Studie Futtern fürs Glück

Essen als Erfolgsfaktor: Wie und was wir essen bringt nicht nur mehr Zufriedenheit, sondern auch mehr Erfolg. Diese Zusammenhänge hat nun eine Studie untersucht. Sie zeigt auch: Deutsche sind doch gar keine Genussmuffel.

Von wegen Kultur-Banausen: Was kulinarische Erlebnisse angeht, sind die Deutschen offener, als so manches gängige Klischee vermuten ließe. Dies legt zumindest eine aktuelle Umfrage des Coca-Cola Happiness-Instituts nahe. Demnach kochen 62 Prozent der 2.079 befragten Personen gern, wobei Männer fast genauso gern den Kochlöffel schwingen wie Frauen. Quelle: Presse
Das Verhältnis zu Genuss hat sich im letzten Jahrzehnt verändert. Professor Peter Wippermann, Designer und Trendforscher aus Hamburg und Professor für Kommunikationsdesign an der Folkwang Universität in Essen hat die Studie als Beirat des Happiness-Instituts mit erarbeitet. Er erklärt: „Zu Beginn des neuen Jahrhunderts stand die Qualität der Zutaten und eine neue Zubereitung der Speisen im Mittelpunkt des Interesses.“ Für viele Bundesbürger war laut Wippermann damals wichtig, ob die Lebensmittel aus biologischer Produktion stammten und welche chemischen und physikalischen Prozesse bei einer jeweils gewählten Zubereitungsart wirkten. „Heute beherrschen soziale Themen den Genuss: gemeinsame Zeit mit Freunden und Familie, um zu kochen, zu essen und zu genießen“, sagte Wippermann Handelsblatt Online. Quelle: dpa
Protestierende Veganerin Quelle: dpa
In Zukunft wird vor allem das Thema Zeit beeinflussen, inwiefern die Menschen ihre Mahlzeiten genießen können. Wippermann sieht zwei Perspektiven: Man kann schneller und gesünder kochen oder die ritualisierte Entschleunigung suchen. Ein Musterbeispiel für langsame Zubereitung von Nahrung ist mit Sicherheit der „lebendigste Käse der Welt“, ein Milbenkäse von Pädagoge und Käsehersteller Helmut Pöschel. Dieser wird in seinem Tresor in Zeitz in Sachsen-Anhalt mit vielen Millionen etwa 0,3 Millimeter großen Milben zusammen gereift. Er soll angeblich 100 Jahre alt sein und wurde deshalb von der Genießervereinigung Slow Food in die Arche des Geschmacks aufgenommen – als bewahrenswert langsam reifendes Nahrungsmittel. Während der Milbenkäse so allein vor sich hingedeiht, kochen der Umfrage zufolge auch die Hälfte der Deutschen ihr Süppchen allein. Dies betraf vor allem Frauen, unter denen 55 Prozent der Befragten angaben, lieber für sich zu kochen. Quelle: dpa
In deutschen Mehrpersonenhaushalten entscheiden 54 Prozent der befragten Paare und Familien hingegen gemeinsam, was gekocht wird. Auch um die Zubereitung und den Abwasch kümmern sich die Deutschen gemeinsam. Es gibt aber bestimmte Aufgaben, die für Frauen typischer sind als für Männer: So bereiten zwar 86 Prozent der befragten Frauen, Essen zu, aber nur 64 Prozent Männer. Noch weniger kümmern sich die Männer darum, was man zum kochen braucht: 78 Prozent der Frauen erstellen die Einkaufslisten, während sich nur 46 Prozent der befragten Männer mit dieser Aufgabe befassen. Auf Tischdekoration legen die wenigsten Wert: 37 Prozent der Frauen richten diese gezielt her, nur elf Prozent der Männer machen sich Gedanken dazu. Quelle: dpa
„Der Genuss von gemeinsamen Mahlzeiten liegt in der Kombination von Wohlgefühl, Geschmack und Sättigung. Das gemeinsame Speisen setzt eine gegenseitige Anerkennung der Teilnehmer voraus und schafft dadurch eine Atmosphäre der Entspannung“, sagt Peter Wippermann. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
In deutschen Haushalten wird nach wie vor viel gekocht. Knapp jeder zweite Befragte gibt an, dass im Haushalt an mindestens sechs Tagen pro Woche gekocht wird. Darunter dürften auch viele Berufstätige sein, von ihnen gaben laut Happiness-Institut 40 Prozent an, sechs Mal die Woche oder öfter richtige Mahlzeiten zuzubereiten. 36 Prozent der Arbeitenden fühlten das nicht als Belastung, sie gaben an, gern zu kochen. Doch nicht alle machen sich nach der Arbeit noch selbst einen großen Aufwand, einige gehen auch essen oder genießen am Abend eine Brotzeit. Insgesamt gaben 52 Prozent der berufstätigen Befragten an, mindestens an sechs Tagen die Woche gemeinsam mit den Liebsten ihr Abendessen einzunehmen. Quelle: dpa
Jeweils 27 Prozent sagen, dass sie an ein bis drei oder an vier bis fünf Tagen pro Woche kochen. Insgesamt wird an Wochenenden und freitags häufiger gekocht als an anderen Wochentagen. Am häufigsten schaffen es die Befragten demnach, gemeinsam zu Abend zu essen – das Dinner betrachten vermutlich auch deshalb die meisten als die wichtigste Mahlzeit am Tag. Dies trifft besonders auf arbeitende Personen zu: Für 53 Prozent unter ihnen verknüpft sich das Abendessen laut der Umfrage mit dem Gefühl, sich nach einem langen Arbeitstag nun endlich zurücklehnen zu können. Quelle: dpa
Wenn die Deutschen mit Freunden essen, was nur 14 Prozent der Befragten einmal die Woche oder sogar häufiger schaffen, gehen sie allerdings tatsächlich am liebsten ins Restaurant. Auch wenn die Speisen nicht immer wie im Schlaraffenland durch die Lüfte fliegen – wie in diesem Sushi-Restaurant in London – ist es wohl angenehmer, wenn man die gemeinsame Zeit statt für Vorbereitungen für Gespräche nutzen und jeder wählen kann, was er mag. Quelle: REUTERS
Dabei ist für viele der Interviewten auch wichtig, wie die Mahlzeit abläuft. Zu einer genussvollen Mahlzeit gehören für 80 Prozent demnach gute Gespräche, 77 Prozent wünschen sich dazu unbedingt einen angenehmen Tischnachbarn. Häufige Gesprächsthemen sind Klatsch und Tratsch aus der Familie oder dem Freundeskreis (73 Prozent), aktuelle Nachrichten und Erlebnisse am Arbeitsplatz (je 68 Prozent), die Planung von Urlaub und Freizeit (64 Prozent) sowie das Essen selbst (56 Prozent). Über Beziehungen wird hingegen kaum gesprochen, nur 22 Prozent der Befragten gaben an, diese teils kritischen Themen beim Essen anzuschneiden. Möglicherweise... Quelle: dpa
... ist ein Grund dafür die ohnehin knapp bemessene gemeinsame Zeit, die die Beteiligten nicht durch Streitigkeiten stören wollen. 43 Prozent der Befragten haben weniger als 30 Minuten am Tag für gemeinsame Mahlzeiten übrig, 42 Prozent zwischen einer halben und einer Stunde. In 86 Prozent der Fälle sind allzu unterschiedliche Zeitpläne schuld, 68 Prozent der Befragten gaben an, dass sie manchmal auch durch Alltagsstress daran gehindert würden, sich gemeinsam bei einem guten Essen zu entspannen. Insgesamt werde es immer schwieriger, alle Familienmitglieder an einen Tisch zu bekommen. Zwar gaben nur 33 Prozent an, gern mehr Zeit für gemeinsames Kochen und Essen zu haben. Unter den Berufstätigen waren das allerdings schon 39 Prozent. Quelle: dpa
Ein Drittel unter ihnen hat das Problem, zu wenig Zeit zum Einkaufen und Vorbereiten von Speisen haben. Es zeigt sich, gemeinsame Mahlzeiten werden bei aktuellen Arbeitszeiten und Wochenstunden fast nur dann möglich, wenn eines der Familienmitglieder nicht voll arbeitet: Nur 76 Prozent der Erwerbstätigen geben an, dass Sie sich ab und zu um die Zubereitung des Essens kümmern, 83 Prozent kaufen die Zutaten dafür ein. Ohne eine stützende Kraft, die zuhause schon vorbereitet, fiele die gemeinsame Suppe so abends wohl häufiger aus. Quelle: dpa
Dabei ist Essen laut Experte Peter Wippermann extrem wichtig: „Wie wir essen, bestimmt zunehmend unser Erfolg“, sagt der Professor für Kommunikationsdesign. „Wer schnell und achtlos Nahrung zu sich nimmt, verliert seine Gesundheit und meist seine Attraktivität. Damit schwindet der soziale Status. Genuss bezieht sich also nicht mehr allein auf den Moment des Verzehrs sondern auch auf die Wirkung der Speisen auf unseren Körper und damit auf die persönliche Wertschätzung in der Gesellschaft.“ Der Genuss von gemeinsamen Mahlzeiten liegt laut Wippermann in der Kombination von Wohlgefühl, Geschmack und Sättigung. „Das gemeinsame Speisen setzt eine gegenseitige Anerkennung der Teilnehmer voraus und schafft dadurch eine Atmosphäre der Entspannung“, sagte er Handelsblatt Online. Quelle: Presse
Das spiegelt sich auch darin wieder, wie die Interviewten gemeinsame Mahlzeiten erleben: Für 64 Prozent bedeutete ein gemeinsames Abendessen ein großes Plus an Lebensfreude. Ein wichtiger Aspekt, der diese Lebensfreude beeinflusst, sind der Umfrage zufolge Kindheitserinnerungen, die man mit einem bestimmten Gericht verbindet oder das Gefühl der Geborgenheit beim gemeinsamen Essen. 52 Prozent der Befragten erinnern sich besonders gern daran, wie sie in Kindertagen kleine Happen schon während der Zubereitung der Speisen stibitzten. Das ist und bleibt mit Sicherheit auch heute noch für viele Menschen eine kleine Freude im Alltag. Quelle: Presse
Kochen macht übrigens auch Jugendliche glücklich – möglicherweise eine Brücke, die Familien nutzen können, um wieder enger zusammenzurücken und wieder mehr miteinander zu unternehmen? Beim Essen und Kochen mit Freunden genießen es die Jugendlichen besonders, dass ihnen dabei niemand Vorschriften macht (82 Prozent). Familienzeit ist wichtig – Die Mehrheit der Jugendlichen (82 Prozent) nimmt die Mahlzeiten am liebsten mit anderen Familienmitgliedern ein. Quelle: dpa
Dabei genießen sie es, Zeit für Gespräche mit der Familie zu haben. Nur etwa jeder fünfte Jugendliche (22 Prozent) gibt an, dass ihn Tischgespräche während des gemeinsamen Essens mit der Familie häufig nerven. Selbst zum Kochlöffel gegriffen haben die meisten Teenies auch bereits. Neun von zehn Jugendlichen (89 Prozent) haben schon einmal selbständig das Frühstück für die Familie zubereitet und 71 Prozent ein Abendessen. Quelle: dpa
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