Sternstunde

Whisky im Weltraum: Die erstaunlichsten Experimente im All

Andreas Menn Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche
Andreas Menn Redakteur Innovation & Digitales

Ferngesteuerte Rover, 3D-Drucker für Mars-Kolonien und Weltraum-Distillen für schottische Drinks: Was Astronauten in der Erdumlaufbahn alles erforschen.

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Die Raumstation ISS über der Erde. Bald könnte guter Whisky nicht nur aus dem Eichenfass, sondern aus dem All kommen Quelle: dpa

Fremde Galaxien, ferne Planeten: Draußen im Weltraum gibt es unendlich viel zu entdecken. Zugleich hat Wissenschaft im All häufig mehr mit dem Leben auf der Erde zu tun als mit fernen Welten – so auch auf der Internationalen Raumstation ISS. Fünf spannende Experimente zeigen, was Forschung in der Schwerelosigkeit für die Erde bedeutet – und wie sie die Erkundung des Weltraums voranbringt.

Autos auf fremden Planeten fernsteuern

Die Außenanlage auf dem Gelände des NASA Ames Research Center sieht ein wenig aus wie ein Skater-Park. Aber hier, unweit des Silicon Valleys, kurven keine Skatebordfahrer oder BMX-Artisten über die Rampen und Hügel – sondern ein Rover, wie er künftig auf dem Mond oder auf fernen Planeten unterwegs sein könnte.

Die Besonderheit: Gesteuert wird das Robo-Fahrzeug nicht etwa von der Erde aus, sondern von Astronauten auf der ISS. Per Funkverbindung und Computersteuerung sollen sie das Vehikel durch künstliche Krater und Hügel navigieren. Es wird das erste Fahrzeug auf der Erde sein, das von Menschen jenseits des Planeten gelenkt wird.

Sinn der Übung ist aber nicht etwa, eine orbitale Verkehrszentrale zu errichten. Vielmehr wollen die Wissenschaftler Erfahrungen darin sammeln, Rover auf dem Mond oder anderen Planeten von einer Raumstation aus zu steuern. So könnten Astronauten etwa von einer Station aus, die auf der Rückseite des Mondes im All schwebt, per Fernsteuerung ein Weltraumteleskop auf dem Mond errichten.

Eine solche Antenne könnte, ungestört von irdischem  Funkverkehr, tief in die Geschichte des Weltalls zurückschauen, indem es Strahlung auffängt, die kurz vor den Urknall entstanden ist. Rover könnten aber auch den Mars untersuchen oder dort eine Raumstation errichten – ferngesteuert von Astronauten, die mehrere Tausend Kilometer entfernt auf dem Mond Deimos stationiert sind, der aufgrund seiner geringen Gravitation für bemannte Raumschiffe leichter zu erreichen ist. Bis dahin braucht es aber gewiss noch ein paar Fahrstunden.

Whisky im Weltraum reifen lassen

Alkohol ist an Bord der ISS verboten – es sei denn, er dient wissenschaftlichen Zwecken. Zu einem solchen befindet sich seit eineinhalb Jahren eine Ampulle mit Whisky auf der Raumstation, vermischt mit einigen Stücken Holz. Die Kernfrage des Experiments: Reift Hochprozentiges anders, wenn es in der Schwerelosigkeit ist – oder anders ausgedrückt: Wird Whisky im All würziger?

Um das zu testen, hat die schottische Whisky-Brennerei Ardbeg zwei identische Ampullen vorbereitet. "Als die Astronauten auf der ISS Holz und Whisky vermischt haben, haben wir auf der Erde zeitgleich dasselbe getan", sagt Bill Lumsden, Chef–Destiller bei Ardbeg. Nun reifen beide Proben vor sich hin, bis die Probe Ende des Jahres auf die Erde zurückkehrt.

Bio-Treibstoff noch grüner machen

Drei Raumfahrer machen sich auf den Weg ins All
US-Astronautin Karen Nyberg, der Russe Fjodor Jurtschichin und European Space Agency-Astronaut Luca Parmitano starten ihre Mission. Quelle: AP
Nyberg, Jurtschichin und Parmitano werden mit einem Bus zur Abschuss-Rampe gebracht. Die Raumfahrer sollen bereits nach etwa sechs Stunden Flug den Außenposten der Menschheit in rund 410 Kilometern Höhe erreichen. Es ist der zweite „Expressflug“ einer bemannten Sojus - bis vor kurzem dauerte die Reise fast zwei Tage. Quelle: AP
Noch einmal Abschied nehmen durch die Scheiben des Busses. Luca Parmitano winkt seiner kleinen Tochter zu. Der 36-jährige Italiener ist der erste Europäer auf der ISS nach etwa einem Jahr. Der bisher letzte Europäer auf der ISS war der Niederländer André Kuipers, der am 1. Juli 2012 zur Erde zurückgekehrt war. Quelle: REUTERS
Fjodor Jurtschichin und Luca Parmitano kurz vor ihrem Abflug ins All. Ihre Rückkehr zur Erde ist für November geplant. Quelle: AP
Fjodor Jurtschichin winkt zum Abschied, ehe er die Sojus-Raumkapsel in der kasachischen Steppe betritt. Quelle: AP
Karen Nyberg und Luca Parmitano zeigen sich vor dem Abflug gut gelaunt. Durch die Glasscheibe durften sie noch einmal zu ihren Angehörigen sprechen. Quelle: AP
Mit einer Sojus-FG-Rakete wird die Raumkapsel gen Himmel geschossen, die die drei Wissenschaftler an Bord der ISS bringen soll. Quelle: AP

Mit Gaschromatografen wollen Forscher dann testen, ob sich im All andere Aromen gebildet haben als auf der Erde. "Üblicherweise reift Whisky drei Jahre in Eichenfässern", sagt Lumsden. "Aber wir lernen über diesen Reifevorgang immer noch etwas dazu." Was das Experiment im All konkret ergeben wird, mag der Destillat-Experte noch nicht vorherzusagen. Doch wer weiß – vielleicht kommt der beste Drink in ein paar Jahrzehnten gar aus Distillen im Orbit?

E10 – das Gemisch aus Benzin und Biosprit - war an deutschen Tankstellen bisher kein Renner. Viele Autofahrer fürchten nämlich, dass die Motoren ihrer Autos Schaden nehmen. Und was viele nicht wissen: Auch bei der Verbrennung von Öko-Treibstoff können unter Umständen giftige Substanzen freigesetzt werden.

Um das künftig zu verhindern, wird der Pflanzensprit nun im Weltraum einer genauen Inspektion unterzogen: In speziellen Behältern wird ISS-Astronaut Luca Parmitano einzelne Tropfen davon kontrolliert verbrennen. Der Hintergrund: Ohne Gravitation brennen Flammen viel gleichmäßiger als auf der Erde – Verbrennungsprozesse lassen sich also ohne Störfaktoren untersuchen.

Die Ergebnisse des Weltraum-Experiments soll ein besseres Verständnis davon liefern, wie sich Biosprit unter idealen Umständen verhält. Anhand dieses Wissens können die Forscher dann vielleicht den Sprit auf der Erde so verändern, dass keine giftigen Gase mehr auftreten.

Zum Mittelpunkt der Erde vordringen

Wie es wohl im Kern der Erde aussehen mag – diese Frage fasziniert Menschen spätestens seit Jules Vernes Science-Fiction-Roman über eine Reise eben dorthin. Auch auf der ISS, 400 Kilometer über dem Erdboden, wollen Forscher nun unserem Planeten tief in die Eingeweide blicken.

Allerdings untersuchen die Astronauten dazu nicht die Erde selbst – sondern ein Modell des Planeten, das im europäischen Columbus-Labor auf der ISS untergebracht ist. In einem Metallgehäuse, groß wie ein Schuhkarton, haben Forscher der Brandenburgisch-Technischen Universität Cottbus die Schichten der Erde nachgebildet: Eine massive Kugel imitiert den Erdkern, eine äußere, hohle Kugel den äußeren Erdmantel.

3D-Objekte im Weltraum drucken

Auf dem Mars wiegen wir nur die Hälfte
Viele Menschen werden sich freuen: Auf dem Mars reduziert sich das Gewicht - wiegt also jemand 75 Kilo auf der Erde, so ist er auf dem Mars mit 28 Kilo ein Fliegengewicht. Quelle: Reuters
Aufgrund seiner Beschaffenheit würde der Saturn auf dem Wasser schwimmen. Er ist ein Gasplanet und besteht zu 96 Prozent aus Wasserstoff, deshalb weist er auch die geringste mittlere Dichte auf. Der Saturn war schon vor der Erfindung des Fernrohrs bekannt, weil er als äußerster Planet mit dem Auge problemlos zu erkennen ist. Quelle:
Die Mondlandung war ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer für die Menschheit: Insgesamt waren Astronauten bislang 300 Stunden auf dem Mond. Quelle: dpa
Der höchste Berg auf der Erde ist zweifelsohne der Mount Everest mit 8848 Metern. Er wird allerdings vom Olympus Mons auf dem Mars überragt, der 26 Kilometer zählt. Quelle: dapd
Angeblich soll es mehr Sterne geben als Sandkörner auf der Erde: Ein australischer Astronom geht davon aus, dass es etwa 70 Tausend Millionen Millionen Millionen Sterne gibt - und da sind nur die "gezählt", die mit modernen Teleskopen erkennbar sind. Quelle: dpa/dpaweb
Bis auf Merkur und Mars haben alle Planeten in unserem Sonnensystem Monde: Mit 67 Monden hat der Jupiter die meisten. Es folgt der Saturn mit 62 Monden. Quelle: REUTERS
Die Entfernung zwischen Mond und Erde beträgt 384.400 km: Das wird allerdings jedes Jahr ein bisschen mehr. Durchschnittlich in 27 Tagen und sieben Stunden umkreist der Mond die Erde. Quelle: dpa

Die flüssige Magma im Innern der Erde simulieren die Forscher durch zähe Flüssigkeiten, die je nach Temperatur mal flüssiger, mal zäher sind. Mit einer elektrischen Spannung baut das Experiment dann ein Kraftfeld rund um den Kern auf, das der Schwerkraft der Erde gleicht. Die beiden Kugel werden gedreht und verschieden stark aufgeheizt. So können die Forscher untersuchen, welche Strömungen um Erdinneren fließen und wie sie zustande kommen.

Auf dem Erdboden würde die Gravitation dieses Experiments unmöglich machen – erst im All kommen die Forscher dem Innersten unseres Planeten auf die Spur.

Jason Dunn hat eine Vision: Künftig sollen Astronauten Kolonien im Weltraum bilden – fliegende Raumstationen, auf denen Menschen leben, Gärten anlegen und das meiste, was sie zum Leben benötigen, in Manufakturen selbst herstellen.

Eine verrückte Idee? Dunn will den ersten Schritt gehen, um sie möglich zu machen: Im Jahr 2014 schickt der Luftfahrtingenieur mit seinem kalifornischen Startup Made in Space einen Drucker auf die ISS, der Schicht für Schicht Werkzeuge, Ersatzteile oder alltägliche Gebrauchsgüter herstellen soll.

Auf der Erde werden solche 3D-Drucker gerade zum Gebrauchsgut – aber im All ist noch kein solches Gerät getestet worden. Auf Parabelflügen, bei denen für rund 20 Sekunden Schwerelosigkeit herrscht, haben die Gründer die Technik schon getestet – nun sollen im Erdorbit eingehendere Experimente folgen.

Wenn alles klappt, müssen die Astronauten auf der ISS künftig Ersatzteile oder neue Werkzeuge künftig nicht mehr bestellen und auf das nächste Versorgungsschiff warten, das den Nachschub bringt – sie können sich Schrauben oder ganze Kugellager stattdessen einfach ausdrucken.

Auch Reisen zu fernen Asteroiden, wie die US-Raumfahrtagentur Nasa sie für das kommende Jahrzehnt plant, würden mit der Technik ein Stück sicherer werden. Und wer weiß: Vielleicht ist der Versuch der Auftakt zu einer völlig neuen Epoche, in der Weltraum-Kolonisten sich aus Fabriken im All versorgen.

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