Nehmen wir an, Sie hätten das schier Unmögliche geschafft - und sich in diese Elite der 22 durchgekämpft. Es wäre ein großartiger Erfolg und Grund genug, sich für eine ziemlich tolle Type zu halten. Allein: Es würde ihnen sehr wahrscheinlich trotzdem nichts nützen. Denn die Esa suchte nicht 22 neue Astronauten - sondern nur sechs.
Nach Monaten voller Prüfungen, medizinischer Tests und psychologischer Befragungen lag die Wahrscheinlichkeit, genommen zu werden, immer noch bei 1 zu 3,7. Eine ziemlich deprimierende Vorstellung - aber für die Esa der einzige Weg, die Besten der Besten zu finden.
Zum Finale traf Gerst die Topmanager der Europäischen Raumfahrtagentur - darunter altgediente Astronauten und hochdotierte Wissenschaftler. In zwei Runden interviewten sie jeden einzelnen der Kandidaten. Bei der zweiten Runde mussten die Bewerber sogar den Esa-Chef selbst überzeugen, Generaldirektor Jean-Jacques Dordain.
Man sollte meinen, dass es ein dichtes Rennen war. Aber für die Esa-Manager schälten sich doch sechs ganz besondere Kandidaten deutlich heraus. “Obwohl wir am Schluss mit wahnsinnig tollen Leuten gearbeitet haben”, erinnert sich Esoc-Personalchef Danesy, “gab es zu der Spitzengruppe noch einmal einen klaren Unterschied - ja, fast einen Klassensprung.”
Im Frühjahr 2009, an einem Montagabend um neun Uhr, saß Alexander Gerst wie so oft in seinem Karlsruher Büro an seiner Doktorarbeit. “Ich wollte gerade Schwimmen gehen”, erinnert er sich. “Doch da klingelte das Telefon.” Er hatte es geschafft.
“Gerst ist hochintelligent”, schwärmt Danesy, “er kommuniziert mit unglaublicher Leichtigkeit und ganz besonderem Humor. Er hat ein unheimliches Gespür für Technik - ich halte ihn für außerordentlich begabt.”
Nach einem Anruf, wie Gerst ihn im Sommer 2009 bekam, hätten andere vielleicht Freunde und Champagner herbeigerufen. Gerst aber ging wie geplant schwimmen. Einen Astronauten darf so schnell nichts aus der Ruhe bringen. Und das sollte er, der Vulkanforscher aus Künzelsau, nun werden: Ein echter Astronaut.
Lesen Sie in zwei Wochen den zweiten Teil: Wie Alexander Gerst sich auf den Flug zur Raumstation ISS vorbereitet.