Sternstunde

Mit Billigraketen auf Weltraumreise

Andreas Menn Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche
Andreas Menn Redakteur Innovation & Digitales

Hotels im Orbit, Erzminen auf Asteroiden, Pauschalreisen in die Schwerelosigkeit: Mit kühnen Ideen will eine neue Generation von jungen Unternehmen eine Industrie im Weltraum aufbauen. Raumgleiter und Billigraketen machen Flüge ins All so erschwinglich wie nie zuvor.

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Space Adventures - Trip zum Mond: In vier Jahren schickt der Raumfahrtunternehmer Eric Anderson zwei Touristen auf einen Flug um den Mond. Quelle: Presse

Wer eine Milliarde Dollar besitzt, lebt auf der Erde wie ein König. Aber wer den Planeten verlassen will, kommt auch mit so viel Geld nicht weit - mit viel Glück 400 Kilometer bis zur Raumstation ISS. Flugtickets zum Mars, zu den Kometen oder zu den Sternen sind nirgends aufzutreiben.

Die Menschheit sitzt auf ihrer blauen Kugel fest wie ein Schiffbrüchiger im All.

Doch damit will sich ein Club aus Superreichen nicht abfinden. Wenn es keine Airline ins All gibt, so lautet ihr Motto, dann gründen wir eben eine.

Robert Bigelow, der mit seiner Hotelkette Budget Suites of America zum Milliardär geworden ist, entwickelt eine aufblasbare Raumstation aus High-Tech-Fasern, in der Astronauten ab 2015 um die Erde kreisen.

Richard Branson, Milliardär und Chef des britischen Musik- und Luftfahrtkonzerns Virgin, baut in New Mexico ein Raumschiff samt Weltraumbahnhof, das ab 2014 Touristen ins All fliegen soll.

Nur ein kleiner Fleck im All
Dieser Schnappschuss von Erde und Mond (Pfeil) ist der Raumsonde Cassini geglückt. Die eigentlich zur Erkundung des Planeten Saturn ausgeschickte Sonde befand sich zum Zeitpunkt der Aufnahme rund 1,4 Milliarden Kilometer von unserem Heimatplaneten entfernt. Möglich wurde der Schnappschuss, weil die Sonne zum Zeitpunkt der Aufnahme hinter dem Planeten stand, dessen Rand man oben links erkennt, zusammen mit einem Teil seines bekannten Ringsystems. Bei einer anderen Sonnenposition wären Erde und Mond durch das Licht unseres Zentralgestirns überstrahlt worden. Quelle: dpa
Dieses 1972 von Astronauten der Nasa-Mondmission Apollo 17 gemachte Bild ist ein echter Klassiker. Als "Blue Marble" - so der Titel des Fotos - präsentierte sich die Erde den Raumfahrern aus einer Distanz von 45.000 Kilometern. Quelle: NASA
Neil Armstrong und Buzz Aldrin waren nicht nur die beiden ersten Menschen auf dem Mond, sie konnten auch als erste Betrachter diesen Anblick genießen: Die Erde geht über dem Mondhorizont auf. Klar, dass sie von diesem Ereignis ein Foto zur Erde funkten. Quelle: NASA
Erde und Mond auf einem Bild vereint - was uns heute alltäglich erscheint, war in den frühen Tagen der Raumsonde Voyager 1 eine Sensation. Am 18. September 1977 funkte die Sonde diesen Schnappschuss aus gut 11 Millionen Kilometern zur Erde, um sich dann auf ihre weite Reise durch das Sonnensystem zu machen. Quelle: NASA
Ein gutes Stück näher war die Sonde Galileo, als sie auf ihrem Weg zum Jupiter einen Blick zurück auf Erde und Mond warf. Doch nicht nur die geringere Distanz zwischen Kamera und Motiv - "nur" rund 6 Millionen Kilometer - sorgte für eine höhere Bildqualität im Vergleich zum Voyager-Bild, auch die Technik war ein gehöriges Stück weiter - das Galileo-Bild entstand 1992. Quelle: NASA
Zugegeben, besonders eindrucksvoll wirkt die Erde auf diesem Bild nicht gerade. Und doch hat diese Aufnahme aus dem Jahr 2004 großen historischen Wert: Erstmals wurde unser Heimatplanet von der Oberfläche eines anderen Planeten aus fotografiert. Den kleinen Lichtpunkt am Himmel über dem Planeten Mars fing die Kamera des Nasa-Rovers Spirit ein. Zum Zeitpunkt der Aufnahme betrug die Entfernung zwischen beiden Planeten rund 65 Millionen Kilometer. Quelle: NASA
Auch dieses Bild der Erde wurde von einer Marssonde gemacht, dem Mars Global Surveyor. Die nachträglich eingefügten Details in der rechten Darstellung verdeutlichen, welchen Teil unseres Heimatplaneten die Sonde aus knapp 140 Millionen Kilometern ins Bild setzte. Quelle: NASA

Und Eric Anderson, Gründer des US-Raumfahrt-Startups Space Adventures, will 2017 einen Rundflug um den Mond arrangieren. Zwei Tickets hat er verkauft, angeblich für 150 Millionen Dollar pro Stück.

Vor allem im Kreise der Internet-Mogule gehört es fast zum guten Ton, sein eigenes Raumfahrt-Startup zu gründen: Amazon-Erfinder Jeff Bezos konstruiert mit seinem Startup Blue Origin ein Raumschiff für Touristen. Microsoft-Mitgründer Paul Allen entwickelt mit einem Jet namens Stratolaunch das größte Flugzeug der Welt, das als fliegende Raketenstartrampe dienen soll. Google-Chef Larry Page wiederum finanziert die Pläne von Planetary Resources, Rohstoffe auf Asteroiden abzubauen.

Es herrscht ein Weltraumfieber wie Anfang der Sechzigerjahre, als US-Präsident John F. Kennedy beschloss, den ersten Menschen zum Mond zu schießen. Anders aber als beim Apollo-Programm geht es nicht um ein Duell von Supermächten. Die neuen Himmelsstürmer wollen den Weltraum nicht aus Prestigegründen erobern, sie wollen ihn wirtschaftlich erschließen.

Die Raumfahrt, die mehr als 50 Jahre lang eine Domäne staatlicher Agenturen wie Nasa oder Esa war, wird zum Projekt privater Investoren - und das All zum Emerging Market. "Fast im Wochentakt stellt ein neues Raumfahrt-Startup seine Pläne vor", sagt James Pura, Präsident der einflussreichen Space-Frontier-Stiftung, die den Weltraum besiedeln will, "und alle in der Szene fragen sich, welches davon den nächsten Milliardär hervorbringt."

Auslöser der Gründerwelle war der Ansari X-Prize, ein Wettbewerb, den der US-Unternehmer Peter Diamandis Mitte der Neunzigerjahre ausschrieb. Er versprach zehn Millionen Dollar Preisgeld für das erste Unternehmen, das einen Menschen mindestens 100 Kilometer hoch fliegen würde, an jene Schwelle also, ab der offiziell der Weltraum beginnt. Im Jahr 2004 gewann das US-Raumfahrtunternehmen Scaled Composites mit seinem Raumgleiter SpaceShipOne den Preis. Der Erfolg elektrisierte die gesamte Branche.

Unterkunft auf dem Mond

Die Raumfahrtträume eines Milliardärs
Microsoft-Mitgründer Paul Allen will die Raumfahrt revolutionieren. Er plant den Bau des bisher größten Flugzeuges auf der Welt, von dem aus Satelliten oder auch Raumfahrzeuge gestartet werden sollen. Quelle: dapd
Die Raumfahrzeuge sollen von dem Flugzeug-Giganten in 10.000 Meter Höhe gebracht werden. Dort erfolgt dann der Start ins All. Quelle: dapd
In den Flugzeugriesen sollen sechs Boeing-747-Triebwerke eingebaut werden. Das Gewicht wird bei 544 Tonnen liegen, die Flügelspannbreite bei 116 Metern. Quelle: dapd
Zum Start und zur Landung benötigt das Flugzeug eine 3,65 Kilometer lange Bahn.
Allens Unternehmen Stratolaunch arbeitet bei der Konstruktion der Maschine mit dem legendären Flugzeugdesigner Burt Rutan (l.) zusammen. Quelle: dapd
Beide hatten bereits bei der Entwicklung des SpaceShipOne kooperiert, das es 2004 als erstes privat gebautes bemanntes Fahrzeug in den Erdorbit schaffte. Quelle: ap
Der erste Flug der Maschine sei innerhalb der nächsten fünf Jahre geplant, so Allen.

Vor drei Jahren fachte die US-Regierung den Gründerboom weiter an, indem sie ihre Raumfahrtstrategie radikal umwarf: Die Nasa sollte nun vor allem den tiefen Weltraum erkunden und bis 2025 Astronauten zu einem Asteroiden bringen. Das teure Spaceshuttle wurde 2011 eingemottet - den Flug zur Raumstation ISS sollten nun kommerzielle Anbieter übernehmen.

Im Auftrag der Nasa baut daher eine wachsende Zahl von Unternehmen Raketen und Raumfähren, um Nahrungsmittel, Labormaterial und Werkzeuge zur ISS zu bringen. Der erste private Lieferflug gelang 2012 dem Startup SpaceX. Sein Gründer, der Milliardär Elon Musk, wurde vor allem durch sein Elektroauto Tesla bekannt - nun will er die Raumfahrt revolutionieren.

Auch das Unternehmen Orbital Sciences und der Luft- und Raumfahrtkonzern Boeing bauen Raumkapseln im Dienste der Nasa, und die Sierra Nevada Corporation im US-Bundesstaat Nevada entwickelt gar einen Nachfolger des Spaceshuttles, der wahrscheinlich im Jahr 2017 startbereit ist.

Dabei wollen die Raumfahrtrebellen die Kosten für Raumflüge radikal senken: Wiederverwendbare Raketen und Raumgleiter sollen den Weltraum auch für Touristen, Forscher und Unternehmer zu Spottpreisen erschließen.

Getrieben von diesem Ziel, entsteht gerade eine ganze Industrie im All. Die kühnen Pläne reichen von Marsflügen für Touristen über Tankstellen im Erdorbit bis zu Stationen auf dem Mond und Erzminen auf Asteroiden. In einigen Jahren soll sich die Weltraumökonomie gar selbst mit Rohstoffen versorgen, die der Mond und andere Himmelskörper im Überfluss bieten.

DSI - Asteroidenmine: Deep Space Industries jagt Asteroiden, um aus ihnen Wasser und kostbare Metalle zu gewinnen. Quelle: Presse

Ferientrip in den Weltraum

Gelingt es, seltene Metalle auch zur Erde zu bringen, dann bricht ein Rohstoffboom aus, der Windräder, Handys oder Elektroautos leistungsstärker und billiger machen könnte, ohne die Natur zu zerstören.

Aber zunächst werden es Touristen sein, die das Geschäft mit dem All ankurbeln. Auf der Web-Seite von Richard Bransons Spaceline Virgin Galactic etwa ist das Zeitalter der Raumfahrt für alle schon angebrochen. Interessenten müssen nur Name, E-Mail und Telefonnummer in ein Formular tippen, um den Trip ihres Lebens zu buchen: eine Pauschalreise in den Weltraum.

Salto wie ein Floh

Am Spaceport America, einem Weltraumbahnhof samt Abflughalle, Hangar und Rollbahn in der Wüste des US-Bundesstaats New Mexico, testet Virgin Galactic ein Raumshuttle namens SpaceShipTwo - den Nachfolger des X-Prize-Gewinners SpaceShipOne. 18 Meter lang, komplett aus Kohlefasern, ähnelt es einem ausgefallenen Privatjet für Multimillionäre.

Aber das täuscht. Wenn sich die ersten sechs Passagiere nächstes Jahr auf den Sitzen anschnallen, steht ihnen die wildeste Achterbahnfahrt bevor, die Touristen buchen können. Festgezurrt auf einem Trägerflugzeug, lässt sich das SpaceShipTwo auf 15 Kilometer hinauftragen, fünf Kilometer über den Linienflug-Korridoren. Dann klinkt es sich aus und zündet sein Raketentriebwerk.

Mit bis zu 4.200 Kilometern pro Stunde schießt der Flieger so schnell wie eine Gewehrkugel - senkrecht in den Himmel. Nach rund vier Minuten Steigflug schalten die beiden Piloten das Triebwerk ab, und es wird still im Cockpit. 110 Kilometer über dem Erdboden gleitet das Schiff durchs All - elfmal höher als Flugzeuge und mehr als ein Viertel des Wegs zur Raumstation ISS. Der Himmel ist tiefschwarz, überall blinken Sterne auf, darunter das blaue Band der Atmosphäre über dem gewölbten Horizont der Erde.

Reisen ins Weltall werden ein Massengeschäft

Curiosity kommt in die Jahre
März 2017Curiosity hat inzwischen deutliche Abnutzungsspuren. Ein Routine-Check der Reifen im März zeigt, dass es am linken mittleren Reifen zwei Brüche der sogenannten Stege im Profil gibt. Der Rover hat während seiner Reise über den Roten Planeten inzwischen etwa 16 Kilometer zurückgelegt. Curiosity-Projektmanager Jim Erickson sagte, alle sechs Reifen hätten trotz der sichtbaren Schäden noch genug Lebenszeit, um den Rover zu allen geplanten Orten zu bringen. Die regelmäßige Überwachung der Reifen wurde eingeführt, nachdem die Forscher im Jahr 2013 deutlich mehr Dellen und Löcher in den Rädern entdeckt hatten, als erwartet worden war. Tests auf der Erde hatten gezeigt, dass der Bruch von drei Stegen zeigt, dass etwa 60 Prozent der Lebenserwartung des Reifens erreicht sind. Curiosity hat aber bereits deutlich mehr als diesen Anteil an der geplanten Strecke zurückgelegt. Quelle: NASA/JPL-Caltech/MSSS
US-Präsident Barack Obama verlässt das Weiße Haus - und auch Curiosity verabschiedet sich. Quelle: Screenshot
Mars: Curiosity untersucht Meteoriten Quelle: NASA, JPL-Caltech, LANL, CNES, IRAP, LPGNantes, CNRS, IAS, MSSS
September 2016Die Kuppen und herausstehenden Felsen aus Schichtgestein am Mount Sharp entstanden wohl aus von Wind abgelagertem Sand. Sie erinnern stark an Wüstenlandschaften auf der Erde, etwa im Grand Canyon oder dem Monument Valley. Quelle: NASA
September 2016Der Rover sendet neue Fotos vom Mars: Im Hintergrund der Aufnahme ist der Rand des Gale-Kraters zu sehen, in dem Curiosity seit 2012 aktiv ist. Geologisch ist die Region besonders interessant, da sie die Untersuchung zahlreicher Gesteinsschichten ermöglicht. Der etwa fünf Kilometer hohe Mount Sharp liegt in der Mitte des Gale-Kraters. Quelle: NASA
Juli 2016Curiosity kann jetzt seine eigenen Ziele für die Laser-Analyse auswählen. Bisher wurden diese von der Erde aus anhand von Fotos ausgewählt. Die Wissenschaftler auf der Erde werden dadurch aber nicht ersetzt: Die neue Funktion soll vor allem dann zum Einsatz kommen, wenn die Nasa-Forscher anderweitig beschäftigt sind. Curiosity sendet auch nicht ständig Bilder, sondern am Ende seiner Wegstrecken. Bisher könnten wichtige Objekte auf Fahrten daher übersehen worden sein. Quelle: NASA
Curiosity: Mars hatte wahrscheinlich einst eine sauerstoffreiche Atmosphäre Quelle: dpa

Sechs Minuten lang herrscht Schwerelosigkeit, denn der Gleiter befindet sich im freien Fall. Die Passagiere schweben wie Astronauten im Raumschiff umher, schlagen Salti und genießen die Aussicht auf den halben Kontinent durch pizzatellergroße Bullaugen. Dann taucht der Gleiter in dichtere Luftschichten, das Leitwerk am Heck - zwei spezielle Flügel - klappt auf und bremst den Sturz. Zweieinhalb Stunden nach dem Start landet das SpaceShipTwo sanft auf der Rollbahn.

Suborbitalflug nennen Experten ein solches Manöver, bei dem ein Raumschiff für wenige Minuten durch den Weltraum streift. Alan Shepard, der erste Amerikaner im Suborbit, wird noch heute als Held gefeiert; die Post in den USA druckte 2011 eine Briefmarke mit seinem Konterfei.

Virgin Galactic bietet die gleiche Reise nun für 250.000 Dollar an; der Konkurrent Xcor Aerospace, der einen Raumgleiter namens Lynx baut, nimmt pro Ticket 100.000 Dollar - nicht mehr, als ein E-Klasse-Mercedes kostet.

Private Sternenflotte

Die Nasa flog ihre Apollo-Astronauten noch in Wegwerfraketen hinauf - die neuen Raumfahrt-Startups dagegen bauen Gleiter, die sich Hunderte Male wiederverwenden lassen. Das spart Kosten.

Und so werden die Trips ins All profitabel. Fast 500 Millionen Dollar Kapital hat Virgin Galactic für die Entwicklung seines Shuttles gesammelt – auch mit dem Verkauf von 650 Tickets, etwa an Hollywood-Schauspieler wie Brad Pitt, Angelina Jolie und Ashton Kutcher. Beim ersten Flug will Milliardär Branson mit seinen beiden Söhnen selbst dabei sein. Konkurrent Xcor hat 250 Vorbestellungen angenommen.

Gehen die Pläne der Raumfahrtrebellen auf, sehen pro Jahr mehr Touristen die Erde von oben als alle 532 Astronauten der vergangenen 52 Jahre. "In den ersten zehn Jahren", sagt Stephen Attenborough, kaufmännischer Chef bei Virgin Galactic, "wollen wir 30.000 Menschen ins All fliegen."

Virgin Galactic - Ausflugsflieger: SpaceShipTwo (Mitte) startet von einem Flugzeug aus mit sechs Touristen zum Raumflug. Quelle: Presse

Vielleicht kommen ein paar Abenteurer bis zum Mars: Der US-Millionär Dennis Tito, der im Jahr 2001 zur ISS flog und so der erste Weltraumtourist wurde, will mit seiner Stiftung Inspiration Mars im Jahr 2018 zwei Menschen bis auf 100 Kilometer zum Roten Planeten und zurück fliegen.

Fünf Jahre später will der Holländer Bas Lansdorp mit seinem Startup Mars One gar vier Raumfahrer dauerhaft auf dem Mars ansiedeln - und ein Fernsehspektakel aus der Reise machen. Sechs Milliarden Dollar will Lansdorp dafür bei Sponsoren und Medienkonzernen sammeln. Mehr als 200.000 Möchtegernastronauten haben sich bei Mars One beworben. Dabei muss die Raumfähre für die Mission noch gebaut werden.

Absehbar ist: Reisen ins Weltall werden ein Massengeschäft. In zehn Jahren, schätzt die Bundesluftfahrtbehörde der USA, wird der Weltraumtourismus zum Milliarden-Dollar-Markt.

Preiswertere Raketenstarts

Die atemberaubenden Twitterbilder der ISS-Astronauten
Ein aktiver Vulkan auf einer Insel – Astronaut Parmitano sieht am 1. Juni bei einem Rundflug um die Erde gleich zwei davon. Er verrät nicht, wo die Aufnahme entstanden ist.Lesen Sie >>hier, wie die Bilder entstanden sind. Quelle: NASA/ESA
Rauch strömt aus der Spitze des Ätna. Der „sizilianische Gigant“, wie Parmitano den Vulkan in Süditalien nennt, ist immer wieder aktiv. Quelle: NASA/ESA
Sonne und Mond gehen gleichzeitig auf – auch für die Astronauten ein besonderer Anblick. Quelle: NASA
Flüsse des brasilianischen Regenwaldes fließen in den Atlantik, in dem sich die untergehende Sonne spiegelt. Quelle: NASA/ESA
Der große Wagen steht am Firmament – was sich bewegt, ist die Erde. Quelle: NASA
Der Nil und sein Delta. Das von Unruhen geplagte Ägypten – von Bord der ISS sieht es nachts ganz friedlich aus. Quelle: NASA/ESA
Detroit, Cleveland und Toronto leuchten hell bis ins All. Rechts deutet sich der Sonnenaufgang an – in Europa ist es schon hell. Quelle: NASA

Aber auf Billigtrips ins All warten nicht nur Abenteurer, sondern auch Forscher unterschiedlichster Disziplinen. Daher will etwa das Startup Booster Space Industries Medizinern, Biologen und Industrieforschern per Suborbitalflug kostengünstig Experimente in der Schwerelosigkeit ermöglichen.

Satellitenbetreiber wiederum hoffen auf preiswertere Raketenstarts. Swiss Space Systems (S3) etwa, ein Startup aus der Schweiz, will bis zu 250 Kilogramm schwere Kleinsatelliten, deren Transport in den Orbit heute 40 Millionen Dollar kostet, bald zu einem Viertel des Preises lancieren: mithilfe eines wiederverwendbaren Shuttles. Es soll auf 80 Kilometer Höhe eine Kapsel mit Raketenantrieb absetzen, die den Rest des Wegs auf bis zu 700 Kilometer Höhe fliegt, wo unter anderem Erdbeobachtungssatelliten kreisen.

Wiederverwendbare Raketen

Den Preisrutsch will S3 nutzen, um in fünf Jahren einen Roboter namens CleanSpace One im All auszusetzen, der mit Greifarmen Schrottteile fängt und zum Verglühen in die Atmosphäre hinabzieht. Bald könnten sich gar Roboter rentieren, die Satelliten reparieren und betanken.

Die größte Billigfluglinie in den Weltraum baut derzeit Tesla-Chef Musk auf. In seinem Raumfahrtunternehmen SpaceX im Städtchen Hawthorne bei Los Angeles arbeiten mehr als 3.000 Mitarbeiter an dem Ziel, Raumfahrt geradezu spottbillig zu machen. Für Musk war das Spaceshuttle der Nasa der Ferrari unter den Raumfahrzeugen - er dagegen möchte den Toyota Corolla bauen: preiswert, aber zuverlässig.

Der Visionär setzt beim Bau der Rakete Falcon 9, die mit 68 Metern so hoch ist wie die Siegessäule im Berliner Tiergarten, auf billige Konstruktion, Standardisierung und Massenfertigung. So sind die Treibstofftanks in beiden Raketenstufen fast baugleich, die oberen sind nur etwas kürzer. Mit der Falcon 9 kostet es nur noch rund 4.300 Dollar, ein Kilogramm Nutzlast in eine niedrige Erdumlaufbahn zu bringen. Bisher rechneten Raumfahrtagenturen mit 10.000 Dollar und mehr.

Space-X - Fähre im Orbit: Elon Musks Dragon-Kapsel liefert im Auftrag der Nasa Astronautenfutter und Werkzeug ins All. Quelle: Presse

Nächstes Jahr will Musk die Kosten gar auf 2.500 Dollar senken. Dazu verbindet er drei Falcon 9 zu einem Super-Geschoss, der Falcon Heavy. Sie schultert 53 Tonnen, mehr als doppelt so viel wie die heute größte Rakete, die Delta IV der Raumfahrtkonzerne Boeing und Lockheed Martin.

Auf einem Testgelände in Texas, zwischen Weiden, auf denen Rinder grasen, entwickelt Musk eine weitere Rakete, die nichts anderes als eine Revolution der Raumfahrt herbeiführen könnte: Sie kann, getragen von ihrem Feuerstrahl, aus dem Weltraum zurückkehren und wieder auf der Startrampe landen, so treffsicher wie ein Helikopter. Sieben Testflüge in bis zu 325 Meter Höhe hat der Grasshopper genannte Flieger, der zehnstöckige Häuser überragt, absolviert.

Gelänge der Flug in den Weltraum und zurück, könnte SpaceX Raketen und Raumkabinen 24 Stunden nach dem Start wieder verwenden. Ähnliche Pläne verfolgt das britische Startup Reaction Engines mit seinem Raumgleiter Skylon, der dank neuartiger Raketendüsen wie ein Flugzeug ins All und zurück fliegen soll.

Mehr als nur das teuerste Hobby der Welt?

Mehrwegraketen könnten die Startkosten pro Kilogramm auf unter 1.100 Dollar senken, hofft Musk. Und noch zu Lebzeiten will er Flüge zum Mars und zurück für 500.000 Dollar anbieten.

Einiges davon mögen Utopien sein. Aber je billiger Raumflüge werden, desto mehr Geschäftsideen entstehen. Hotel-Tycoon Bigelow etwa, der 500 Millionen Dollar in sein Startup Bigelow Aerospace investieren will, möchte seine Raumstation BA 330 auch auf dem Mond platzieren, für Astronauten und vielleicht auch für Touristen.

Lange war es still geworden um den Erdtrabanten. Doch X-Prize-Gründer Diamandis hat mit seinem Wettbewerb Lunar X-Prize einen neuen Ansturm ausgelöst: Im Jahr 2015 wollen mehrere Startups, etwa Moon Express und Astrobotic Technology, Rover im Mondsand landen und herumfahren lassen. 2018 will Moon Express Teleskope auf die Rückseite des Mondes setzen, wo ungetrübte Sicht ins All herrscht. Das US-Startup Golden Spike Company entwickelt gar eine Landefähre für Astronauten - die Nasa benötigte für den ersten Mondflug noch 400.000 Fachkräfte.

Was den Mond so interessant macht, sind seine Rohstoffe. Wasser vom Mond lässt sich in Sauerstoff und Wasserstoff spalten - zwei gute Raketentreibstoffe. Allein in den Kratern am Südpol des Mondes lagern eine Milliarde Tonnen Wassereis - genug, um die nächsten 2.300 Jahre jeden Tag ein Shuttle zu betanken. Wasser könnte auch Astronauten versorgen, Raumschiffe kühlen und Raumstationen vor Strahlung abschirmen.

"Wasser öffnet den Weltraum so wie Gold damals den amerikanischen Westen", glaubt Bill Stone, Gründer des Startups Shackleton Energy. Vom Mond aus ließe sich das Wasser leicht ins All transportieren, glaubt er, da die Gravitation dort sehr gering ist. Stone möchte Astronauten in einer Mondstation ansiedeln, Eis abbauen und alle paar Monate fliegende Tanklaster mit Treibstoff zu schwebenden Zapfsäulen im Erdorbit schicken. Dort besorgen sich Raumschiffe billigen Treibstoff, und Roboter holen Sprit, um Satelliten zu betanken.

Werften im Weltraum

Bis zu 22 Milliarden Dollar will Stone auftreiben, so viel wie für ein Mega-Ölfeld. Steht die Finanzierung, könnte fünf Jahre später die erste Mondmission starten.

Raumfahrt würde dadurch so preiswert, dass ganze Kolonnen ins tiefe Weltall aufbrechen könnten, etwa zu Hunderte Millionen Kilometer entfernten Asteroiden. Auf die haben es die Startups Planetary Resources und Deep Space Industries abgesehen - als Rohstoffquellen. Ab 2015 wollen beide Unternehmen Sonden starten, die Brocken aufstöbern und untersuchen.

Schwebende Minenfahrzeuge sollen die Himmelskörper zerpflücken, Wasser gewinnen und Metalle für den Import zur Erde schürfen. Ein 500-Meter-Asteroid kann laut Planetary Resources mehr Platin enthalten, als die Menschheit je gewonnen hat. Das US-Startup Tethers Unlimited forscht gar an Weltraum-Werften mit 3-D-Druckern und Robotern. Sie sollen die Rohstoffe zu Antennen, Raketendüsen oder Solarzellen verarbeiten.

Ganze Solar-Satelliten ließen sich errichten, glaubt der Weltraumunternehmer John Mankins, die Strom erzeugen, per Mikrowellen-Strahlen auf die Erde schicken - und eine Ära billiger Energie einläuten.

Dann wären die Milliardenprojekte, in die Branson, Musk und Co investieren, mehr als nur das teuerste Hobby der Welt.

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