Serie: Künstliche Intelligenz Teil II Der Mann, der Maschinen ein Gehirn gibt

Nvidia-Gründer Jen-Hsun Huang produziert Computerchips für die Roboterrevolution. Porträt eines außergewöhnlichen Vordenkers.

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Jen-Hsun Huang baut die Computerchips für die künstliche Intelligenz. Quelle: dpa Picture-Alliance

An einem regnerischen Mittwoch Ende September sind in Amsterdam die Supermaschinen aus der Zukunft zu Gast: Vor dem Kongresszentrum beim Hauptbahnhof fährt ein selbstfahrender Minibus im Kreis. Drinnen rollt ein Roboter umher und greift mit seinem Stahlarm wie ein Kellner nach einem Glas Wasser. Und nebenan schwebt eine Drohne durch eine Voliere und erkennt Gegenstände auf dem Boden, als sei sie ein Falke.

Der kalifornische Chiphersteller Nvidia hat zur Europakonferenz geladen, und natürlich lässt man da die schlauesten Roboter vorfahren. Kluge Menschen sind auch zugegen: Forscher, Start-up-Gründer und IT-Strategen aus der ganzen Welt drängeln sich am frühen Vormittag im großen Vortragssaal des Gebäudes. Sie wollen den Mann sehen, der Nvidia vor 23 Jahren mitgegründet hat und heute immer noch führt. Jenen Mann, der mit seinem Unternehmen gerade ein neues Computerzeitalter vorantreibt.

Applaus brandet auf, als Jen-Hsun Huang auf die Bühne sprintet. „Wir sind am Beginn einer Revolution“, sagt er. Die Ära der künstlichen Intelligenz sei angebrochen. Microsoft habe Computern gerade beigebracht, Sprache fast zu verstehen wie ein Mensch. Dolmetschen könnten Rechner auch schon zuverlässig. Und neue Software erkenne Bilder besser als menschliche Gehirne: „Bald werden Computer Dinge für uns tun“, prophezeit der Mann auf der Bühne, „die wir uns heute nicht vorstellen können.“ Und das Publikum lauscht, als sei Huang ihr Messias.

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Wie immer trägt der 53-Jährige eine schwarze Lederjacke, schwarze Jeans und schwarze Lederschuhe. Ein Milliardär, der auftritt wie ein Rockstar – das lieben sie in der Techszene, wo der permanente Regelbruch das oberste Prinzip ist.

Auch Huang ist gerade dabei, Nvidia neu zu erfinden. „Künstliche Intelligenz“, sagt er, „ist unser am schnellsten wachsendes Geschäft. Bald werden alle Computerplattformen auf der Technik basieren.“

Die Huang'sche Intelligenz

Mit der Prognose ist er nicht allein. Der Umsatz mit schlauer Software soll laut Berechnungen der Marktforscher von Tractica bis 2025 auf weltweit 36,8 Milliarden Dollar wachsen. Denkende Maschinen, so die Marktforscher, werden Alte pflegen, medizinische Diagnosen stellen, E-Mails beantworten. Und Huang will auch für die nächste Generation der Supermaschinen die Gehirne bauen.

Auf dem Weg dahin ist er schon weit gekommen. Während Kontrahent Intel erst nächstes Jahr einen Computerprozessor für künstliche Intelligenz (KI) vorstellen will, verkauft Nvidia schon seit 2015 welche. Und seit sechs Jahren dienen herkömmliche Nvidia-Chips Entwicklern und Forschern als die Standard-Rechenplattform, um Maschinen das Sehen, Hören und Verstehen beizubringen.

„Nvidia hat als erster großer Hardwarekonzern den jungen Trend Deep Learning erkannt und darauf gesetzt“, sagt Alex Linden, Experte für Machine Learning beim IT-Berater Gartner. „Damit hat Nvidia gegenüber den Konkurrenten einen recht deutlichen Vorsprung.“ Was viel darüber sagt, wie dieser Huang tickt.

Er könne um die Ecke denken wie wenige, sagen die, die ihn gut kennen. Mitarbeiter nennen ihn detailorientiert, perfektionistisch, engagiert – und dabei zugänglich. Vor allem aber scheint ihn die Gegenwart zu langweilen. „In Meetings interessieren ihn keine Vorträge über Unternehmenszahlen, denn die kann er selbst lesen“, sagt sein Europachef Jaap Zuiderveld. „Er möchte lieber verstehen, wohin die Reise geht. Er schaut immer zehn Jahre voraus.“

Es ist der Schlüssel zu seiner Ausnahmekarriere. Geboren 1963 in Taiwan, zieht Huang als Kind mit seinen Eltern nach Thailand. Als sich dort die politische Situation verschärft, senden seine Eltern 1973 den Neunjährigen mit seinem ein Jahr älteren Bruder zu Tante und Onkel, die gerade in die USA immigriert sind. Die wollen die Brüder auf die Highschool schicken, melden sie aber versehentlich auf einer Schule im ländlichen Kentucky an, die für ihre verhaltensauffälligen Schüler berüchtigt ist. Dort muss Huang jeden Nachmittag die Toilette schrubben. Die Mitschüler sind harte Burschen. Er lernt, wieder aufzustehen, wenn er hinfällt.

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