Risiken und Nebenwirkungen der Statistik Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet

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Wo leben? In einem Land mit wenig Krebs oder mit viel?

Die folgende Grafik setzt einmal für eine Auswahl von Ländern die Lebenserwartung und den Anteil der Menschen, die an Krebs versterben, in Relation. Wie zu sehen, meldet man die weltweit höchste Lebenserwartung in Japan und in der Schweiz.

Gleichzeitig ist dort auch die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu sterben, am höchsten. In Südafrika werden die Menschen im Durchschnitt nur 50 Jahre alt. Und weniger als 10 Prozent sterben an Krebs. Wo möchten Sie lieber leben? In einem Land mit wenig Krebs oder mit viel?

Was an den Krebs-Mythen dran ist
Die Zahl der Krebs-Neuerkrankungen hat sich laut eines Expertenberichts seit 1970 fast verdoppelt Quelle: dpa
Krebs ist ansteckendDieses Vorurteil hält sich standhaft. Dabei ist wissenschaftlich eindeutig nachgewiesen, dass Krebs weder über den normalen Umgang mit Patienten noch über die Pflege, nicht einmal über Sex, übertragen werden kann. Denn Patienten scheiden die Krebszellen nicht aus. Kommt ein Mensch versehentlich mit Tumorgewebe direkt in Berührung, erkennt das Immunsystem die fremden Körperzellen und eliminiert sie. Derzeit geht die Wissenschaft davon aus, dass dieser Schutzmechanismus sogar funktioniert, wenn man eine Bluttransfusion mit dem Blut eines Krebskranken verabreicht bekommt.Quelle: Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums Quelle: dpa/dpaweb
Abtreibung löst Brustkrebs ausDieses Gerücht ist eine echte Belastung für alle Frauen, die sich im Laufe ihres Lebens einmal gegen ein Kind entscheiden mussten. Ausgangspunkt ist eine Studie aus den USA, die weltweit in den Medien zitiert wurde. Diese legte nahe, dass Abtreibungen das Risiko für ein Mammakarzinom erhöhe. Kritiker bemängelten, dass mit der Studie keine Krebshäufung unter betroffenen Frauen nachgewiesen werden konnte. Auch ließe sich gar nicht ablesen, dass Abtreibung und Brustkrebs ursächlich etwas miteinander zu tun hätten. Mittlerweile wurden fundierte Studien durchgeführt, die zeigen, dass Schwangerschaftsabbrüche und auch ungewollte Fehlgeburten als Risiko für Brustkrebs relativ sicher ausgeschlossen werden können. Quelle: dpa
Zu enge BHs verursachen BrustkrebsAuch diesen Mythos schürte ein Buch aus den USA. Darin hieß es, dass das Abklemmen der Lymphbahnen dazu führe, dass der Stoffwechsel nicht gut funktioniere und Schadstoffe nicht abwandern könnten. Ein Beweis oder eine wissenschaftliche Quelle für diese Behauptung konnten die Autoren jedoch nicht liefern. Inzwischen ist klar: Das Tragen von Büstenhaltern beeinflusst das Brustkrebsrisiko nicht, egal ob zu eng oder gut passend, mit Bügel oder ohne. Quelle: dpa
Viele Lebensmittel sind für Krebspatienten giftigSo viele Ratschläge Freunde und Bekannte auch auf den Lippen haben, eine sogenannte "Krebsdiät" gibt es nicht. Häufig wird vor Kartoffeln, Tomaten oder Schweinefleisch gewarnt, die angeblich giftig für Krebspatienten seien. Tatsächlich enthalten die Nachtschattengewächse Kartoffeln und Tomaten in ihren grünen Pflanzenteilen das schwach giftige Solanin. Krebs fördert dieser Stoff jedoch nicht. Das Gerücht, Schweinefleisch sei schädlich, scheint eher einen weltanschaulichen oder religiösen Hintergrund zu haben. Wissenschaftliche Belege, dass das Fleisch ungesund ist, gibt es jedenfalls nicht. Quelle: dpa
Krebsrisiko steigt nach einer SterilisationFührt eine Durchtrennung der Eileiter oder Samenstränge zur Empfängnisverhütung zu Krebs? Hierauf ist die Antwort nicht so eindeutig zu geben. Bei Frauen konnte die Vermutung, eine Unterbindung der Eileiter führe zu Eierstockkrebs, bislang nicht durch Studien belegt werden. Bei Männern sieht die Sache etwas anders aus: Jahrelang galt eine Vasektomie als ungefährlich. Das Risiko, an Hodenkrebs zu erkranken, scheint tatsächlich nicht anzusteigen. Bei Prostatakrebs hingegen sehen die Wissenschaftler noch offene Fragen. Eine US-Studie die im Journal of Clinical Oncology veröffentlicht wurde und 50.000 Männer über einen Zeitraum von 24 Jahren beobachtete, wies auf einen leichten Anstieg aggressiver Prostatakarzinome nach einer Vasektomie hin. Der Mechanismus dahinter ist aber noch unklar. Quelle: dpa
Übergewicht macht krebskrankEs gibt Studien, die sich mit der Frage beschäftigt haben, ob es einen Zusammenhang zwischen dem eigenen Körpergewicht und Brustkrebs gibt. Und tatsächlich müssen Frauen, die nach den Wechseljahren deutlich übergewichtig sind, mit einer höheren Erkrankungswahrscheinlichkeit leben. Für jüngere Frauen wurde dieser Zusammenhang bisher nicht bestätigt. Laut dem Krebsinformationsdienst laufen hierzu aktuell noch weitere Studien. Quelle: dpa

Auch wenn Krebs für den Einzelnen eine sehr ernste, häufig sogar lebensbedrohliche Diagnose darstellt und die Erforschung der Ursachen zu Recht eine hohe Priorität genießt, ist eine hohe Krebsmortalität ein eher positives Qualitätsmerkmal.

Sterben in einem Land viel Menschen an Krebs, geht es den Menschen eher gut, sterben wenige Menschen an Krebs, geht es den Menschen eher schlecht. Teilt man die an Krebs Verstorbenen nach Altersklassen ein, enthüllt sich sogar das Gegenteil einer wachsenden Krebsgefahr.

Die folgende Tabelle stellt für die Jahre 1970 und 2012 sowie für verschiedene Altersklassen die Zahlen der an Krebs verstorbenen deutschen Frauen einander gegenüber(für Männer gilt Ähnliches).

So viele von je 10.000 deutschen Frauen verschiedener Altersklassen sind an Krebs gestorben:

Alter19702012
0-473
5-962
10-1441
15-1962
20-2483
25-29125
30-342110
35-394521
40-448440
45-4914474
50-54214138
55-59305215
60-64415316
65-69601454
70-74850590
75-791183811
80-8416441154

Wie zu sehen, nimmt die Krebsmortalität mit steigendem Lebensalter dramatisch zu, und zwar zu früheren Zeiten genauso wie heutzutage. Das ist nicht neu und sollte niemanden überraschen. Überraschend ist vielmehr etwas anderes: In allen Altersklassen geht die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu sterben, mit der Zeit zurück! (Zumindest für deutsche Frauen und die Jahre 1970 und 2012.)

Das macht die Warnung vor der Krebsgefahr nochmals um mehrere Grade unglaubwürdiger. Denn von einer „Explosion“ der Todesursache Krebs kann sogar aus zwei Gründen keine Rede sein. Die mit Abstand wichtigste Ursache für die insgesamt zunehmende Mortalität ist einmal der mehr als erfreuliche Umstand, dass immer mehr Menschen in die Altersgruppe 80 plus hineinwachsen, und darüber sollte man sich doch eher freuen.

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