Sternstunde

Harte Jungs und Mädels im All – was Astronauten aushalten müssen

Meike Lorenzen
Meike Lorenzen Ehem. Redakteurin Technologie WirtschaftsWoche Online

Der Flug in die Weiten des Weltraums ist nicht ungefährlich. Welche Auswirkungen die Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper hat.

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Der italienische Astronaut Luca Parmitano vor seinem Flug zur Internationalen Raumstation (ISS). Quelle: REUTERS

Einmal die Erde aus dem Weltall bestaunen – das ist ein Traum, der nur wenigen gewährt wird. Wer sich nicht zum Astronauten ausbilden lässt, muss tief in die Tasche greifen. Die Multimillionärin Anousheh Ansari flog 2006 als erste Weltraumtouristin für satte 16 Millionen Euro ins All. Sie ist bisher die einzige Frau, die diese Summe aufgebracht hat. Insgesamt haben es sieben Menschen als Touristen in den Weltraum geschafft.

Sie und die Astronauten sind vor allem harten Strapazen ausgesetzt: Wer unseren Planeten aus der Ferne sehen will, muss mit Kopfschmerzen, Übelkeit und schwindenden Muskeln leben. Ohne eine gute Vorbereitung, kann der Flug ins All ernsthaft gefährlich werden. Ein Überblick über den Einfluss der Schwerkraft auf den menschlichen Körper:

Blut im Kopf

Auf der Erde pumpt das menschliche Herz das Blut von unten nach oben. So kommt das Blut zum Beispiel aus den Füßen zurück zum Herzen oder vom Herzen hoch in den Kopf. Dabei muss das Herz gegen die Schwerkraft anpumpen.

Im Weltall herrscht aber Schwerelosigkeit. Dort gibt es keine Schwerkraft, gegen die das Herz anpumpen muss. Das Blut fließt genauso einfach nach oben wie nach unten. Also muss das Herz eines Astronauten eigentlich gar nicht so schwer arbeiten wie auf der Erde. Tut es aber trotzdem.

Der Körper des Astronauten muss sich erst an die neue Umgebung gewöhnen und das dauert ein paar Wochen. So lange pumpt das Herz kräftig weiter. Der Astronaut hat deswegen mehr Blut im Kopf als sonst. Etwa eineinhalb Liter Flüssigkeit gelangen so in den Kopf und lässt ihn leicht geschwollen und größer aussehen. „Puffy Face“ wird das im Fachjargon genannt. Folgen können massive Kopfschmerzen sein. Gleichzeitig fehlt das Blut an den Beinen. Kalte Füße und dünnere Beine sind die Folge.

Landen die Astronauten wieder auf der Erde, wird durch die Gravitation plötzlich so viel Blut aus dem Kopf abgezogen, dass eine Ohnmacht kaum zu vermeiden ist.

Knochen und Muskeln schwinden

Die Meilensteine der bemannten Raumfahrt
Der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin in seinem Raumanzug kurz vor seinem Start zum ersten bemannten Weltraumflug. Quelle: dpa
Satellit mit Namen Sputnik Quelle: dpa
Mit der Hündin "Laika" fliegt in Sputnik 2 das erste Lebewesen in eine Erdumlaufbahn. Sie stirbt nach wenigen Tagen, Foto: AP Quelle: AP
John Glenn umrundet als erster Amerikaner die Erde Quelle: Reuters
Der sowjetische Kosmonaut Alexei Leonow verließ sein Raumschiff und schwebte als erster Mensch im Weltraum, Foto: Nasa Images Quelle: Presse
Neil Armstrong auf dem Mond Quelle: NASA
astronaut Eugene Cernan auf dem Mond Quelle: REUTERS

Neben der hohen Strahlung im All sind der Knochen- und der Muskelabbau eines der wichtigsten medizinischen Probleme. In der Schwerelosigkeit geht monatlich bis zu eineinhalb Prozent Knochensubstanz verloren. Besonders betroffen sind der Hüft- und der Wirbelsäulenbereich. Weil Arme und Beine gar nicht mehr belastet werden, bilden sich die Muskeln zurück.

Der Muskel- und Knochenschwund ist im All nicht das größte Problem, erst bei der Rückkehr auf die Erde werden die Konsequenzen deutlich. Langsam muss der Körper wieder aufgebaut und trainiert werden.

Eingeklemmte Nerven

Ohne die Gravitation können sich die Wirbelsäule und die Bandscheiben viel besser entspannen. Die Astronauten wachsen regelrecht, um etwa zwei Zentimeter. Das Resultat sind nicht selten starke Schmerzen, weil die Lendenwirbel auf die Nerven drücken.

Müdigkeit

Weil das Blut anders durch den Körper fließt, wird auch die linke Herzkammer um bis zu zehn Prozent kleiner. Auch die Zahl der roten Blutkörperchen sinkt. Der Körper wird nicht mehr so stark mit Sauerstoff versorgt, so dass Menschen im All häufig müder sind als auf der Erde.

Weltraumkrankheit

So richtig hungrig sind Astronauten nicht. Jeder zweite Astronaut klagt über Appetitlosigkeit. Dabei ist die Weltraumküche lange nicht mehr so schlecht, wie sie in den Anfängen der bemannten Raumfahrt war.

Kulinarische Highlights im All
Als Astronautennahrung werden alle Lebensmittel bezeichnet, die Raumfahrer während ihrer Mission mitführen. Meist werden die Nahrungsmittel in Plastiktüten, Tuben oder Dosen verpackt. Bildquelle: Esa Quelle: Presse
Der erste Mensch im All, der in den Genuss von Weltraumnahrung kam, war der russische Kosmonaut Juri Gagarin (1934-1968). In den 60er Jahren waren das vor allem kleingepresste Würfel, um den Raumfahrer mit Fetten, Proteinen und Vitaminen zu versorgen. Als Getränk diente meist sterilisiertes Apfelmus, da die Speisen leicht verdaulich sein mussten. Quelle: dapd
Später wurde das Essen getrocknet und in Plastikbehältern mitgenommen. Mit Wasser ließ es sich dann wieder zu einer Mahlzeit aufquellen. Auf dem Bild demonstriert NASA-Astronaut Edward Lu seine Reismahlzeit während seines Aufenthaltes auf der Internationalen Raumstation im Jahr 2003. Quelle: Presse
Heutzutage können sich die Astronauten ihre Weltraummenüs selbst zusammenstellen. Über 100 Speisen und 20 Getränke stehen dafür zur Auswahl. Lange bevor sie ins All fliegen, wählen die Astronauten ihre Tagesmenüs aus. Es gibt drei Mahlzeiten am Tag. Dazu kommen Snacks, die jederzeit gegessen werden dürfen. Hier sitzen die NASA-Astronauten Edward Lu und Roscosmos-Kosmonaut Juri Malentschenko zusammen und bereiten sich gerade ihre Mahlzeit im Swesda-Modul der Internationalen Raumstation zu. Nur im russischen Swesda-Modul gibt es einen Tisch, an dem die Mannschaft sich zu den Mahlzeiten zusammenfinden kann. Quelle: Presse
Wirklich verzichten müssen die Raumfahrer also nicht mehr. Eine komplette Mahlzeit aus getrockneten Tomaten, Brot, Käse und Pfirsich. Quelle: Presse
Frisches Obst und Gemüse sind auf der Internationalen Raumstation eine Rarität. Beides kann nur sporadisch mit den alle drei bis vier Wochen ankommenden Transportraumschiffen geliefert werden. Die Freude über die Frischkost ist so groß, dass die beiden NASA-Astronauten Shane Kimbrough und Sandra Magnus noch ein aussagekräftiges Foto mit den Delikatessen machen, bevor sie kräftig zubeißen. Quelle: Presse
ESA-Astronaut Paolo Nespoli, hat aus gutem Grund zu einem langstieligen Löffel gegriffen. Dieser ist praktisch, um auch wirklich alles von der speziell für die Internationale Raumstation kreierten italienischen Mahlzeit aus der Tüte herauszubekommen. Nespoli musste wie alle Astronauten auf der Raumstation besonders darauf achten, viel Calcium zu sich zu nehmen, da die Schwerelosigkeit den Knochen massiv zusetzt. Quelle: Presse

Grund ist meist die Weltraumkrankheit, die letztlich die gleichen Gründe und auch Symptome wie die Seekrankheit hat. Während es auf See durch den Wellengang schaukelt, schweben Astronauten durch die Luft. In beiden Fällen gibt es keinen festen Grund unter den Füßen. Normalerweise üben winzige Kristalle im Gleichgewichtsorgan des Innenohres einen Druck auf die Sinneshärchen aus, die auf diesem Weg dem Körper die Richtung der Schwerkraft anzeigen. In der Schwerelosigkeit fällt dieser Effekt weg, so dass es kein oben und kein unten mehr gibt. Der Körper reagiert mit Erbrechen und Schweißausbrüchen – bis sich der Körper daran gewöhnt hat.

Unterstützt wird das ganze durch eine optische Überforderung, da die Augen ständig unterschiedliche Informationen geliefert bekommen. Hat sich der Körper endlich an diesen Zustand gewöhnt, geht es meist wieder auf die Erde, wo das ganze Spiel andersherum wieder von statten geht. Der Körper muss sich erneut an die Schwerkraft gewöhnen.

Gereizte Haut

Unsere Haut reguliert unter anderem den Wasser- und Temperaturhaushalt des Körpers und verhindert das Eindringen von Krankheitserregern. Außerdem schützt sie vor UV-Strahlung. Im All wird die Haut besonders beansprucht. Forschungen des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR) haben gezeigt, dass die Haut der Astronauten während ihres sechsmonatigen Aufenthalts auf der Internationalen Raumstation (ISS) sich ähnlich verändert, wie der Alterungsprozess bei Menschen auf der Erde. Die Oberflächenstruktur der Haut wir gröber, die Elastizität nimmt ab. Die gute Nachricht: Die Haut bleibt nicht alt. Sie regeneriert sich wieder und sieht nach etwa einem Jahr wieder normal aus. Aktuell wird daran geforscht, welchen Einfluss Anti-Aging-Wirkstoffe haben könnten. Dafür beobachtet aktuell ISS-Astronaut Luca Parmitano seine Haut sehr genau mit bestimmten Messmethoden. So überprüft er den Wasserverlust seiner Haut und hält mit einer Kamera die Veränderungen der Hautoberfläche fest.

Starke Sprüche aus dem All
Die erste Mondlandung war auch ein Ereignis der großen Gesten und pathetischen Worte. Neil Armstrongs erster Satz beim Verlassen der Landefähre ist längst Legende. Dass es auch ein paar Nummern kleiner geht, belegt die folgende Auswahl von Sprüchen aus dem All. Quelle: AP
"Hat man eine Erde gesehen, hat man alle gesehen."Harrison Schmitt (Apollo 17) über den Anblick der Erde aus dem All. Quelle: NASA
"Oh Gott, was ist das für ein Ding!" Vorschlag von Michael Collins, Apollo 11, für die ersten Worte eines Menschen auf dem Mond. Quelle: NASA
"Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Schritt für die Menschheit."Neil Armstrongs (Apollo 11) Worte beim Verlassen der Mondlandefähre belegen, dass Collins' Vorschlag letztlich nicht angenommen wurde. Quelle: NASA
"Für Neil mag es ein kleiner Schritt gewesen sein, für mich ist es ein großer."Charles Conrad (Apollo 12), dritter Mensch auf dem Mond, beim Verlassen der Landefähre. Conrad war der kleinste aller Apollo-Astronauten, die den Mond betraten. Quelle: NASA
"Wir sind hier die Nummer 1 auf der Rollbahn."Edwin Aldrin (Apollo 11), nachdem er vom Kontrollzentrum der Nasa die Freigabe für den Start von der Mondoberfläche erhalten hatte. Quelle: NASA
"Houston, den Weihnachtsmann gibt es wirklich."James Lovell (Apollo 8) nach einer Mondumrundung, bei der die Apollo-8-Astronauten als erste Menschen die Rückseite des Mondes gesehen hatten. Quelle: NASA

Studien der amerikanischen Weltraumbehörde NASA zeigen, dass Hautprobleme weit vorne auf der Rangliste gesundheitlicher Probleme im All stehen. Neben dem Alterungsprozess und dem Juckreiz zählen auch Verzögerungen bei der Wundheilung und allergische Reaktionen auf Materialien dazu.

Astronauten weinen nicht

Eines der gängigen Gerüchte ist, dass Astronauten im Weltall nicht weinen können. Das funktioniert durchaus. Doch während die Tränen auf der Erde nach unten gezogen werden und so über die Wangen laufen, sammelt sich das Wasser im All und schwebt regelrecht über das Gesicht. Je mehr ein Mensch im All weint, umso größer wird auch dieser Wasserball. Der kanadische Raumfahrer Chris Hadfield hat bei seinem Besuch auf der Internationalen Raumstation (ISS) vorgeführt, was passiert, wenn im All die Tränen fließen.


Drei Raumfahrer machen sich auf den Weg ins All
US-Astronautin Karen Nyberg, der Russe Fjodor Jurtschichin und European Space Agency-Astronaut Luca Parmitano starten ihre Mission. Quelle: AP
Nyberg, Jurtschichin und Parmitano werden mit einem Bus zur Abschuss-Rampe gebracht. Die Raumfahrer sollen bereits nach etwa sechs Stunden Flug den Außenposten der Menschheit in rund 410 Kilometern Höhe erreichen. Es ist der zweite „Expressflug“ einer bemannten Sojus - bis vor kurzem dauerte die Reise fast zwei Tage. Quelle: AP
Noch einmal Abschied nehmen durch die Scheiben des Busses. Luca Parmitano winkt seiner kleinen Tochter zu. Der 36-jährige Italiener ist der erste Europäer auf der ISS nach etwa einem Jahr. Der bisher letzte Europäer auf der ISS war der Niederländer André Kuipers, der am 1. Juli 2012 zur Erde zurückgekehrt war. Quelle: REUTERS
Fjodor Jurtschichin und Luca Parmitano kurz vor ihrem Abflug ins All. Ihre Rückkehr zur Erde ist für November geplant. Quelle: AP
Fjodor Jurtschichin winkt zum Abschied, ehe er die Sojus-Raumkapsel in der kasachischen Steppe betritt. Quelle: AP
Karen Nyberg und Luca Parmitano zeigen sich vor dem Abflug gut gelaunt. Durch die Glasscheibe durften sie noch einmal zu ihren Angehörigen sprechen. Quelle: AP
Mit einer Sojus-FG-Rakete wird die Raumkapsel gen Himmel geschossen, die die drei Wissenschaftler an Bord der ISS bringen soll. Quelle: AP

Die Strapazen auf den menschlichen Körper sind im All insgesamt so stark, dass die Raumfahrer nach ihrer Rückkehr auf die Erde einige Zeit zur Erholung benötigen. Besonders betrifft das natürlich die Berufsastronauten, die in der Regel sechs Monate an Bord der ISS bleiben. Nach ihrer Rückkehr sind sie in der Regel nicht in der Lage selbständig zu stehen. Chris Hadfield sagte nach seiner Rückkehr, dass er sich wie eine Laborratte fühle. So intensiv stand er unter der Beobachtung der Ärzte, die genau verfolgten wie sich das Herz-Kreislaufsystem wieder an die Schwerkraft anpasste.

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