Roboter Wie digitale Dienstboten uns den Alltag erleichtern

Roboter verkaufen Kaffeemaschinen, bringen Frühstück aufs Hotelzimmer, tragen den Müll nach unten – und das ist erst der Anfang. Ein Ausflug in die Welt der hilfreichen Maschinen.

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CeBIT 2015 Quelle: dpa

Sie sehen aus wie echte Menschen, sie sprechen wie Menschen, sie bewegen sich wie Menschen. Und doch sind die Helden, von denen die schwedische Fernsehserie „Real Humans“ erzählt, Maschinenwesen, von Ingenieuren in die Welt gesetzt, um für die Menschen zu arbeiten. Das geht, ganz genregerecht, nicht ohne Konflikte ab, auch blutige.

Es wird Zeit für die Androiden, sich einen PR-Berater zu suchen, um dies schlechte, gern bediente Image loszuwerden. Denn Roboter machen sich daran, unseren Alltag zu erobern, ganz friedlich, ganz dienstbar. Etwa im neuen japanischen High-Tech-Hotel Henn-na in einem Vergnügungspark nahe Nagasaki. In der 72-Zimmer-Herberge sollen ab Juli drei Androiden an der Rezeption das Einchecken übernehmen: brünette weibliche Wesen in blauer Uniform, gefertigt vom japanischen Hersteller Kokoro. Sie suchen Augenkontakt, sprechen gleich in mehreren Sprachen – und sind doch Maschinen.

Es werde das effizienteste Hotel der Welt, kündigte Hideo Sawada, der Präsident des Themenparks, vor Kurzem an. „Künftig übernehmen Roboter 90 Prozent der Hotelarbeiten.“ Im Henn-na sollen nur noch zehn Menschen arbeiten, denn Maschinen werden auch die Koffer tragen und die Flure reinigen. Weil deren Arbeit wenig kostet, gibt es das Zimmer schon ab 60 Dollar.

Androiden im Anmarsch

Für die einen mag es ein Albtraum sein, für andere eine Verlockung: Roboter, die uns begrüßen, bedienen, beraten. Wenn im April die Hannover Messe startet, die größte Industrieschau der Welt, werden die Besucher sie dort fast an jeder Ecke treffen – autonome Transporter, sprechende Androiden, Hände aus Metall, die uns bald allerhand Arbeit im Alltag abnehmen sollen. Nicht nur in Fabriken, sondern auch daheim, im Büro, auf der Baustelle.

Roboter auf Krankenstationen

Während ihre Vorgänger vor allem in Autofabriken monoton vor sich hin schweißten, werden die Neulinge „jetzt mobil, erkennen Gesichter und lernen ständig dazu“, sagt Bernd Liepert, Innovationschef beim Augsburger Roboterhersteller Kuka und Präsident der europäischen Branchenvereinigung EuRobotics AISBL.

In Dutzenden Hospitälern weltweit rollen neuerdings mannshohe Transporter über die Flure, etwa der Medizinschrank Tug vom US-Hersteller Aethon, und bringen Medikamente oder Wäsche auf die Krankenstationen. Ein Restaurant in der chinesischen Millionenstadt Harbin beschäftigt 20 Blechmänner, die Teigtaschen im Wok kochen und auf einem Tablett zum Tisch bringen. Das US-Start-up Knightscope hat in Anlehnung an die gleichnamigen Hollywood-Filme einen Robocop entwickelt, einen eiförmigen Gesellen, der in Bürogebäuden patrouillieren soll – und mit allerlei Sensoren Einbrecher aufspüren.

Eine Armada von Maschinenarbeitern, von digitalen Dienstboten ist im Anmarsch. Optimisten hoffen auf eine neue Wohlstandswelle, mit der Reisen bequemer, Produkte billiger, Alltagsjobs einfacher werden. „Roboter können viele Aufgaben übernehmen, die Menschen heute noch erledigen, und das effizienter und erheblich günstiger“, sagt Alison Sander, Chefin des Bostoner Trendforschungsbüros der Beratung BCG. Laut ihren Berechnungen wächst der Weltmarkt für Roboter bis 2025 auf 67 Milliarden Dollar (siehe Grafik).

Eine Branche unter Strom

Deutsche Hersteller, traditionell stark in der Automatisierungstechnik, haben laut einer Studie der Beratung McKinsey sehr gute Chancen, von dem Boom zu profitieren. Doch die Konkurrenz schläft nicht: Japan, Südkorea und auch die USA wollen bei der Roboterrevolution ganz vorne mitmischen. Spätestens seit Google in den Markt eingestiegen ist und ein Dutzend Robotik- und Software-Start-ups aufgekauft hat, ist die Branche unter Strom. „Das Innovationstempo zieht an“, sagt Branchenvertreter Liepert. „Wir müssen Google zwar nicht fürchten, aber ernst nehmen.“

Drei Trends beschleunigen die Entwicklung: Erstens sind Sensoren spottbillig geworden – vor allem dank des Handybooms. So erkennen Roboter heute zuverlässig Hindernisse, ecken nirgends mehr an. Zweitens haben Computerchips nun genügend Rechenpower, um die Daten von Kameras, Bewegungsmessern und Co. blitzschnell auszuwerten. Dadurch erkennen schlaue Maschinen Gegenstände und können sie mit ihren Metallfingern greifen. Drittens können sie per Internet auf riesige Datenbanken zugreifen, die ihnen neue Funktionen verleihen. So gibt es etwa vernetztes Spielzeug, das sich mit Kindern unterhält – dank des Sprachverständnisses von IBMs Supercomputer Watson (siehe Seite 68).

Maßanzug für Jedermann

Vorreiter ist die Industrie. Um sich auf dem Weltmarkt zu bewähren, suchen Hersteller stetig nach Maschinen, die Produkte billiger, vielseitiger, schneller fertigen. Herkömmliche Roboter, Stahlhünen hinter Gittern, sind teuer, umständlich zu programmieren, zu gefährlich für Menschen.

Die neuen Fleißarbeiter sind darum viel kleiner, beweglicher und rücksichtsvoller. Es sind Kunstarme wie UR5 vom dänischen Anbieter Universal Robots: Der ist gut 18 Kilogramm leicht, schnell aufzubauen – und stoppt sofort, sobald ihm ein Mensch in die Quere kommt. „Solche Roboter“, so BCG-Expertin Sander, „verändern fundamental, wie wir produzieren.“

Denn je billiger und handlicher die Maschinen werden, desto mehr Jobs können sie übernehmen. Plötzlich können auch Handwerker oder Lebensmittelhersteller Arbeitsschritte automatisieren. UR5 etwa sortiert Eierkartons, schweißt Spülbecken und befestigt Dichtungen bei BMW so ausdauernd an Autotüren, wie kein Mensch es könnte. Der Roboterarm des norwegischen Start-ups nLink wiederum bohrt Löcher in Betondecken, fünf Mal schneller als menschliche Arbeiter.

Kleine Fabriken lassen sich bald binnen Stunden aufbauen, hofft Gordon Cheng, Informatikprofessor an der Technischen Universität München (siehe WirtschaftsWoche 7/2015). Erst auf der Fahrt zum Kunden soll ein 3-D-Drucker im Laderaum des Transportlasters die nötigen Greifwerkzeuge fertigen. Vor Ort kann dann jedermann den Roboter in dessen Job einweisen: Er führt per Hand den Greifarm, sodass die Maschine den Bewegungsablauf lernt wie ein Kind das Tennisspielen. Binnen Minuten sortiert die mobile Fabrik Obst in Kartons oder lackiert Rasierapparate.

Eine Million Mitarbeiter vor Jobverlust

Der Boom der flexiblen Robo-Kollegen verspricht vor allem eins: billigere, bessere Produkte. Laut BCG kostet UR5 in einem US-Elektronikwerk pro Stunde vier Dollar, ein Arbeiter 24 Dollar. 2025 sollen Fabriken pro beschäftigten Mitarbeiter fast 30 Prozent mehr Güter ausspucken, die Arbeitskosten im Schnitt um 18 Prozent sinken.

Was Verbraucher freut, zwingt Beschäftigte zum Umsatteln. Der taiwanesische Auftragshersteller Foxconn etwa, der unter anderem für Apple das iPhone produziert, will in den nächsten drei Jahren 70 Prozent seiner Fließbandarbeit an Roboter übergeben. Langfristig müssen sich viele der allein in China mehr als eine Million Mitarbeiter wohl eine neue Stelle suchen.

Das könnte bald dramatisch die gesamte globale Arbeitsteilung verschieben, glaubt BCG-Expertin Sander. Billiglohnländer verlören ihren Standortvorteil, während Nationen mit starker Roboterbranche wieder wettbewerbsfähiger würden.

Welche Assistenzsysteme es schon gibt und wann Roboter das Steuer komplett übernehmen

Sogar die Schneidereien der Welt, Länder wie Bangladesch, bekommen Konkurrenz. So entwickelt das US-Start-up Softwear Automation eine Nähmaschine, die komplette Kleidungsstücke schneidert – dank schlauer Software, optischer Bilderkennung und Greifern, die Stoffe millimetergenau zurechtlegen. „Wir arbeiten mit großen Modemarken daran, die Produktion zurück in die USA zu holen“, sagt Valerie Uhlir, Marketingchefin der Firma.

Maßgefertigte Kleidung soll damit erheblich preiswerter werden als heute. „In den kommenden Jahren wird Luxusmode für jeden verfügbar“, prophezeit Uhlir, „nicht nur für Leute in New York oder London.“ Zwar könnte das viele Menschen ihren Job kosten. Doch in zahlreichen Ländern werden Fachkräfte heute schon knapp – sie könnten mit Robotern produktiver werden. Auch ihrer Gesundheit dient die Automatisierung: Dumpfe und dreckige Jobs erledigen künftig Maschinen.

Lotse im Baumarkt

Auch dem Handel steht ein radikaler Wandel bevor. Etwa durch vollautomatische Supermärkte, die rund um die Uhr geöffnet haben – und wie ein riesiger Kaugummiautomat funktionieren: Roboter mit Greifarmen rollen durch die Gänge, legen die gewünschten Produkte in einen Korb, die der Kunde an einer Schleuse abholt.

Das mag abwegig klingen, aber Online-Händler Amazon hat schon jetzt einen Wettbewerb für Greifroboter ins Leben gerufen. Forscher sollen Maschinen entwickeln, die verschiedenste Objekte erkennen, fassen und in Regale sortieren. Heute packen noch Tausende Kommissionierer in den Lagern die Pakete. Bald könnten das Maschinen erledigen – und den Versand noch preiswerter und schneller machen.

Hilfe, ein Roboter klaut meinen Job!

Auch der stationäre Handel bereitet sich schon auf die Ära der Serviceroboter vor. In einigen Apotheken stapeln inzwischen metallene Greifarme, etwa vom Münchner Start-up Magazino, die Tausenden Medikamentenschachteln. Auf Knopfdruck sucht die Maschine binnen Sekunden die gewünschte Arznei heraus. Im Berliner Schuhladen Solebox wiederum bringt ein baumstammdicker Roboterarm den Kunden Slipper und Pumps zur Anprobe. In einer japanischen Filiale der Marke Crocs kamen die Kunststoffschuhe neulich sogar per Drohne herbeigeflogen.

Servicekräfte aus Metall haben ihre Vorzüge: Sie werden nie müde, sind immer höflich – und brauchen statt einer Weiterbildung nur ein Update via Internet.

Roboter ersetzen keine Fachverkäufer

Vom Aussterben bedroht könnte darum bald etwa der Zimmerbote im Hotel sein. Im kalifornischen Cupertino erledigt seit vergangenem Sommer ein rollender Roboter namens Botlr den Job: Im Aloft Hotel der Starwood-Kette liefert er Schampus und Kaviar aufs Zimmer. Der Blech-Butler vom US-Start-up Savioke weicht Hindernissen aus, bedient den Aufzug und lässt das Zimmertelefon klingeln, wenn er vor der Tür steht. Anklopfen klappt noch nicht.

Sogar als Verkäufer sind erste Roboter beschäftigt: In einer Filiale der US-Kette Orchard Supply Hardware in San Jose hilft ein mannshoher rollender Bildschirm den Besuchern. Der OSHbot, entwickelt vom US-Unternehmen Fellow Robots, weiß, wo der Hammer hängt – oder jeder andere Artikel, den das Geschäft verkauft. Er versteht, was Kunden ihn fragen, und lotst sie zum richtigen Regal.

Roboter mögen noch nicht den Fachverkäufer ersetzen – Hilfe und Attraktion sind sie heute schon. Etwa der Androide Nao, ein rund 60 Zentimeter großer Roboter des französischen Herstellers Aldebaran, der läuft, tanzt und spricht: In den Filialen der französischen Elektronikkette Darty erläutert Nao die Vorzüge von Flachbildfernsehern oder vernetzten Glühlampen. Er schaut den Kunden direkt ins Gesicht, stellt ihnen einfache Fragen, und wenn jemand lacht, lacht er mit.

„Nao versteht Sprache und Gesichtsausdrücke“, bewirbt Laura Bokobza, Marketingchefin bei Aldebaran, die schlaue Maschine, „und mit jedem Update wird er intelligenter.“ In Japan stattet die Firma 1000 Kaffeeläden von Nestlé mit Robotern aus, die Kaffeemaschinen anpreisen.

Wo führt das alles hin? Im schlechten Fall steht uns eine Welt bevor, in der uns das begriffsstutzige Computerwesen von der Telefonhotline jetzt auch am Bahnschalter begegnet, nur in 3-D. Im besten Fall treffen wir auf Androiden, die uns den Alltag sogar in den eigenen vier Wänden erleichtern.

Putzkraft fürs Bad

Im Haushalt helfen, das ist der Job von Coro, Doro und Oro. Die drei Roboter, mannshoch und mit freundlichen Gesichtern, rollen als dienstbare Hausgeister durch die Flure eines Wohngebäudes in der toskanischen Gemeinde Peccioli und kümmern sich zuvorkommend um die Bewohner. Sie reagieren auf Befehle per App oder Sprache. Coro hat eine kleine Ladefläche vor der Brust und nimmt an der Haustür Pakete entgegen. Doro kann mit einem Greifarm Gegenstände heben und bringt auf Wunsch die Teekanne aus der Küche. Oro weicht mühelos Hindernissen aus, lässt sich von den Blechkollegen Müllsäcke geben, lädt sie draußen ab und bringt vom Tante-Emma-Laden um die Ecke die Einkäufe mit.

Das Trio ist Teil eines Tests, das Gebäude ein Großlabor, die Bewohner sind Probanden. Forscher des EU-Projekts Robot-Era wollen herausfinden, wie Maschinen uns zur Seite stehen können. Profitieren könnten vor allem Senioren, die nicht mehr gut zu Fuß sind, erklärt Filippo Cavallo, Assistenzprofessor an der Scuola Superiore Sant’Anna in Pisa und ein Koordinator des Projekts.

Per Laser und Ultraschall navigieren sich Roboter inzwischen unfallfrei durch ihnen unbekannte Räume. Und „schon in drei bis fünf Jahren“, glaubt Cavallo, „können sie jeden beliebigen Gegenstand erkennen, greifen und an seinen Platz in der Wohnung bringen“. Und später dann Bad und die Küche putzen.

Roboter als persönliche Assistenten

Noch mag das utopisch klingen. Die meisten Saug-, Wisch- und Mähroboter, die es heute zu kaufen gibt, rollen noch per Zufallsprinzip durch Wohnung oder Garten, bis sie jede Stelle einmal abgefahren haben. Immerhin: Zwischen 2014 und 2017, schätzt der Internationale Verband der Robotikindustrie, werden 31 Millionen dieser dienstbaren Kisten für den privaten Gebrauch verkauft. Dieses Jahr kommen noch deutlich schlauere maschinelle Hausfreunde in den Handel: Jibo aus den USA beispielsweise, ein sprechendes Bildschirmgesicht, lässt sich E-Mails diktieren, bestellt Pizza und erinnert an Termine.

Keecker, eine Art selbstfahrender Diaprojektor, rollt durch die Wohnung, beamt Videos an die Wand, spielt Musik ab und misst, ob es Zeit zum Lüften ist.

Werden uns Roboter bald die Hausschuhe hinterhertragen – und im Alter hegen und pflegen? Viele in der Branche sind davon überzeugt. „Langfristig werden persönliche Assistenten es alten Menschen erlauben, länger in der eigenen Wohnung zu leben“, sagt Ulrich Reiser. Er hat am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart einen Roboterassistenten namens Care-O-Bot entwickelt.

Nötig ist das. Denn die Industrienationen werden rapide älter. In Japan haben die Experten am schnellsten darauf reagiert. Honda will mit seinem Roboter Asimo künftig einen Dienstboten für Senioren anbieten, und das Forschungsinstitut Riken stellte unlängst einen Pflegeroboter vor, der Menschen aus dem Bett hebt und auf einen Stuhl setzt. Robear, ein Kraftpaket mit zwei starken Armen und niedlichem Bärengesicht, soll künftig Pflegern die Arbeit erleichtern.

Japans Premierminister Shinzo Abe ist vom Siegeszug der intelligenten Maschinen längst überzeugt. Zu den Olympischen Sommerspielen in Tokio 2020, verkündete er unlängst, wolle er einen weiteren Wettkampf ausrichten: eine Olympiade für Roboter. Es könnte ein Spaßevent werden – oder der Beginn einer neuen Ära.

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