Zwischen “Ingenieur gesucht” und “Ausgeschrieben: Assistenzstelle des Geschäftführers” stand also eines Tages auch: “Astronauten gesucht”. Und dieses Inserat las Alexander Gerst: 36 Jahre alt, aufgewachsen im Städtchen Künzelsau bei Heilbronn, von Berufs wegen weder Leistungssportler noch Kampfpilot - sondern Wissenschaftler. Nach Abitur und Zivildienst studierte er Geophysik am renommierten Karlsruher Institut für Technologie.
Vier Mal reiste er für jeweils zwei bis drei Monate zu Expeditionen in die Antarktis. Für seine Doktorarbeit erforschte er dort den südlichsten aktiven Vulkan der Erde - den 3794 Meter hohen Mount Erebus. “Ich bin es gewohnt, an einen lebensfeindlichen Ort zu gehen”, sagt er, “um Dinge zu erforschen, die auch vor unserer Haustür noch Bedeutung haben können.”
Gersts Karriere als Raumfahrer begann wie die eines LKW-Fahrers: Mit einer schriftlichen Bewerbung. Aber da enden schon die Parallelen. Zunächst nämlich musste Gerst beim Arzt eine Flugtauglichkeitsuntersuchung absolvieren - dazu später mehr. Er bestand, scannte den Nachweis ein und schickte ihn an die Esa. Die antwortete, indem sie Gerst einen Zugangscode zu einem elektronischen Fragebogen im Internet schickte.
Und das war dann schon Prüfung Nummer zwei. Dutzende Fragen musste Gerst beantworten: Welche Ausbildung er abgeschlossen (Diplom), welche wissenschaftliche Expeditionen er durchgeführt (Antarktisvulkan) und welche Erfahrungen er mit dem Steuern von Flugzeugen hatte (keine). 80 Auswahlkriterien hatte das Team von Esoc-Personalchef Danesy in dem Fragebogen versteckt.
Als die Bewerbungsfrist einen Monat später auslief, im Mai 2008, waren 8413 elektronische Bewerbungen bei Danesy eingegangen. Das hieß Arbeit: Der Personalchef wählte aus dem Wust an Lebensläufen, Anschreiben und Fragebögen nun alle versierten Naturwissenschaftler, Techniker und Piloten heraus. Geisteswissenschaftler fielen gleich durchs Raster. 918 Bewerber - nur einer von zehn - rutschten es in die nächste Runde.
Sollten Sie es eines Tages so weit schaffen - weil sie Testpilot, umjubelter Nachwuchsforscher oder ein Genie sind oder weil sie Ihre Bewerbung nur einfach sehr, sehr gut gefälscht haben - dann können Sie sich auf etwas gefasst machen. Denn der Bewerbungsmarathon war noch lange nicht vorbei - in Folge zwei von “Europa sucht den Super-Astronauten” mussten die Kandidaten erst einmal nach Köln kommen.
Dort standen Computer bereit, an denen sie die merkwürdigsten Bilder gezeigt bekamen und darin bestimmte logische Zusammenhänge erkennen mussten. “Wir testen damit unter anderem, wie gut Ihr räumliches Vorstellungsvermögen ist”, sagte mir Recruiting-Chef Danesy. In die Schwerelosigkeit, wo einem nichts auf Anhieb sagt, wo oben und unten ist, sollte man besser nicht fliegen, wenn man schon Probleme hat, die linke von der rechten Socke zu unterscheiden.