Über den Wolken muss die Freiheit grenzenlos sein, sang Liedermacher Reinhard Mey einst. Das dachten sich Anfang dieses Jahres auch zwölf Briten, die von London nach Bratislava flogen, um einen Junggesellenabschied dort zu feiern.
Die Hälfte von ihnen – darunter der designierte Ehegatte – war dabei so trunken, dass sie ihre Manieren vergaßen. Sie beschimpften und bedrohten Fluggäste, ignorierten Weisungen des Flugpersonals und tobten im Flieger herum.
Die Folge für die Herren zwischen 25 und 28 Jahren: Ein ungeplanter Zwischenstopp in Berlin-Schönefeld, Ausstieg, Empfang durch die Bundespolizei und – wegen Verstoßes gegen das Luftsicherheitsgesetz – Geldstrafen von bis zu 25.000 Euro. Ein teures Vergnügen.
In Boulevardblättchen liest man immer wieder von solchen Fällen: Fluggäste, die die Tür aufreißen wollen, rauchen, die Mitglieder der Crew angreifen, volltrunken sind. US-amerikanische Forscher haben sich das Phänomen der pöbelnden Fluggäste auf Basis von mehr als einer Million Flüge einer nicht genannten Airline genauer angeschaut und ihre Analyse in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlicht.
Katherine DeCelles von der University of Toronto und Michael Norton von der Harvard Business School haben anhand der Daten herausgearbeitet, welche Faktoren renitentes Verhalten in der Luft befördern. Ihr Ergebnis: Vor allem soziale Ungleichheit.
Die häufigsten Zwischenfälle im Flugzeug
Elf Prozent aller Probleme in der Luft, die renitente Fluggäste verursachen, hängen mit dem Rauchen zusammen.
Fast jeder fünfte Zwischenfall (19 Prozent) resultiert aus regelwidrigem Verhalten von Passagieren.
Aggressivität ist für 29 Prozent der Probleme mit Fluggästen verantwortlich.
Häufigste Ursache für Zwischenfälle an Bord von Flugzeugen ist der übertriebene Alkoholkonsum der Passagiere.
In Flugzeugen, in denen es eine erste Klasse gibt, kommt es bei 1,58 von 1000 Flügen zu Zwischenfällen – in Fliegern ohne erste Klasse liegt die Quote lediglich bei 0,14 pro 1000. Der Effekt der Klassentrennung legt die Nerven der Fluggäste demnach genauso blank wie eine neunstündige Verspätung des Flugs.
Ebenfalls interessant: Je deutlicher die soziale Ungleichheit vorgeführt wird, desto intensiver tritt der Effekt zutage. So benehmen sich Passagiere doppelt so oft daneben, wenn sie auf den Weg zu ihren günstigen Economy-Plätzen an den privilegierten Fluggästen vorbei müssen.
Bei Berührung mit den Fluggästen zweiter Klasse steigt übrigens auch die Pöbel-Quote der Business-Class-Passagiere merklich an, so die Forscher: Sie werden dann zwölf Mal häufiger ausfällig.
Die Forscher haben mehrere Einflussfaktoren untersucht, darunter die Größe der Sitze, die Dauer des Flugs, Verspätungen, den Flugzeugtyp – den deutlichsten Anstieg an renitentem Verhalten schreiben sie aber dem Vorhandensein einer ersten Klasse zu.
„Eine räumliche Gestaltung, die Ungleichheit hervorhebt, löst antisoziales Verhalten in Flugzeugen aus“, heißt es in der Studie. Von einer Ursache-Wirkung-Beziehung wollen die Forscher allerdings nicht sprechen, sie betonen, dass ihr Ergebnis lediglich eine Korrelation aufzeigt. „Wir können andere Einflussfaktoren nicht mit Sicherheit ausschließen“, räumen die Autoren ein.