Raumfahrt Goldgräber im Weltall

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Zapfsäule im Orbit

Illustration: Raumsonden analysieren die Felsbrocken mit Kameras, Radaren und Spektrometern Quelle: Javier Zarracina für WirtschaftsWoche

Was aber, wenn eines fernen Tages Terroristen die Technik nutzen, um Asteroiden als Waffe auf die Erde zu lenken? Experten beruhigen: Auf absehbare Zeit bestehe kein Grund zur Sorge. Findlinge von wenigen Metern Größe verglühen beim Eintritt in die Erdatmosphäre – und Riesenfelsen lassen sich mit heutiger Technik allenfalls sachte von ihrer Bahn ablenken, nicht aber einsammeln oder gar wie mit einer Steinschleuder auf Ziele feuern.

Gelänge es dagegen Wissenschaftlern, einen Findling wie 2008 HU4 in eine Umlaufbahn um den Mond zu stupsen, dann erhielten sie ein einmaliges fliegendes Forschungslabor. In Sichtweite der Erde könnten sie mit Sonden den Aufbau des Asteroiden studieren. Astronauten könnten Maschinen testen, die den Fels in seine begehrten Bestandteile zerlegen.

Physiker und Chemiker aus aller Welt haben in den vergangenen Jahrzehnten an Meteoriten und an Mondgestein Verfahren entwickelt, die sich für den Asteroidenbergbau eignen. Zermahlen, erhitzen, magnetisieren, chemisch behandeln – die Arbeitsschritte für eine interplanetare Industrie sind wohlerprobt. Doch ein Versuchsaufbau im Labor ist das eine – der kommerzielle Einsatz im Weltraum etwas ganzes anderes.

Zumal Asteroiden bizarre Eigenschaften haben: Die Schwerkraft auf dem 900-Meter-Brocken 1999 JU3 etwa ist so gering, dass sich ein Bohrhammer ohne Verankerung mit dem ersten Schlag ins All katapultierte. Auch die Reifen eines Fahrzeugs würden auf der Stelle durchdrehen. „Sonden könnten darum nicht auf dem Asteroiden rollen, sondern müssten in meterweiten Bögen hüpfen“, sagt Florian Herrmann, Robotikexperte beim DLR in Oberpfaffenhofen. Eine solche Flohsonde entwickelt er für die nächste Jaxa-Mission, Hayabusa-II.

Jeder Verarbeitungsschritt in Asteroidenbergwerken müsste automatisch ablaufen, weil bemannte Missionen zumindest zu Beginn viel zu teuer wären. Nicht einmal auf der Erde gibt es bisher ein solches Roboterbergwerk. Doch folgt man Visionären wie Asteroidenfachmann Lewis, dann lassen sich die technischen Herausforderungen lösen. In der Folge entsteht zwischen Erde und Mond sogar ein kleiner interplanetarer Bergbau- und Industriepark – ein Eldorado des Sonnensystems.

Dort liefern künftig Sonden Asteroiden an und übergeben sie an Roboter, die sie in Stücke brechen. Fliegende Öfen und Reaktoren, versorgt mit Energie aus Solaranlagen, gewinnen aus den Steinen Metalle oder Sauerstoff. Shuttles schweben heran und holen tonnenweise Platin und Palladium ab. Bei Preisen von knapp 50.000 Dollar je Kilogramm verlieren dann auch die immensen Transportkosten ihren Schrecken.

Wasser aus dem All

Die begehrteste Ressource sind aber weder Platinmetall noch Gold – sondern schlicht Wasser. 20.000 Dollar kostet es, einen Liter davon zur Internationalen Raumstation (ISS) zu bringen. Damit ist Wasser dort 20-mal teurer als Silber auf der Erde. Allein die Europäische Weltraumagentur (Esa) sendet ihren Astronauten jährlich 300 Liter frisches Nass hinauf.

Obwohl es wie Alchemie klingt, ist es längst erprobt, Weltraumgestein Wasser zu entziehen. Edwin Ethridge, Materialwissenschaftler am Nasa Marshall Space Flight Center in Huntsville im US-Staat Alabama, wärmt zermahlene Meteoriten mit Mikrowellen auf, bis das enthaltene Wasser verdampft. Auf einer gekühlten Platte setzt sich der Dampf wieder ab, und zwar in seinem transportfreundlichen Format Eis.

„Wasser ist wahrscheinlich das nützlichste Material im All“, sagt Ethridge. „Es ist zum Beispiel sehr einfach, daraus Treibstoff für Raumschiffe herzustellen.“ Setzt man Wasser mithilfe zweier Elektroden unter Strom, spaltet es sich in Wasserstoff und Sauerstoff. In einem Raketentriebwerk verbrennen beide Stoffe und erzeugen einen Rückstoß.

Heute heben Raketen noch mit riesigen Tanks von der Erde ab. Einer Faustformel zufolge sind 90 Prozent ihres Startgewichts Treibstoff. Ein einziges Kilogramm Material auf den Mond zu bringen kostet darum 200.000 Dollar. Könnten Raumschiffe dagegen im All nachtanken, würden Missionen erheblich preiswerter.

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