Die zentrale Frage im Realitätscheck der Mars-One-Mission ist die der technischen Machbarkeit: Ist die Raumfahrt in der Lage Menschen lebend auf den Mars zu bringen und dort anzusiedeln? Und: Kann diese private Stiftung aus Holland das finanzieren und auch technisch möglich machen?
Die Fakten lassen sich nachlesen: Zunächst einmal ist Mars One selbst kein Luft-und Raumfahrt-Unternehmen und wird so auch keine Hardware selber bauen. Deshalb soll sämtliches Fachwissen und auch die Techniken eingekauft werden. Geflogen werden soll etwa mit einer SpaceX-Rakete Falcon Heavy. Sie ist eine größere Variante der bereits raumfahrterprobten Falcon 9 und auch laut deutschen Raumfahrexperten theoretisch in der Lage Menschen zum Mars zu transportieren.
Zudem haben zwei große Firmen der Raumfahrtindustrie bekanntermaßen Konzeptstudien für die Mars-One-Mission erarbeitet: Der US-Luft- und Raumfahrtriese Lockheed Martin und die britische Airbus-Tochter SSTL. Bei Lockheed Martin hat Mars One eine Studie für eine Landeplattform für den Mars in Auftrag gegeben.
Grundsätzlich der richtige Schritt, denn der US-Konzern baute auch für die NASA die Phoenix-Landeplattform, die 2008 erfolgreich auf dem Mars aufsetzte. Die Briten von SSTL sind spezialisiert auf kleine Satellitenplattformen. Aus ihrer Werkstatt stammt die Comsat-Plattform, die etwa von der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos genutzt wird.
Allerdings waren beide Unternehmen bislang im Dezember 2013 eben nur mit den Konzeptstudien beauftragt worden. Die Ergebnisse lieferten sie bereits ab. Folgeaufträge scheint Mars One bislang nicht erteilt zu haben. Laut dem auf Raumfahrt spezialisierten US-Nachrichtenmagazin „SpaceNews“ liegen die zwei Robotikentwicklungen auf Eis. Sowohl Lockheed Martin als auch SSTL verwiesen demnach in Statements vom Februar 2015 darauf, dass man auf Rückmeldung warte.
„Daran sehen Sie schon: Mars One geht das Geld aus oder hat selbst kalte Füße bekommen was die Realisierbarkeit betrifft“, sagt Astronaut und Raumfahrtingenieur Ulrich Walter, der an Technische Universität München den Lehrstuhl für Raumfahrttechnik innehat.
Ein weiterer Knackpunkt: Mars One soll die Ergebnisse der Konzeptstudien im vergangenen Jahr erhalten haben – behielt diese aber unter Verschluss. „Ich möchte wetten, da steht nicht nur Gutes drin“, so Walter.
Allerdings ist mittlerweile fast egal, was die Mars-One-Machern den Studien über die Machbarkeit entnommen haben. Je mehr Zeit vergeht, desto unrealistischer wird der Zeitplan ohnehin. „Die NASA arbeitet seit Jahrzehnten daran, hat viel Erfahrung und Fachleute, die an nichts anderem arbeiten - und dann kommt eine private Stiftung, die zwar gutes Marketing macht, aber von der Technik im Grunde keine Ahnung hat und die will so ein Projekt kurzfristig realisieren“, sagt Walter. „Da glauben sie doch selber nicht dran!“
Diese Technik baut SpaceX
Dragon ist das SpaceX-Raumschiff, mit dem die Falcon-9-Rakete startet. Dravon V1 heißt das erste Modell der Dragon-Kapsel, das nur für den Tranpsort von Fracht geeignet ist. Die Dragon V2 hingegen soll demnächst auch Menschen befördern können. So sollen bis zu sieben Personen zur Internationalen Raumstation (ISS) befördert werden. Erstmals startete die Dragon-Kapsel im Dezember 2010. Sie hat ein Volumen von 10 Kubikmetern und eine Nutzlast von mehr 3.000 Kilogramm.
Die Falcon 9 ist eine Trägerrakete, die SpaceX für eine Nutzlast im Orbit von rund 10 und 50 Tonnen entwickelt hat und auch einsetzt. Im Rahmen des Versorgungsprogramms der Internationalen Raumstation ISS wird die Rakete in Verbindung mit dem Dragon-Raumschiff genutzt. Außerdem wird sie kommerziell genutzt. Der erste Start war im Juni 2010.
Die Falcon Heavy ist die neue Riesenrakete von SpaceX die 2015 das erste Mal starten soll. Damit wäre sie dann die stärkste Rakete der Welt. Sie soll mehr als 53 Tonnen in den Orbit befördern können. Sie ist auf der bereits vielfach erfolgreichen Falcon-9-Rakte aufgebaut. 27 Motoren treiben sie an. Zum Vergleich: Wenn sie zündet, ist das vergleichbar mit einer Kraft von rund 15 Flugzeugen des Modells 747. Es gibt nur eine Rakete, die mehr Leistung brachte: die Saturn V Mondrakete, die zuletzt 1973 flog. Die Falcon Heavy ist speziell dafür entwickelt worden, um Menschen ins Weltall zu bringen - ein denkbares Ziel wäre eine bemannte Mond- oder Marsmission.
SpaceX hat aktuell ein konkretes Ziel: Rakten so wieder zu landen, dass sie wiederverwendet werden können, um so die Kosten der Raumfahrt zu senken. Der Faktor wäre enorm: SpaceX könnte sie so um den Faktor 10 senken, heißt es. Dazu wurden der Grasshopper und die Falcon 9 Reusable Development Vehicles (F9R Dev) entwickelt. Es sind experimentelle Raketen für sogenannte suborbitale Flüge - sprich unterhalb des Orbits. Mit ihnen wird derzeit getestet, wie eine Rakete nach dem Start wieder kontrolliert und sicher auf der Erde gelandet werden kann. Erfolgreich waren die Test darin, dass die Rakete aus dem All zurück in die Atmosphäre und auf eine relativ kleine Landeplattform zugesteuert werden kann. Beim Versuch, die Rakete auf einer im Ozean schwimmenden, unbemannten Plattform landen zu lassen, scheiterten die Tests aber bislang. Im April 2015 war es beispielsweise nicht gelungen, die Geschwindigkeit der Rakete so stark zu reduzieren, dass sie auf den Landefüßen zum Stehen kommen konnte. Sie kippte um und zerschellte.
Denn eigentlich wissen die Raumfahrtexperten, wie die Menschen mit der derzeitigen Technik zum Mars, dort überleben könnten und auch wieder zurückkämen. Praktisch ist das Unterfangen aber noch zu heikel. „Unter den momentan gültigen Standards in der Weltraumfahrt ist das so nicht möglich“, glaubt Jaumann. „Theoretisch wird Mars One sagen, die Technologie ist da. Ich sage, die Verlässlichkeit der Technik, die Reparatur-Möglichkeiten sind so gering, dass sie nicht einmal einen Monat überleben - und wir beide haben recht“, sagt auch Walter. „Was theoretisch machbar ist, kann in der Praxis tödlich sein.“