WirtschaftsWoche: Professor Raghunathan, warum sind kluge Menschen unglücklich?
Raj Raghunathan: Weil sie häufiger erfolgreich sind.
Aber das ist doch prima.
Einerseits schon. Wer Erfolg hat, der erhält Zugang zu speziellen Ressourcen und erfährt dadurch eine Steigerung seines Glückes. Etwa wie der Student, der seinen ersten Job bekommt und sich dadurch Dinge leisten kann. Das Problem ist andererseits: Dieses Gefühl hält nicht ewig.
Warum nicht?
Weil wir nicht bemerken, wie schnell wir uns an Umstände gewöhnen. Die neue Situation des Glücks wird irgendwann gewöhnlich, sie verliert ihre Besonderheit. Aber dieses Gefühl wollen wir zurückholen. Daher verwenden wir jede Menge Energie darauf, mehr Geld zu verdienen oder einen höheren Status zu erreichen. Das Dilemma ist aber: Diese Dinge sind keine verlässlichen Faktoren für unser Glück.
Zur Person
Raj Raghunathan hat an der Stern School of Business an der New York University promoviert. Er hat eine Professur an der McCombs School of Business an der University of Texas inne und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Verhaltenspsychologie und der menschlichen Entscheidungsfindung.
Wir streben also ständig nach etwas, und sobald wir es haben, wollen wir mehr davon.
Genau - und dadurch machen wir uns unglücklich. Auf der einen Seite sagen die Leute, dass ihnen Glück sehr wichtig ist. In weltweiten Studien ist das meist das wichtigste Ziel – vor Erfolg, Geld oder Status. Wenn man allerdings Menschen im Alltag beobachtet, wird deutlich, dass sie ihr persönliches Glück für genau diese Dinge opfern. Ich nenne es das fundamentale Glücksparadox: Irgendwie verliert Glück im Alltag seine Priorität.
Warum?
Weil wir keine konkrete Definition davon haben. Wenn etwas sehr abstrakt und wenig spezifisch ist, wird man ihm keine große Wichtigkeit geben. Es ist also extrem wichtig, Glück zu definieren. Das funktioniert, indem man zurück blickt und sich selber fragt, in welchen Situationen und Gelegenheiten man besonders glücklich gewesen ist. Schreiben Sie es auf und Sie werden einen ziemlich guten Überblick darüber haben, welcher emotionale Zustand sie glücklich macht. Sie haben dann ein Portfolio des Glücks: Eine Definition und eine Liste von Dingen, die Sie glücklich machen. Damit lässt sich Lebensqualität erheblich verbessern.
Gibt es ein typisches Verhaltensmuster erfolgreicher Menschen, das unglücklich macht?
Sie vergleichen sich ständig. Es ist einerseits natürlich, dass wir uns mit anderen Menschen messen. Das lässt sich auch nicht verhindern: Es gibt den inneren Drang, sich abzugleichen und herauszufinden, wo man selbst steht. Das ist wichtig, um überhaupt erfolgreich zu werden. Also dient es einem Zweck.
Allerdings hat es einen unguten Nebeneffekt: Wenn man sich selbst mit anderen Menschen nicht um der Selbsterkenntnis willen vergleicht, sondern daraus seine Selbstachtung und Selbstrespekt schöpft, übergibt man den Schlüssel zu seinem eigenen Glück an andere. Man verliert die Kontrolle, denn es beruht dann alles auf der Leistung anderer und nicht mehr auf der eigenen.
Extremer Kontrollwunsch
Worauf muss man noch achten?
Kluge und erfolgreiche Menschen sind häufig anfälliger für Verstandsabhängigkeit: Die Tendenz, alles dauernd überdenken zu wollen und darüber in eine Analyse-Lähmung zu verfallen. Dieses Verhalten resultiert aus der Annahme, dass eine bessere Entscheidung entsteht, wenn man nur lange und intensiv genug darüber nachdenkt …
… was natürlich nicht stimmt.
Nein. Manchmal ist es sogar besser, etwas nicht zu überdenken, sondern nach Bauchgefühl zu handeln. Studien zeigen zum Beispiel, dass Verbraucher, die Kaufentscheidungen überanalysieren, am Ende mit ihrem Einkauf weniger zufrieden sind. Zum einen liegt das daran, dass dieses Überanalysieren dazu führt, dass man alle unterschiedlichen Möglichkeiten kennen lernt. Wenn man dann schließlich die Entscheidung trifft, weiß man also nicht nur, was man bekommt, sondern auch was man nicht bekommt. Das führt zu weniger Zufriedenheit. Zum anderen überlagert das Überanalysieren das Bauchgefühl, das man nicht unterschätzen sollte. Denn es weiß instinktiv, was einem gefällt.
Lotto am Mittwoch: Wie häufig die Deutschen auf das Glücksspiel setzen
In einer stichprobenartigen Umfrage wurden 2015 insgesamt 23.090 Personen ab 14 Jahren gefragt, wie oft sie Lotto am Mittwoch spielen. Die Ergebnisse im Überblick.
Quelle: IFAK; Ipsos; GfK Media and Communication;
0,83 Millionen Personen machten keine Angabe zu ihrem Spielverhalten.
1,18 Millionen Deutsche setzen lediglich einmal in einem halben Jahr auf das Glücksspiel.
1,8 Millionen Menschen versuchen immerhin einmal alle drei Monate ihr Glück bei der Lotto-Ziehung am Mittwoch.
Etwas häufiger - nämlich einmal im Monat - spielen 2,01 Millionen Deutsche Lotto am Mittwoch.
Auch wenn nicht jede Woche: 2,22 Millionen Personen spielten im vergangenen Jahr mindestens zwei Mal pro Monat Lotto am Mittwoch.
Deutlich mehr Umfrageteilnehmer gaben an, nur "selten" Lotto am Mittwoch zu spielen. Laut Hochrechnung war das im Jahr 2015 bei 4,92 Millionen Deutschen der Fall.
Im vergangenen Jahr spielten hochgerechnet 6,44 Millionen Menschen wöchentlich Lotto am Mittwoch.
Die große Mehrheit der Deutschen (49,85 Millionen) hat 2015 ganz auf das Glücksspiel verzichtet und spielte - nach eigenen Angaben - nie.
Gibt es noch weitere Fehler?
Der gesteigerte Kontrollwunsch vieler erfolgreicher Menschen. In Maßen ist der richtig und wichtig, aber in Extremform macht er unglücklich. Das Leben ist per Naturgesetz unsicher und unvorhersehbar. Verbindet man also das eigene Glück einzig mit dem erwarteten Verhalten anderer oder die erwarteten Ergebnisse im Beruf, ist man weniger glücklich. Nur wenn wir Freizeit haben, fühlen wir uns glücklich. Die Schlussfolgerung ist also: Nichts zu tun bedeutet Glück – und Faulheit. Dadurch vertauschen wir aber Ursache und Wirkung. Es geht vielmehr darum, sich Momente zu schaffen, in denen man glücklich ist.
Haben diese Momente einen Zusammenhang mit dem Alter?
Wir haben rausgefunden, dass Glück vor allem mit der eigenen Wertschätzung zusammenhängt. Kinder sind sehr glücklich, aber es wird von Jahr zu Jahr weniger. Einen Tiefpunkt erreichen wir mit 15 oder 16. Das überrascht nicht, schließlich ist da die Zukunft unsicher, die Pubertät vorbei, man fühlt sich wie ein Erwachsener, hat aber nicht die Rechte wie einer. Wir werden dann wieder glücklicher, wenn unsere Lebensplanung klarer wird und wir Zugang zu neuen Ressourcen erhalten – wie etwa Geld.
Der Höhepunkt liegt zwischen 30 und 35, nur um dann wieder rapide abzufallen: Plötzlich bemerken wir nämlich, dass wir zwar auf dem Papier viel besitzen, das aber einfach nicht reicht. All die Dinge, von denen man uns erzählte, dass sie glücklich machen, geben uns nämlich kein dauerhaftes Glück.
Nun gilt in unserer Gesellschaft Erfolg und Arbeit als ein hohes Gut. Gleichzeitig scheint es jede Menge unglückliche Menschen zu geben, die Rate von Burn-out-Erkrankungen und Despressionen ist hoch. Sollten wir uns mehr um das Glück kümmern?
Studien zeigen, dass Glück die Produktivität von Unternehmen verbessert. Glückliche Menschen leisten mehr und sind gesünder, kreativer und kollegialer als ihre unglücklichen Kollegen. Das kann man auch auf ein Land oder eine Gesellschaft übertragen: Glückliche Menschen vertrauen einander mehr, engagieren sich eher in der Gemeinschaft und gehen öfter wählen.