George Church hat unterdessen einen veritablen Patentstreit angezettelt. Die von ihm und dem Forscher Feng Zhang mitgegründete Firma Editas trieb die Patentierung von Crispr-Cas9 voran – auf der Basis von Zhangs Arbeiten. Gegen diese schon erteilten Patente, auf die Editas zugreifen darf, hat Doudnas Universität jetzt Einspruch erhoben, weil sie ihre Anträge früher eingereicht hat.
Insidern zufolge wird es Jahre dauern, bis die Patentrechte geklärt sind. Das droht die kommerzielle Nutzung der Methode zu erschweren. Zumal Doudnas Ansprüche – und die von Charpentier – noch geprüft werden.
Was Church nicht hindert, sein Netzwerk in alle Richtungen auszubauen. So hat er auch noch das Unternehmen E-Genesis gegründet, das Crispr-Cas9 in der Tierzucht nutzen will. Die Firma kooperiert mit hochkarätigen Reproduktionsmedizinern in der Humanmedizin und Firmen wie dem Start-up OvaScience aus Cambridge. Sie soll eine Art von Eistammzellen vermarkten, die der Harvard-Forscher Jonathan Tilly gefunden haben will. Mit deren Hilfe will er erstmals befruchtungsfähige menschliche Eizellen im großen Stil nachzüchten können. Bisher lassen Ärzte Eizellen für die künstliche Befruchtung mithilfe einer brachialen Hormonkur im weiblichen Körper wachsen und reifen. Neben ethischen Bedenken behindert gerade dieser Mangel an menschlichen Eizellen das fröhliche Basteln am Embryo. Tillys Eistammzellen könnten das ändern.
Embryo-Design ist nur noch eine Frage der Zeit
Die meisten der mit Crispr befassten Forscher und Firmenchefs betonen, dass sie nicht an den Keimzellen – also Eizellen oder Spermien – von Menschen arbeiten wollen. Auch halten hochdekorierte Stammzellforscher wie der deutsche Harvard-Professor Rudolf Jaenisch Tillys Entdeckung für „wissenschaftlich absolut nicht nachvollziehbar“ und „totale Scharlatanerie“. Da aber auch andere Forscher daran arbeiten, die begehrten Eistammzellen aus Körperzellen zu gewinnen, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich jemand am Embryo-Design versucht.
Erste Manuskripte von Fachartikeln über genau solche Versuche kursieren gerade und warten auf ihre Veröffentlichung, bestätigt Jaenisch: „Wir müssen sehr genau darauf achten, was wir zur Publikation zulassen wollen.“ Vieles sei Effekthascherei. Christiane Woopen, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, sieht die Entwicklung mit Sorge. Zwar sei die Gesetzeslage in Deutschland und vielen europäischen Staaten klar: „Keimbahneingriffe am Embryo sind verboten.“ Doch sie weiß auch, dass mit den bereits vorhandenen Möglichkeiten, Embryonen vorgeburtlich zu testen und dann – etwa bei schweren Erkrankungen auch in Deutschland ganz legal – abzutreiben, eine Grenze überschritten sein könnte. Die Fragen zur Keimbahntherapie müssten heute global geregelt werden, sagt Woopen: „Sonst reisen Eltern, die das wünschen, eben in ein Land ohne Verbot.“ Sie will das Thema aufs Programm des nächsten weltweiten Treffens der nationalen Ethikräte setzen, dessen Gastgeberin sie im März 2016 in Berlin ist.
Das ist spät, vielleicht zu spät. Denn andere schaffen Tatsachen, die unser Selbstverständnis als Menschen grundsätzlich infrage stellen. So glaubt Church: „Wir behandeln genetische Erkrankungen immer früher, sicherer und effektiver, damit könnte die Therapie von Embryonen zur akzeptablen Randerscheinung werden.“ Solche Eingriffe würden uns eines Tages ganz normal vorkommen, so wie es heute normal sei, dass Ärzte sehr unruhige Kinder mit Ritalin behandeln oder solche mit einer Hasenscharte operieren: „Genauso werden die neuen Methoden es Eltern ermöglichen, über Verhalten und Aussehen ihrer Kinder zu entscheiden.“