Herr Tolan, Sie haben sich umfassend mit der Physik in Star-Trek befasst. Was ist ihr Lieblings-Gadget?
Metin Tolan: Wenn der Transporter als Gadget zählt, dann ist er definitiv mein Lieblings-Gadget.
Was aus der Sendung ist jetzt schon Realität geworden?
Ein Kommunikator, mit dem man sich mit jedem unterhalten kann war 1960 noch eine Utopie. Heute haben wir Geräte, die viel mehr können. Wir sehen in der ersten Staffel eine Person, die einen Rollstuhl mit ihren Gehirnströmen steuert. Das hat man damals nur mit Science-Fiction verbunden, heute geht das. Die Macher haben sich Gedanken darüber gemacht, warum sich im Star-Trek-Universum alle verstehen. Die Lösung: Der Universalübersetzer im Ohr. Den haben wir zwar noch nicht, aber bei Skype konnten Sie vor zwei Jahren sehen, wie das, was jemand deutsch reingesprochen hat in den USA direkt auf Englisch herauskam und umgekehrt. Den Übersetzer, den die Leute im Ohr haben, gibt es theoretisch schon. Die Sätze waren relativ einfach aber wir haben auch noch ein bisschen Zeit, um in 200 Jahren dahin zu kommen.
Zur Person
Metin Tolan ist Professor für experimentelle Physik an der Technischen Universität Dortmund. Er ist Verfasser populärwissenschaftlicher Bücher wie "Geschüttelt, nicht gerührt: James Bond und die Physik." (Piper, 2008) und "Die STAR-TREK-Physik" (Piper, 2016).
Den Kommunikator haben wir also schon, folgt bald der Warp-Antrieb?
Alles aus den Bereichen Datenverarbeitung und künstliche Intelligenz ließ sich recht leicht umsetzen. Sie können bei Star-Trek Computer fragen und kriegen eine Antwort. Das können Sie im Prinzip heute schon. Das Telefon sagt mir nicht nur, wo die nächste Pizza ist, sondern auch, wie ich da hinfahren muss.
Die spannendsten Fakten zu Raketen und Satelliten
Rund 60 Millionen Dollar kostet es, einen Satelliten mit einer SpaceX-Rakete ins All zu schießen. Wer für einen großen Satelliten die europäische Ariane 5 bucht, muss rund 137 Millionen Dollar zahlen.
Weil die Startkosten so hoch sind, müssen Satelliten extrem zuverlässig sein. Daher verwenden die Konstrukteure teure, aufwendig getestete Komponenten. Leisten können sich das nur Staaten, Großkonzerne und die staatlich finanzierte Wissenschaft.
Raketen bestehen heute aus einer Unter- und einer Oberstufe - und sind ein Einwegprodukt. Die Unterstufe stürzt ins Meer, die Oberstufe verglüht beim Wiedereintritt in die Atmosphäre.
Rakete und Satellit müssen gegen Unfälle versichert werden. Je teurer beide sind, desto kostspieliger ist auch die Versicherung.
SpaceX kann schon heute die Unterstufe auf der Erde landen. In Zukunft will das Unternehmen diese wiederverwenden, was die Startkosten massiv senken würde - von 60 Millionen Dollar, prognostiziert SpaceX, wenn irgendwann auch die Oberstufe zurückkehrt.
Sinken die Transportkosten, müssen die Satelliten weniger robust und damit weniger teuer sein. Fällt einer aus, schießen die Betreiber einfach einen neuen ins All. Oder gleich mehrere mit einem Flug. Denn dank moderner Elektronik und neuer Antriebe werden Satelliten immer kleiner und leichter.
Im Silicon Valley entsteht unter dem Begriff NewSpace gerade eine neue Branche. Start-ups bauen wenige Kilogramm leichte Billigsatelliten, die Cube-Sats, um etwa Internet in entlegene Regionen zu bringen oder Verkehrsströme zu überwachen. Durch wiederverwendbare Raketen fallen die Startkosten kaum ins Gewicht.
Tausende Minisatelliten im All mit nur kurzer Lebensdauer werden zur Gefahr für andere Satelliten. Um die Menge des Weltraumschrotts zu reduzieren, gibt es freiwillige Verhaltensregeln der Raumfahrtagenturen NASA und ESA, beispielsweise ausgediente Satelliten schnell verglühen zu lassen oder in eine sogenannte Friedhofsumlaufbahn zu befördern.
Alles, was mit dem Verbrauch von Energie zu tun hat, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht realisiert werden. Der Transporter, sprich Beamen, oder der Warp-Antrieb. Von der physikalischen Seite her versteht man, wie das funktioniert. Der Körper wird in Strahlung verwandelt und die Strahlung zurück in Materie. Theoretisch geht das: E=mc² ist hier das Stichwort, aber die benötigten Energiemengen sind gigantisch.
Sachen, die nur mit technologischer Weiterentwicklung zu tun haben, sind sicherlich in 200 Jahren in der einen oder anderen Form realisiert.
Sie würden also auch den Replikator für relativ unwahrscheinlich halten?
Bei Star-Trek wird gesagt, dass er etwas aus Atomen und Molekülen zusammensetzt. Wenn Sie ein Schnitzel replizieren, dann regnen Proteine aus dem Replikator und werden zusammengesetzt. Das kann man sich durchaus vorstellen. Sie müssen bedenken: Letztlich ist ein Replikator auch nichts anderes als ein extrem weiterentwickelter 3D-Drucker, der auch organische Materialien rendern kann.
"Zeitreisen wird es auch in 200 Jahren nicht geben"
Mit welchen Innovationen würden Sie in den nächsten fünf Jahren rechnen?
Das ist recht kurz, aber wir erleben immer mehr, dass Smartphones zu Multifunktionsgeräten ausgebaut werden. Bei Star-Trek hätte man die „Tricorder“ genannt. Damit lassen sich Magnetfelder messen, Beschleunigungen oder mein Pulsschlag. Ich kann mir vorstellen, dass daraus Detektionsgeräte werden, die viel mehr können als telefonieren oder surfen. Im Bereich der Materialforschung werden wir noch viele Innovationen erleben. Vor 100 oder 150 Jahren waren die Materialien völlig andere als heute. Damals war noch nicht der erste Kunststoff erfunden worden. Silicium war etwas, mit dem Kinder in der Sandkiste gespielt haben, in Form von Sand. Heute ist das in jedem Computer drin. Das wird in den nächsten Jahrzehnten noch zu vielen Revolutionen führen.
Revolutionen, die für einen Durchbruch der Raumfahrt sorgen könnten?
Neue Materialen können sicher helfen, bessere Raketen zu bauen und für die Reise angenehmer zu machen, aber das Kernproblem der Raumfahrt sind die Antriebe. Wir sind auf sehr gut bekannte Gesetze der Physik beschränkt. Jede Form von Raketenantrieb wird uns hier nicht weit wegbringen. Das liegt nicht daran, dass Raketenantriebe zu schwach wären. Die Entfernungen sind zu gigantisch. Sie können eine Rakete bauen, die mit 50.000 Kilometern pro Stunde wegfliegt. Das hört sich verdammt schnell an. Unser nächster Fixstern Proxima Centauri ist aber 4,2 Lichtjahre entfernt. Das sind über 40 Billionen Kilometer. Unser Universum ist frustrierend groß.
Die sogenannte Raketengleichung beschreibt, dass sich mehr Treibstoff mitzunehmen nur bis zu einem gewissen Punkt lohnt. Die Saturn-5-Rakete war schon über 100 Meter groß, um so ein kleines bisschen Mondfähre in die Luft zu schießen. Die Treibstoffe sind auch an der Grenze des chemisch möglichen.
Das Grundproblem ist die Energieversorgung?
Mit der Kernfusion hätte man prinzipiell die Chance, nennenswerte Geschwindigkeiten zu erreichen. Damit meine ich Bruchteile der Lichtgeschwindigkeit. Dann würde man zu einem Stern wie Proxima Centauri „nur“ 40 Jahre brauchen. Das wäre in einem Menschenleben erreichbar. Heute sind das immer tausende Jahre, die man bräuchte. Wenn die Kernfusion irgendwann gebändigt ist, wird ein Verkleinerungsprozess einsetzen. Das war bei der Kernspaltung schon so. Wie immer hat man zuerst die Bombe gebaut, dann Kraftwerke und irgendwann konnte man Reaktoren in Schiffe und U-Boote einbauen.
So muss man sich den Weg auch für die Fusion vorstellen. Da sind wir dann tatsächlich in 200 Jahren, weil das im Moment technologisch noch nicht einmal am Horizont ist.
Welche Technologie aus Star-Trek ist völlig realitätsfern?
Obwohl das physikalisch-theoretisch alles möglich ist, sind natürlich Beamen und Warp die Technologien, die realitätsfern sind. Wegen der gigantischen Energiemengen, die man auch in 200 Jahren nicht beherrschen wird. Das ist schwer vorstellbar. Unsere Sonne hat uns in den 4,5 Milliarden Jahren ihrer Existenz von ihrer gesamten Energie gerademal 0,3 Prozent abgegeben. Wir bräuchten das 20–fache der gesamten Sonnenenergie um mit Warp zu fliegen. Theoretisch ist das Konzept gut gemacht aber praktisch fehlt uns da noch einiges.
Das sind die Dinge, die auch in 200 Jahren nicht realisiert sein werden, das kann man ziemlich genau sagen. Auch alles, was mit Zeitreisen in die Vergangenheit zu tun hat.
"Ich werde die Landung eines Menschen auf dem Mars nicht miterleben"
Hatte der Erfinder von Star-Trek, Gene Rodenberry, eine besondere prophetische Begabung oder hat sich die Forschung an Star-Trek orientiert?
Rodenberry möchte uns eine positive Utopie der Welt in 200 Jahren zeigen: Alle Kriege sind überwunden, es gibt kein Geld mehr und so weiter. Er hat sich überlegt: Was ist für eine Menschheit, die alle Probleme überwunden hat bequem?
Es ist bequem, ein Funkgerät zu haben, das klein und leicht ist, mit dem ich jeden erreichen kann. Umgekehrt denke ich auch, dass die Leute das bei Star-Trek gesehen haben und sich gedacht haben: Sowas brauchen wir! Davon hat sicher die Entwicklung des Handys profitiert. In den Achtzigern gab es ja schon Computer. Man hat sich gedacht, schöner wäre es, wenn der so leicht und flach wäre wie ein Blatt Papier. Star-Trek hat einen ziemlich großen Durchdringungsgrad in der Bevölkerung. Man hat sich erinnert: Das haben wir bei Star-Trek gesehen und so könnte man es machen.
Glauben Sie, dass wir außerirdischen Lebensformen begegnen werden?
Begegnen ist so eine Sache. Ich sagte vorhin schon, die Entfernungen sind riesengroß. Das gilt für die anderen auch. Ich glaube nicht, dass das jemand hinkriegt auf absehbare Zeit. Aber: Ich hätte früher nie gesagt, dass ich eine realistische Hoffnung habe zu meinen Lebzeiten noch mitzubekommen, dass es außerhalb der Erde Leben im Universum gibt. Ich glaube, das werden wir schaffen.
Man weiß jetzt, dass unser Sonnensystem eher die Regel als die Ausnahme zu sein scheint. Von jedem Stern, der am Himmel leuchtet können wir ausgehen, dass er von Planeten umrundet wird. Das weiß man erst seit 20 Jahren. Man hat auch viele Planeten gefunden, die im richtigen Abstand zu ihrer Sonne sind. Es herrschen vernünftige Temperaturen auf ihrer Oberfläche und das würde natürlich auch Leben begünstigen. Das Leben scheint recht robust zu sein. Man kann auch Atmosphären schon untersuchen. Wenn wir einen Planeten finden, in dessen Atmosphäre sich Sauerstoff, Kohlendioxid und Methan befinden, kann diese Mischung eigentlich nur biologischen Ursprungs sein. Dann hätte man Leben außerhalb der Erde entdeckt. Das glaube ich, werde ich noch miterleben.
Die fünf bekanntesten Science-Fiction-Serien
Doctor Who (seit 1963): 51 Prozent
Stargate (1997-2011): 55 Prozent
EUReKA - Die geheime Stadt (2006-2012): 58 Prozent
Star Trek (seit 1966): 66 Prozent
Game of Thrones (seit 2011): 82 Prozent
Aber keine Kommunikation mit Aliens?
Ein Funksignal, vielleicht. Wenn man so einen Planeten entdeckt, würde man natürlich sofort alle Antennen auf den richten. Im Augenblick ist das eher wie eine Streubombe, Sie wissen ja gar nicht wo Sie hinhören sollen. Die Kommunikation mit anderen wird natürlich wieder durch die Entfernungen beeinträchtigt. Ein Signal von Proxima Centauri braucht vier Jahre bis es bei uns ist. Wenn wir eine Antwort senden, dauert es wieder vier Jahre, Sie können sich vorstellen: Das ist eine etwas langsamere Form der Kommunikation. Mit anderen Worten: Telefongespräche werden wir nie führen mit irgendwelchen Aliens.
Ich glaube nicht einmal, dass ich noch die Landung eines Menschen auf dem Mars miterleben werde. Das ist einfach im Vergleich eher uninteressant, einen Menschen auf den Mars zu schicken und dann wieder zurück zu holen. Dadurch dass kein Druck dahinter ist, wird man das nicht machen.
Vielen Dank für das Gespräch!