging – nur, dass nicht bestimmte Hirnregionen gezielt stimuliert werden, sondern verschiedene Bereiche. Amerikanische Neurologen von der Rush Universität haben über einen längeren Zeitraum Hunderte von Senioren begleitet und den Zusammenhang von Einsamkeit und Alzheimergefahr beobachtet. Das Ergebnis: Je einsamer sich die Probanden fühlten, desto größer wurde das Alzheimer-Risiko. Freunde, Familie oder ein Plausch mit den Nachbarn fördern das Wohlbefinden und festigen die Denkleistung. Quelle: dpa
SportEigentlich ist es kein Geheimnis: Ein gesunder Geist ruht in einem gesunden Körper. Trotzdem vernachlässigen viele Menschen ihre physische Fitness – und beeinträchtigen damit ihre Gehirnkapazität. Zahllose Studien belegen, dass Sport die Durchblutung des Gehirns und das Wachstum von Kapillaren und Nerven fördert. Wichtig: Wer keinen Six-Pack oder Traummaße hat, ist noch lange nicht benachteiligt. Wie Forscher der Universität Nebraska ermittelten, kommt es vor allem auf die aerobe Fitness an - also die Fähigkeit des Körpers, Sauerstoff aufzunehmen und zur Energieumwandlung zu gebrauchen. Beruhigend: Diese Fähigkeit lässt sich trainieren - durch Sport. Quelle: dpa
ErnährungDie richtige Ernährung ist wichtig für Körper und Geist. Das Gehirn macht zwar nur rund 2 Prozent des gesamten Körpergewichts aus, verbraucht allerdings – je nach Arbeitsbelastung – um die 20 Prozent der Energiereserven. Klar, dass dadurch auch die richtige Ernährung für die Denkaktivität eine große Rolle spielt. In einer Studie mit über 3600 Teilnehmern haben finnische Wissenschaftler die Bedeutung von Omega-3 Fettsäuren nachgewiesen - einer Fettsäure, die vor allem in Fisch vorkommt. Die Forscher vermuten: Ein regelmäßiger Verzehr von Fisch senkt bei älteren Menschen die Gefahr von unbemerkten Hirnschäden, Gedächtnisverlust oder Schlaganfällen um ein Viertel. Aber auch andere Lebensmittel können helfen: Verschiedene Vitamine und geringe Mengen Alkohol wirken belebend und vitalisierend auf Gehirnleistung und Laune. Quelle: dpa

Konzentriert setzt der Chirurg bei seinem Patienten das Skalpell an, während aus Lautsprechern Hits wie „Atemlos durch die Nacht“ erklingen. Kann das funktionieren? Mediziner sind sich uneins. Bei vielen Operationen läuft Musik: mal lauter, mal leiser, meist ausgewählt vom Chirurgen. Weltweit seien wohl 50 bis 70 Prozent der Operationen mit Musik untermalt, schreiben Forscher um Sharon-Marie Weldon vom Imperial College London im „Journal of Advanced Nursing“.

Auch in deutschen OP-Sälen wird die Anlage aufgedreht: „Es gibt Kollegen, die Musik hören und sich dabei entspannen“, erläutert die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), Prof. Gabriele Schackert vom Uniklinikum Dresden auf Anfrage. Übergreifende Regeln gibt es nicht: Manchmal entscheidet eine Klinik, ob sie Musik bei der OP dulden will, manchmal obliegt es den OP-Teams selbst.

Für Ärzte und Pfleger bietet das Thema jedenfalls Zündstoff: „Musik im OP-Saal zu organisieren, ist nicht ganz einfach“, berichtet der Chirurg Philipp Zollmann, der eine Praxis in Jena betreibt. „Ärger wegen Musik gibt es ständig.“ Die Kunst: Mit der Songfolge Vorlieben von Operateur, Schwestern und Patienten gleichermaßen gerecht zu werden. Zollmanns Rezept: Nicht mehr als ein Lied pro Interpret und Genre hintereinander, keine sich wiederholenden Titel und möglichst wenig Schwankungen bei der Lautstärke. Tabu seien bei ihm Heavy Metal ebenso wie unerfreuliche Radio-Nachrichten.

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„Was immer geht, sind Bach, Vivaldi und die Beatles“, meint Zollmann. „Auch Helene Fischer wird gespielt, obwohl es nicht so meins ist. Aber den Schwestern und Patienten gefällt es.“ Da in seiner Praxis viele Patienten lokal betäubt operiert werden, berichtet Zollmann von großer Nachfrage nach Musik: „Viele bringen sich auch selbst Kopfhörer mit. Es ist gut, wenn sie nicht so viel mitbekommen von Gesprächen und Geräuschen der OP. Musik lenkt ab und beruhigt.“

Andere Mediziner sehen das anders: Gabriele Schackert von der DGCH etwa lehnt Musik im OP-Saal persönlich ab. Sie empfinde die Geräuschkulisse als störend, insbesondere in schwierigen Situationen einer Operation. „Nach meiner Meinung besteht kein Problem in der leichten Phase einer OP“, ergänzt sie und spielt etwa an auf das Verschließen von Narben oder das Öffnen und Schließen eines Schädels. Anästhesisten der Berliner Charité verweisen auf Anfrage darauf, dass die akustischen Signale der Überwachungs- und Behandlungsgeräte immer einwandfrei zu hören sein müssten.

Dass OP-Saal-Musik nicht nur harmlos ist, zeigt zumindest die britische Studie der Autoren um Weldon: Zwar wurden lediglich 20 Operationen beobachtet und ausgewertet, dabei klappte die Kommunikation zwischen Operateur und Personal aber nicht immer reibungslos. War die Musik zu laut, mussten Ärzte etwa die Bitte nach Arbeitsgeräten wiederholen. So konnte sich eine OP sogar leicht verlängern.

An den möglichen Nutzen für Patienten wird bei den meisten Kliniken offenbar noch wenig gedacht. Dabei zeigt eine Studie im Fachblatt „The Lancet“: Schmerzempfinden und Angstgefühle nach der OP waren im Durchschnitt geringer, wenn Patienten davor, während oder danach Musik hörten. Die britischen Forscher hatten 72 Fachartikel zu dem Thema ausgewertet - insgesamt flossen Daten von mehr als 7000 Probanden ein.

Mit Musik waren die Patienten zufriedener und brauchten nach Angaben des Teams um Catherine Meads von der Brunel University in Uxbridge sogar weniger Schmerzmittel. Selbst bei Vollnarkose ließen sich positive Effekte beobachten. Musik sei ein sicheres und günstiges Mittel, das allen OP-Patienten zur Verfügung stehen sollte, erklärte Meads. „Es sollte Patienten erlaubt sein, die Musik auszusuchen, die sie hören wollen, um den größtmöglichen gesundheitlichen Nutzen zu erzielen.“ Und sei es bei Helene-Fischer-Fans ein Titel wie „Wär' heut mein letzter Tag“.

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