Phobos und Deimos - Angst und Terror - so heißen auf altgriechisch die beiden Monde, die um den Mars kreisen. Wenn es nach Buzz Aldrin geht, stehen sie bald für das Gegenteil: Mut und Sicherheit.
Denn in seinem neuen Buch Mission to Mars, das der Ex-Apollo-Astronaut kürzlich der Presse vorgestellt hat, plädiert der Apollo-Astronaut für eine bemannte Mission zum Mars. Und die soll nicht auf dem Planeten selbst beginnen, sondern auf einem seiner Monde - weil es einfacher und sicherer ist, dort zu landen.
Die Vision: Im Jahr 2033 könnte ein Raumschiff Deimos anfliegen und eine Raumstation auf dem Mond installieren. 18 Monate lang würden Astronauten auf dem Mars-Mond leben, einem kalten Steinbrocken, auf dem es keine Luft zum Atmen gibt, dafür aber eine atemberaubende Aussicht auf den roten Planeten: Allein Olympus Mons, der große Mars-Vulkan, erschiene den Astronauten drei mal größer als der Vollmond den Menschen auf der Erde.
Die Geschichte der Mars-Missionen
Dezember 1996 - Das US-Raumschiff „Pathfinder“ startet mit dem Marsrover „Sojourner“ zu unserem Nachbarplaneten. Nach mehreren Fehlversuchen landet mit „Sojourner“ erstmals 1997 ein ferngesteuertes Fahrzeug erfolgreich auf unserem Nachbarplaneten und sendet Daten zur Erde.
Juni 2003 - Der Mars-Landeroboter „Spirit“ der Nasa hebt vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral ab. Im Juli wird nach mehrfachen Startverschiebungen auch sein Zwilling „Opportunity“ losgeschickt.
Januar 2004 - Nach einer mehr als 480 Millionen Kilometer langen Reise setzt „Spirit“ sicher auf dem Mars auf. Das kleine Roboterfahrzeug soll nach Spuren von Leben suchen. Am 1. April findet „Spirit“ Hinweise auf früher existierendes Wasser. Drei Wochen nach „Spirit“ landet auch „Opportunity“ auf der anderen Seite des Planeten.
Mai 2009 - „Spirit“ bleibt im Marssand stecken. Alle Versuche der Nasa, ihn zu befreien, scheitern. Im Mai 2011- rund siebeneinhalb Jahre nach seiner Landung auf dem Mars - nimmt die Nasa Abschied von „Spirit“. Wie die Behörde mitteilt, wird sie ihre Versuche einstellen, Kontakt zu dem Roboterfahrzeug aufzunehmen. Die letzte Kommunikation gab es 14 Monate zuvor.
November 2011 - Der neue Rover „Curiosity“ wird auf die Reise zum Mars geschickt. Er soll sein Ziel am 6. August 2012 erreichen. Der Roboter soll dann nach organischen Materialien suchen und herausfinden, wie lebensfreundlich oder auch -feindlich der Planet einst war und ist.
Januar 2012 - „Opportunity“ ist bereits sensationelle acht Jahre auf dem Mars im Einsatz. Erwartet worden waren nur 90 Tage.
Februar 2012 - Nasa-Chef Charles Bolden gibt bekannt, dass die US-Weltraumbehörde aus Spargründen aus zwei gemeinsam mit der Europäischen Raumfahrtbehörde Esa geplanten Marsmissionen aussteigt. Dazu gehört eine für 2018 geplante Landung eines Rovers auf dem Planeten, der Gesteine und Boden zur späteren Beförderung auf die Erde sammeln soll.
August 2012 - Im Kontrollzentrum in Kalifornien brachen Jubel und Applaus aus, als das unbemannte Erkundungsfahrzeug am 6. August um 7.32 Uhr (MESZ) im Gale-Krater nahe des Mars-Äquators aufsetzte. „Curiosity“ hat die Größe eines kleinen Autos und wiegt fast eine Tonne – viel mehr als „Spirit“ oder „Opportunity“. Daher gestaltete sich auch die Landung äußerst schwierig. Um die Wucht des Aufpralls abzufangen, wurde die Sonde von einer Art schwebendem, Raketen betriebenem Rucksack abgeseilt, die Halteseile bei der Landung gekappt und der Rucksack in einiger Entfernung zum Absturz gebracht.
Der Vorschlag, erst zu einem Mond zu fliegen, um von dort den Mars zu erobern, ist nur eine von mehreren ungewöhnlichen Ideen, mit denen Aldrin nun die Debatte um die Zukunft bemannter Missionen zum Mars anheizt. So sollen kosmische Fähren zwischen Erde und Mars kursieren und Passagiere aufnehmen. Vor allem aber will Aldrin will nicht nur einen Erkundungstrupp zum Mars schicken, sondern Siedler. Wie die ersten Einwanderer, die den Westen der USA besiedelten, sollen Astronauten sich auf Dauer auf dem Mars häuslich einrichten.
Startups planen Mars-Missionen
Was lange als ferne Vision erschien, ist heute greifbarer denn je: Die US-Weltraumbehörde NASA hat mit ihrem Curiosity-Rover bewiesen, dass auch schwere Raumschiffe sicher auf dem roten Planeten landen können. Mehrere weitere Missionen sind in der Vorbereitung, während die NASA obendrein ihre erste bemannte Mission in den weiten Weltraum vorbereitet, die im Jahr 2025 zu einem Asteroiden führen soll. Unterdessen planen gleich mehrere Startups ihre eigene bemannte Mars-Mission - darunter Mars One aus den Niederlanden und Inspiration Mars aus den USA.
Die zwölf Männer auf dem Mond
Insgesamt sind sechs bemannte amerikanische Apollo-Expeditionen auf dem Erdtrabanten gelandet: 20. Juli 1969: Apollo 11 setzt im „Meer der Ruhe“ (Mare Tranquilitatis) auf. Am 21. Juli 1969 um 3.56 Uhr (MEZ) landeten Neil Armstrong und Edwin Aldrin auf dem Mond.
19. November 1969: Nur vier Monate später landet Apollo 12 im Oceanus Procellarum. Charles Conrad und Alan Bean betreten die Mondoberfläche.
Die Apollo-13-Mission scheiterte im April 1970. Nach einer schweren Explosion an Bord kehrt die Mannschaft nach einer Mondschleife sofort zur Erde zurück.
5. Februar 1971: Apollo 14 setzt am Landeplatz Fra Mauro auf. Alan Shepard und Edgar Mitchell steigen aus, Shepard spielt Golf auf dem Mond.
30. Juli 1971: An Bord von Apollo 15 landet zum ersten Mal ein Mondauto auf dem Erdtrabanten. David Scott und James Irvin erkunden damit die Umgebung der Landestelle in den Hadley-Apenninen und sammeln fast 80 Kilogramm Gesteinsproben.
21. April 1972: Auf der Descartes-Hochebene setzt Apollo 16 auf. John Young und Charles Duke untersuchen erstmals eine lunare Hochebene und fahren knapp 27 Kilometer mit dem Mondauto.
11. Dezember 1972: Als bislang letztes bemanntes Raumschiff landet Apollo 17 auf dem Mond. Eugene Cernan und Harrison Schmitt erkunden mit dem Mondauto die Taurus-Littrow-Region. Die Kamera des Mondautos filmt den Rückstart von Apollo 17 zur Erde.
Aldrin nutzt das Momentum, um für eine staatliche bemannte Mars-Mission zu plädieren. Technisch sei das machbar, ist er überzeugt. Und der Mann weiß, wovon er spricht: 1969 betrat er als zweiter Mensch nach Neil Armstrong den Mond. Seitdem hat er ein Raumfahrt-Unternehmen gegründet, ist mit Barack Obama als Weltraum-Experte in der Air Force One geflogen und als Starredner auf unzähligen Weltraumkonferenzen aufgetreten.
Mit seinem Buch will Aldrin nun einen Weg vorzeichnen, wie die führenden Raumfahrtnationen der Welt zusammen in den kommenden Jahrzehnten den Mars dauerhaft besiedeln können. Es ist eine kühne Vision, gespickt mit spannenden Anekdoten aus Aldrins eigener Raumfahrer-Vergangenheit.
Der Geruch des Mondes
"Eine der stärksten Empfindungen, an die ich mich erinnere, ist der Geruch des Mondes", schreibt er. "Neil und ich betraten die Eagle-Mondlandefähre und füllten unser kleines Heim weit entfernt von der Heimat mit Druckluft. Mondsand überzog unsere Raumanzüge und Geräte, und er hatte einen bestimmten Odeur, wie verbrannte Holzkohle oder die Asche in einem Feuerplatz."
Wissenschaftler hatten die Befürchtung, dass sich der Mondsand in Verbindung mit Luft entzünden könnte. Gezielt setzten Neil und Buzz eine Probe Sand der Kabinenluft aus, immer bereit, sie aus dem Raumschiff zu werfen, wenn sie sich entzünden sollte. Doch nichts passierte.
Auch lernt der Leser, dass die beiden ersten Menschen auf dem Mond während ihres zweieinhalbstündigen Aufenthalts zwar Aufgaben zu erledigen hatten, aber keinen klaren Ablaufplan. "Wir wurde auf die Oberfläche des Mondes geschickt und sollten eine Checkliste aus dem Gedächtnis abarbeiten", verrät Aldrin. "Die Flagge hissen, Steinproben-Behälter aufstellen, Experimente in Gang setzen." Immer wieder fragten sich die beiden Astronauten, wohlgemerkt auf einer der wichtigsten Missionen der Menschheitsgeschichte: Was kommt als nächstes?
Ein Lager auf Deimos
Den Trip zum Mars stellt sich Aldrin dagegen um einiges ausgetüftelter vor. Bevor die ersten Astronauten den roten Planeten betreten, sollen Roboter ihn genauer inspizieren. Sie werden ferngesteuert von Raumfahrern, die auf dem Mond Deimos ein Lager aufschlagen. Von hier dauern die Funksignale bis in den letzten Marskrater hin und zurück nur Millisekunden - von der Erde aus bis zu 40 Minuten. Mit diesem Kniff ließen sich auch ganze Wohnmodule ferngesteuert auf den Mars setzen und in Gang bringen, bis die ersten Astronauten später tatsächlich dort einziehen.
Dafür aber müssen die Planeten-Siedler erst einmal von der Erde anreisen, und auch hierfür hat Aldrin einen originellen Vorschlag. Statt ein Raumschiff von Cape Canaveral direkt auf den Weg in den Marssand zu schicken, soll sich zunächst ein Raumgleiter auf eine Kreisbahn begeben, auf der ihn die Gravitation der Himmelskörper fast von selbst immer wieder zwischen Erde und Mars pendeln lässt. Sonden und Astronauten könnten dann wie bei einem Skilift aufspringen und sich mitnehmen lassen. Nur noch wenig Treibstoff wäre für die Reise nötig, bei leichten Kurskorrekturen etwa.
Es geht um die Zukunft der Menschheit
Aber warum das Ganze? Aldrin geht es nicht nur um Rekorde. Es geht ihn um wissenschaftliche Erkenntnisse, etwa Hinweise auf Leben jenseits der Erde. Es geht ihm um Sicherheit, die künftige Missionen in den tiefen Weltraum schaffen, indem sie bedrohliche Asteroiden von einem Kurs auf die Erde abbringen. Und es geht ihm um die Zukunft der Menschheit: Um zu überlegen, glaubt er, müsse sie auch den Mars in einen bewohnbaren Planeten verwandeln - langfristig sogar mit Terraforming, also der Umwandlung der Atmosphäre und Bepflanzung des Marsbodens mit Vegetation.
Das klingt heute noch nach Science-Fiction. Aber viel konkreter sind Ideen, die bereits heute Startups wie Planetary Resources und Shackelton Energy verfolgen: Sie wollen Rohstoffe im Weltraum schürfen - seltene Metalle, Wasser, Sauerstoffe - und damit Raumschiffe und auch die Erde versorgen. Der Mars, glaubt Aldrin, könne für solche Unterfangen eine gute Basis sein.
"Erde, Mond und Mars werden eine himmlische Triade bilden", schreibt er. "Sie werden geschäftige Häfen für die Ebbe und Flut von Passagieren bilden." Und zu denen sollen dann nicht nur Wissenschaftler und Bergleute zählen, sondern auch Touristen. Sie werden laut Aldrin schon in diesem Jahrzehnt in Scharen ins All strömen, zuerst an den Rand der Atmosphäre, dann zum Mond und bald auch zum Mars.
Wan aber könnte der Startschuss für Aldrins Mission zum Mars ertönen? Im Jahr 2019, hofft der Weltraum-Pionier. Dann jährt sich sein legendärer Besuch auf dem Mond zum 50. Mal. Damals wollten die USA der Welt ihre Stärke beweisen. In Zukunft, hofft Aldrin, werden sie mit anderen Nationen zusammenarbeiten - und zusammen die Menschheit zu einer Zivilisation machen, die mehrere Planeten besiedelt.