Sternstunde

Weltraum-Forscher planen bemannte Reise zum Jupiter

Andreas Menn Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche
Andreas Menn Redakteur Innovation & Digitales

Auf einer Internet-Plattform entwerfen Raumfahrt-Experten eine Mission zum Jupitermond Europa - um dort nach außerirdischem Leben zu suchen. Schon steht fest: Es wäre die riskanteste Reise aller Zeiten.

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Es ist das Jahr 2061, als sechs Astronauten zur weitesten Reise aufbrechen, die Menschen je unternommen haben: Hunderte Millionen Kilometer fliegt ihr Raumschiff hinaus ins Sonnensystem, um 21 Monate später auf dem Jupitermond Europa zu landen. Die Raumfahrer sollen nach außerirdischem Leben suchen – doch was sie dort finden, hätte lieber verborgen bleiben sollen.

Das ist der gruselige Plot des Science-Fiction-Thrillers Europa Report, der im Oktober auch in Deutschland in die Kinos kommt. Mit wissenschaftlicher Akribie malen die Hollywood-Filmemacher eine Raumfahrt-Mission aus, die wohl jeder Weltraum-Wissenschaftler gerne verwirklicht sehen würde – weil unter Europas mächtiger Eisdecke ein Ozean sein könnte, in dem Bakterien, Einzeller, ja gar Fische leben.

Was in Hollywood reine Fiktion ist, wollen Forscher nun der Realität ein Stück näher bringen. Anfang September will eine Gruppe von Weltraum-Enthusiasten eine Plattform im Internet freischalten, ihr Name: Objektive Europa. Weltraum-Experten aus aller Welt sollen dort gemeinsam ein Konzept für einen bemannten Flug zum Mond Europa entwickeln.

Die riskanteste Reise aller Zeiten

"Wir wollen noch kein Geld für eine konkrete Mission sammeln", erklärt Kristin von Bengtson, einer der Initiatoren des Projekts, "sondern zuerst einmal herausfinden, wie sie überhaupt möglich wäre." Der Däne ist seit langem von der Idee fasziniert, den fernen Mond zu erkunden, um zu klären, ob wir allein um Universum sind oder nicht. Der Freiberufler, der einen Master in Weltraumwissenschaften abgelegt und bei der US-Weltraumbehörde Nasa gearbeitet hat, ist überzeugt: "Europa ist einer der interessantesten Orte im Sonnensystem - und wir sollten ihn besuchen."

Schon jetzt ist klar: Es wäre die riskanteste Reise aller Zeit. Denn so verlockend eine Expedition zum Eismond Europa für die Wissenschaft ist – die Schwierigkeiten sind enorm. Allein die Strecke, die ein Raumschiff von der Erde zum Jupiter zurücklegen müsste, ist phänomenal weit: Mindestens 588 Millionen Kilometer ist der Riesenplanet von der Erde entfernt – zehn mal weiter als der Mars.

Die Astronauten wären 600 Tage unterwegs, schätzt von Bengtson. Sie müssten also mehr als eineinhalb Jahre in einem engen Raumschiff verbringen, jederzeit der Gefahr ausgesetzt, von massiven Sonnenstürmen verstrahlt oder von Asteroiden getroffen zu werden. Funksignale zur Erde wären viele Minuten, gar Stunden unterwegs.

One-Way-Ticket zu Europa

Und vor allem: Es gäbe keine Aussicht auf eine Rückkehr. Denn Raketen, die so viel Treibstoff an Bord haben, um zur Erde zurückzufliegen, sind noch nicht erfunden. "Astronauten, die zum Mond Europa fliegen, müssten sich für die Mission aufopfern", sagt von Bengtson. Ganz ähnlich wie beim Mars One, einer geplanten privaten Marsmission ohne Rückflug, für die sich schon 80.000 Freiwillige beworben haben.

Die Extrem-Abenteurer müssten sich also auf Europa häuslich einrichten –und hier fangen die Probleme erst richtig an. Denn auf dem Mond herrschen Temperaturen von minus 160 Grad Celsius – und das an den wärmsten Flecken. Anderswo fällt das Thermometer auf minus 220 Grad.

Eine Raumstation im Eis müsste also genug Wärme erzeugen, um die Astronauten am Leben zu halten. Mit Solarpanels dürfte das nicht klappen, denn auf Europa kommt 30 Mal weniger Sonnenlicht an als auf der Erde. Auch ein Treibhaus voller Gemüse müssten die kosmischen Eremiten in Betrieb nehmen, um sich selbst mit Nahrung zu versorgen.

Technologien müssen erst erfunden werden

Auf dem Mars wiegen wir nur die Hälfte
Viele Menschen werden sich freuen: Auf dem Mars reduziert sich das Gewicht - wiegt also jemand 75 Kilo auf der Erde, so ist er auf dem Mars mit 28 Kilo ein Fliegengewicht. Quelle: Reuters
Aufgrund seiner Beschaffenheit würde der Saturn auf dem Wasser schwimmen. Er ist ein Gasplanet und besteht zu 96 Prozent aus Wasserstoff, deshalb weist er auch die geringste mittlere Dichte auf. Der Saturn war schon vor der Erfindung des Fernrohrs bekannt, weil er als äußerster Planet mit dem Auge problemlos zu erkennen ist. Quelle:
Die Mondlandung war ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer für die Menschheit: Insgesamt waren Astronauten bislang 300 Stunden auf dem Mond. Quelle: dpa
Der höchste Berg auf der Erde ist zweifelsohne der Mount Everest mit 8848 Metern. Er wird allerdings vom Olympus Mons auf dem Mars überragt, der 26 Kilometer zählt. Quelle: dapd
Angeblich soll es mehr Sterne geben als Sandkörner auf der Erde: Ein australischer Astronom geht davon aus, dass es etwa 70 Tausend Millionen Millionen Millionen Sterne gibt - und da sind nur die "gezählt", die mit modernen Teleskopen erkennbar sind. Quelle: dpa/dpaweb
Bis auf Merkur und Mars haben alle Planeten in unserem Sonnensystem Monde: Mit 67 Monden hat der Jupiter die meisten. Es folgt der Saturn mit 62 Monden. Quelle: REUTERS
Die Entfernung zwischen Mond und Erde beträgt 384.400 km: Das wird allerdings jedes Jahr ein bisschen mehr. Durchschnittlich in 27 Tagen und sieben Stunden umkreist der Mond die Erde. Quelle: dpa

Noch verzwickter ist die massive Strahlung, die rund um den Jupiter herrscht. Wer sich ungeschützt einen Tag lang dort aufhalten würde, den würde sie umbringen. Mit welchen Mitteln eine Raumstation sich von dieser unsichtbaren Gefahr abschirmen könnte, ist noch völlig offen. "Manche Technologien, die eine Mission zum Jupiter erfordert", sagt von Bengtson, "sind vielleicht noch nicht erfunden."

Ist es angesichts solcher Hürden nicht verrückt, überhaupt über eine solche Mission nachzudenken? "Wir sollten uns häufiger Aufgaben stellen, die uns fordern", findet von Bengtson. "Wir haben heute den Nerv verloren, Risiken einzugehen und uns selbst voranzutreiben." Der Däne hat schon bewiesen, dass er keine leeren Versprechen abgibt: Seit 2008 arbeitet er tagtäglich an einem selbst gebauten Raumschiff, mit dem er ins All fliegen will.

Do it yourself, der Trend dieser Epoche, gilt nun auch für die Eroberung des Alls. "Eine neue Ära der Raumfahrt ist angebrochen", glaubt von Bengtson. "Es sind nicht mehr die Regierungen, sondern die Menschen selbst, die visionäre Weltraum-Projekte in die Hand nehmen."  Dutzende Startups wollen Touristen oder Raumsonden ins All befördern, und sogar auf Crowdfunding-Plattformen wie Kickstarter wurden schon einige Raumfahrt-Projekte erfolgreich finanziert.

Die Ergebnisse könnten die Welt verändern

Aber auch die Raumfahrtagenturen sind an Missionen zu Europa interessiert. Mitte der 90er Jahre schwenkte die Raumsonde Galileo in eine Umlaufbahn um den Mond ein – und funkte spektakuläre Bilder zur Erde. Im Jahr 2022 soll eine Sonde der Europäischen Raumfahrtagentur Esa zum Jupiter aufbrechen und mit Messinstrumenten klären, ob es den vermuteten Ozean unter der Eiskruste tatsächlich gibt.

Würden Astronauten eines Tages Europa tatsächlich anfliegen, böte sich ihnen ein außergewöhnlicher Anblick: Rund, glatt und rötlich schimmernd wie eine Marmorkugel , kreist der Eismond in nur drei Tagen um den 140.000 Kilometer breiten Riesenplaneten Jupiter.  Wer auf dem Trabanten landen würde, beträte eine Eislandschafft voller bizarrer Krater und Furchen.

Würden Wissenschaftler dort Leben finden, hieße das: Es gibt wahrscheinlich noch Millionen weiterer belebter Himmelskörper dort draußen im All. Hätten die Europa-Mikroben auch noch ähnliches Erbgut wie irdisches Leben, dann müssten wir unsere Geschichtsbücher umschreiben. "Es könnte bedeuten", sagt von Bengtson, "dass wir von außerirdischen Lebensformen abstammen, die mit Asteroiden auf die Erde und auf Europa gefallen sind."

Um Leben auf dem Jupitermond zu finden, müssten sich Forscher allerdings durch eine vermutlich bis zu 15 Kilometer dicke Eisdecke bohren oder schmelzen – und dann in den bis zu 100 Kilometer tiefen, verborgenen Ozean eintauchen. Wie das möglich wäre, auch das will von Bengtson mit seinem Projekt herausfinden. Einen kompetenten Mitstreiter für diesen Part hat er schon gefunden: Pierre Cousteau, von Bengtsons Ex-Kommilitone, will bei "Objective Europa" mitarbeiten – er ist der Sohn des berühmten Meeresforschers Jacques Cousteau.

Und auch Weltraum-Laien können sich an dem Projekt beteiligen: Objective Europa sucht zurzeit Grafiker, Programmierer und Foren-Moderatoren für seine Webseite.

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