Unser Leben verursacht einen nicht endenden Strom neuer Daten. Nach dem Aufstehen registrieren Telekom und Vodafone, wann sich unsere Smartphones ins Netz einklinken. Auf dem Weg in die Stadt messen Verkehrsleitsysteme, wie schnell Pendler vorankommen. Facebook verraten wir sowieso, was uns auf der Seele brennt. Noch viel mehr Daten verursachen Logistikunternehmen, Banken und Forschungsinstitute.
Diesen Datenstrom fügen Unternehmen zu einem immer genaueren Abbild unserer Realität zusammen. Denn aus dem Meer an Informationen lassen sich verschiedenste Muster herauslesen – und Veränderungen prognostizieren.
Noch allerdings nützt das der Allgemeinheit herzlich wenig, weil Unternehmen den Datenschatz in der Regel nicht teilen. Dirk Helbing will das ändern. Der Risikoforscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) will alle öffentlich verfügbaren Daten in einem gigantischen elektronischen Gehirn zusammenführen – in eine Art öffentliches Wikipedia der Informationen.
Mittels ausgefeilter Datenanalyse soll das System selbst kleinste, seismografische Schwingungen unserer Gesellschaft identifizieren können. Es soll voraussagen können, welche Auswirkungen unser Handeln auf Wirtschaft und Gesellschaft hat.
Warum kommt es zu Staus oder Massenpanik? Wo drohen Banken zu kollabieren? Unter welchen Bedingungen stürzen autoritäre Regimes? Solche Fragen soll das neue Supergehirn mithilfe von Wirtschaftskennzahlen, demografischen Daten, Nachrichten, Reisedaten und Twitter-Meldungen beantworten können.
Ausgefeilte Trendanalyse
FuturICT nennt Helbing das Megaprojekt, und dafür hat der ETH-Forscher Hunderte Informatiker, Ökonomen und Soziologen von 84 akademischen Institutionen aus 25 Ländern als Unterstützer gewonnen – zudem sechs der größten Rechenzentren Europas. In wenigen Wochen gibt die EU bekannt, ob Helbings Sozio-Seismograf mit knapp 60 Millionen Euro für 30 Monate finanziert wird. FuturICT ist allerdings keine virtuelle Kristallkugel, sondern "eher ein Teleskop für gesellschaftliche Entwicklungen, die später große Wirkung entfalten", sagt Helbing.
Mit solchen Entwicklungen beschäftigen sich auch Unternehmen. Denn immer deutlicher wird, dass die Welt nicht nur komplexer wird. "Wir stehen vor einer dramatischen Phase technologischer Innovationen", sagt Eike Wenzel vom Heidelberger Institut für Trend- und Zukunftsforschung. Und die werde nahezu jede Branche erfassen: Die 3-D-Druck-Technologie verändert Industrie und Logistik. Und das Internet revolutioniert nach unserer Medien- und Arbeitswelt auch die letzten Winkel des Alltags: In den nächsten Jahren werden nahezu alle Dinge unseres täglichen Gebrauchs vernetzt – Heizungen, Lampen, ja, selbst Pflanzen schicken SMS, wenn sie Wasser brauchen.
Wie sich Konzerne und Startups auf diese Entwicklungen einstellen und welche Innovationen für Unternehmen wie Bayer, Symrise und EADS bis 2025 wichtig werden, hat die Technikredaktion der WirtschaftsWoche für diese Ausgabe zusammengetragen. Herausgekommen ist ein faszinierender Blick in die Forschungslabors dieses Landes.
Auch Forschern und Unternehmen will Helbing mit dem Supergehirn helfen. Denn das System soll lernen, mithilfe ausgefeilter Trendanalysen Technologien zu identifizieren, die für die Wirtschaft Bedeutung gewinnen werden. Dafür liest FuturICT Abertausende Publikationen, Fachblogs, Konferenzprogramme und Internet-Debatten, wertet sie aus und leitet ab, welche technologischen Durchbrüche uns bevorstehen – und welche davon wirklich wichtig sind. "Früher mussten wir warten, bis die Themen in der Zeitung stehen", sagt Helbing. Künftig müssen wir nur noch das Daten-Puzzle richtig zusammensetzen.
Gesunde Sünde
Die Tiefkühlpizza der Zukunft könnte glatt als Gesundheitsprodukt durchgehen: Obwohl sie ausgezeichnet schmeckt, appetitlich aussieht und im Eins-Fix-Drei zubereitet ist, enthält sie kaum noch Salz, ist kalorienreduziert und quasi fettfrei. Das schont Herz und Nieren der Verbraucher und verhindert, dass die Menschheit allmählich verfettet. Genau hier tickt aktuell eine Zeitbombe: Schon heute sind zwei Drittel aller Bewohner der westlichen Welt stark übergewichtig.
Verantwortlich dafür ist nach Meinung der Experten der weltweite Trend zu Fast Food und Fertigprodukten sowie klebrig-süßen Getränken, die fast ausnahmslos ungesunde Kalorienbomben sind.
Dass sich etwas ändern muss, haben Lebensmittelkonzerne wie Danone und Nestlé inzwischen erkannt. Zulieferer wie der Aromaspezialist Symrise aus dem niedersächsischen Holzminden sehen darin eine Chance: "Moderne Lebensmittel mit optimalem Ernährungsprofil und gutem Aroma und Geschmack werden 2025 eine wichtige Rolle beim Erhalt der Gesundheit spielen", glaubt Symrise-Forschungsleiter Gerhard Krammer.
Um dieses Ziel zu erreichen, sind Lebensmittelhersteller zunehmend auf Biotechniker angewiesen: Die suchen hoch-effektiv mit molekularen Sensoren nach neuen, bioaktiven Wirkstoffen, die das Geschmacksempfinden verstärken und die Geschmacksrezeptoren des Körpers quasi foppen. Das Ziel: Die Limo soll süß und die Käseecke würzig und cremig schmecken, obwohl nur noch Spuren von Zucker, Salz oder Fett in den Produkten enthalten sind.
Beim Biotech-Unternehmen Brain aus dem hessischen Zwingenberg hat Michael Krohn mit seinen Forschern schon eine ganze Reihe solcher Substanzen im hauseigenen Fundus aus über 20.000 Mikroben aus aller Welt entdeckt. Krohn ist überzeugt, dass solche Biomoleküle bald in jedem Fertiglebensmittel stecken werden.
Weizen mit Wasserhahn
Bisher sind Konsumenten in Europa wenig begeistert von gentechnisch veränderten Pflanzen und dem daraus hergestellten Genfood. Denn die Veränderungen sind nur für Landwirte von Interesse. Das soll bei neuen Gentech-Pflanzen, die in 10 bis 15 Jahren auf den Markt kommen, völlig anders werden: Sie sollen nachhaltig und damit für alle Menschen hilfreich sein – indem sie beispielsweise neue Produktionswege für knappe Ressourcen erschließen.
Beispiel Gentech-Raps: Das neuartige Gewächs produziert eine Art Lebertran und wirkt damit der Überfischung der Meere entgegen. BASF aus Ludwigshafen und der US-Konzern Cargill haben eine solche Rapspflanze geschaffen, die in ihrem Öl Omega-3-Fettsäuren herstellt. Diese steigern die Hirnleistung und beugen Herzinfarkten vor, sind aber bisher nur aus den Lebern von Fischen zu gewinnen.
Ein Umstand kam den Forschern zu Hilfe: Das Fisch-Gen für die Omega-3-Produktion stammt ursprünglich aus Meeresalgen, die mit Pflanzen sehr viel näher verwandt sind als mit Fischen. So transferierten die Forscher das Gen direkt von der Alge in den Raps – und hatten Erfolg.
Ein weiteres Zukunftsprojekt ist Weizen, der fit ist für den Klimawandel. "Mithilfe eines genetischen Tricks wollen wir diese für die Welternährung wichtige Kulturpflanze so robust machen, dass sie Trockenperioden besser übersteht und trotzdem höchste Erträge bringt", sagt Marcus Weidler, der bei Bayer CropScience für das Weizensaatgutgeschäft zuständig ist. Dazu haben Forscher des israelischen Kooperationspartners Evogene ein Gen aus der Tomate in den Weizen eingepflanzt. Denn die Tomate kann etwas, was Weizen bisher nicht schafft: Sie aktiviert bei Trockenheit ein Gen, das Eiweiße baut, die Aquaporine. Diese öffnen den Wasserspeicher, den jede Zelle – auch die Weizenzelle – besitzt. Sie kann ihn ohne diesen genetischen Wasserhahn nur bisher nicht anzapfen.
Erbs-Wurst
Um die Weltbevölkerung von bald neun Milliarden Menschen zu ernähren, muss der Fleischkonsum sinken. Denn Fleisch zu produzieren ist alles andere als nachhaltig: Damit ein Huhn, Schwein oder Rind je ein Kilogramm Gewicht zulegt, muss der Landwirt drei bis zehn Kilogramm pflanzliches Futter wie etwa Mais in den Trog schütten.
Doch Menschen in der westlichen Welt essen gerne Fleisch. Und in den sich entwickelnden Staaten gilt es geradezu als Statussymbol, sich Fleisch leisten zu können.
Labberig fade Sojatofu-Burger konnten die meisten Fleischfans bisher nicht überzeugen. Inzwischen haben Forscher jedoch Fleischersatz aus Pflanzen wie Weizen, Erbsen oder Lupinen entwickelt, der schmeckt und sich beim Zubeißen auch so anfühlt wie ein Schnitzel oder Steak.
Zum Beispiel die Forscher des EU-Projekts LikeMeat, zu dem auch Florian Wild vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung in Freising bei München gehört. Seine Erbs-Schnitzel werden als formbare Meterware aus Pflanzenproteinen gekocht und unterscheiden sich kaum von echtem Fleisch. Ganz in der Nähe in Mindelheim verkauft Metzgermeister Josef Pointner schon schmackhafte Würste, die er ebenfalls aus Pflanzenproteinen kocht. Weil viele Menschen solche umweltverträglichen Produkte nachfragen, ist Wild überzeugt: "Bis zum Jahr 2025 hat Fleischersatz aus Pflanzen zehn Prozent des westlichen Marktes erobert."
Digital-Dragees
Dass Kühlschränke dereinst selbst Milch bestellen, erzählen Zukunftsforscher schon so lange, dass die intelligente Kühlbox mittlerweile mehr als Beispiel für unerfüllte Weissagungen der Futurologen herhalten muss. Sehr zu Unrecht allerdings. Nicht nur, weil vernetzte Kühlschränke längst zu kaufen sind.
Weitgehend unbemerkt hat die Vernetzung mehr Lebensbereiche erfasst, als vielen bewusst ist: Mobilfunkmodule in Serienautos sorgen dafür, dass der Wagen selbsttätig Polizei und Rettungsdienste alarmiert, wenn der Fahrer nach dem Crash ohnmächtig ist. Smarte Steckdosen melden via Internet, wenn sich im Wohnzimmer etwas regt, obwohl der Wohnungsinhaber auf der Arbeit ist. Die Heizung regelt sich autonom, weil der Brenner die Wettervorhersage aus dem Netz abfragt. Und digitale Kameras und Sensoren – in Dragees verpackt – diagnostizieren beim Weg durch den Körper Erkrankungen.
All das ist erst der Anfang eines noch weit radikaleren Wandels, für den Zukunftsforscher wie Dave Evans, Chef-Futurologe beim Netzwerkgiganten Cisco, den Begriff "Internet of Everything" geprägt haben – das Internet aller Dinge. Genau das entsteht jetzt. Noch sind mehr als 99 Prozent aller Alltagsgegenstände nicht mit dem Internet verbunden. Doch glaubt man den Prognosen von Forschern, werden bereits 2020 rund 37 Milliarden digitale Geräte, Sensoren und Motoren online sein.
Und nicht nur das. Sie werden zum allergrößten Teil nicht mit uns Menschen kommunizieren, sondern untereinander. Der Trend, der die digitale Welt elektrisiert, heißt Machine-to-Machine-Communication – kurz M2M.
Was der Technik zum Durchbruch verhilft, ist, dass schnelle Mobilfunkmodule heute nur noch ein paar Euro kosten und in drei bis fünf Jahren für bessere Cent-Beträge verschleudert werden. Dazu kommt, dass eine der wichtigsten Grundlagen für den Siegeszug der kommunikativen Maschinen derzeit geschaffen wird: Das Internet Protokoll Version 6 – im Online-Jargon IPv6 genannt – wird mehr als ein Jahrzehnt nach seiner Verabschiedung nun tatsächlich von den Netzbetreibern eingeführt.
Es definiert so etwas wie das Hausnummernsystem im Internet und erweitert die Zahl vernetzbarer Systeme – von Smartphones über Steckdosen und Autos bis zu Gewächshauspflanzen, die die Beregnung steuern – von bisher rund 4,3 Milliarden auf unvorstellbare 340 Sextillionen Adressen. IPv6 mache es möglich, jedem Bakterium auf der Erde eigene Internet-Adressen zuzuweisen, so die Entwickler.
So weit wird es nicht kommen. Andere Szenarien aber werden dank der neuen Technik nicht nur denkbar, sondern spätestens in einem Jahrzehnt Realität sein: "Wenn Alltagsgegenstände miteinander reden, verrät der Wecker dem Navigationssystem im Auto, dass sein Besitzer verschlafen hat, damit der Wagen heute nicht die sparsame, sondern die schnelle Route wählt", skizziert Cisco-Vordenker Evans.
Sensoren in Turbinenschaufeln werten den Verschleiß von Flugzeugtriebwerken automatisch aus und melden die Maschinen autonom zur Wartung an, ohne dass noch ein Techniker einen Kontrollblick auf die Motoren werfen müsste. Und der Einkaufswagen im Supermarkt schlägt eine Beilage fürs Abendessen vor, passend zu den Zutaten, die daheim im – dann natürlich vernetzten – Kühlschrank liegen.
Turbo für alle
Nur mal angenommen, die Fahrt von München nach Hamburg dauerte nur noch knapp vier Minuten – statt sieben Stunden. Wer sich den Leistungsschub der Mobilfunk-Datenübertragung im vergangenen Jahrzehnt vorstellen will, der braucht solche Vergleiche.
In den Labors der Mobilfunkausrüster feilen Entwickler längst an den Übertragungstechniken für die nächste Dekade, die ähnliche Temposprünge ermöglichen. Die kommende, fünfte Netze-Generation wird Datenraten bis zu einem Gigabit pro Sekunde liefern – und Festnetz und Mobilfunktechniken verschmelzen.
Das wird nicht nur 100 Mal schneller sein, als die heutigen Netze von Telekom, Vodafone & Co. Es entstehen auch ganz neue Nutzerszenarien: Statt etwa noch via Satellit oder Kabel lineares Fernsehen zu sehen, werden Menschen ihr individuelles TV-Programm in HD-Auflösung (auf Wunsch in 3-D) über Breitbandfunk aus dem Netz laden.
Und an die Stelle klassischer Navigationssysteme in Autos, bei denen die Straßenverläufe bloß als einfache Kartengrafiken im Gerät gespeichert sind, tritt Echtzeitnavigation aus dem Web. Dort weisen realitätsnahe 3-D-Bilder von Straßen und Kreuzungen den Weg, die via Mobilfunk nach Bedarf und fortlaufend aktualisiert ins Auto übertragen werden.
Eines aber ändert auch der Breitband-Turbo nicht: Die Autofahrt München-Hamburg klappt selbst mit High Tech kaum schneller als in sieben Stunden.
Prof. Dr. Byte
Gelegentlich lassen Computer selbst Genies alt aussehen. Das ist klar seit der IBM-Computer Deep Blue 1997 erstmals Weltmeister Garri Kasparow im Schach besiegt hat. Nun aber schicken sich Maschinenhirne an, nicht nur programmierte Befehle schneller abzuarbeiten, als Menschen denken können. Sie bringen sich das nötige Wissen selbst bei. Diese lernenden Systeme sind einer der wichtigsten Softwaretrends der nächsten Dekade.
Was schon möglich ist, hat der IT-Riese IBM vergangenes Jahr demonstriert: Beim US-Fernsehquiz Jeopardy besiegte der Supercomputer Watson die beiden besten menschlichen Kandidaten, indem er zu vorgegebenen Antworten die passenden Fragen erriet. Denn Watson hatte sich sein Wissen durch die Analyse von 200 Millionen Seiten digitaler Dokumente und unstrukturierten Texts selbst erarbeitet.
Nun erobert das Konzept die Geschäftswelt: Die US-Großbank Citigroup kündigte an, mit Watson-Technologie Konjunktur-, Finanz- sowie Nutzerdaten für digitale Bankangebote zusammenzuführen. Auch der Schweizer Stromnetzbetreiber Swissgrid setzt auf selbstlernende Software. Das vom Siemens-Ableger Corporate Technology entwickelte System wertet immense Datenbestände aus und sagt nun die Leistung erneuerbarer Energiequellen 72 Stunden vorab zu 90 Prozent richtig voraus.
Auch PC-Nutzer dürften bald vom Trend profitieren. Wissenschaftler der Uni Göttingen etwa haben eine Schutzsoftware entworfen, die Computerviren und Hacker-Attacken maschinell auswertet. Aus den Angriffsmustern leitet das Programm nicht nur Strategien zur Absicherung ab. Es kann auch anhand selbstentwickelter Kriterien künftige Cyberangriffe abwehren.
Druck-Sache
Fragt man Martin Wegner, wie der Brief oder das Paket der Zukunft aussieht, schwärmt er von Druckern. Genauer gesagt von Maschinen, die dreidimensionale Objekte wie Schuhe, Möbel oder Ersatzteile aus Materialien wie Kunststoff bauen. Verschickt werden die Bestellungen in Zukunft nicht als Paket, sondern als Datei. Wegner ist als Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung so etwas wie die hauptamtliche Kristallkugel der Deutschen Post. Mit seinem Team macht er sich Gedanken, wie Logistik und Versand künftig aussehen werden.
Im Jahr 2025 wahrscheinlich so: Es gibt Verpackungen für Pakete, die sich der Ware anpassen und über sogenannte RFID-Chips mit Computern kommunizieren. "So könnten wir jederzeit bei Transporten von Lebensmitteln oder Medikamenten die Temperatur oder Feuchtigkeit erfassen und eingreifen", sagt Wegner.
Nebenbei könnte die Deutsche Post auch Warenströme in Wohn- und Arbeitshochhäusern der weltweiten Megacitys managen. In den Riesenkomplexen müssten Zusteller dann täglich Tonnen von Ware an Tausende Kunden liefern. "Vertikale Logistik", nennen Post-Experten die Arbeit im Ameisenhaufen. Bis 2050 leben laut UN sechs Milliarden Menschen in Städten.
Am meisten aber begeistern Wegner die 3-D-Drucker und digitalen Lagerhallen der Zukunft. "Sie werden unsere Welt und die Logistik verändern", sagt er. Statt zum Beispiel einen Lampenschirm per Paket von München nach Hamburg zu verschicken, geht eine Mail samt einer Datei mit dem Bauplan durchs Netz. Den Schirm sprüht ein Drucker mit Kunststoff in der Hamburger Postfiliale dann nach. Dort holt ihn der Kunde ab.
Was wie Science-Fiction klingt, ist schon in Ansätzen möglich: So entsteht Zahnersatz im 3-D-Drucker, und Architekten drucken damit Bau-Modelle. "Auch das ganz normale Paket wird es 2025 noch geben", sagt Wegner. Komplexere Produkte aus verschiedenen Bauteilen und Materialien sind auch künftig nicht druckbar. Der neue Laptop kommt dann noch per Post.
Nahe null
Auf den ersten Blick erinnert das Einfamilienhaus am Hafen von Tokyo an die Architektursprache des Bauhauses. Doch die Designanleihe im vorigen Jahrhundert täuscht: Das Musterhaus, das der japanische Technologiekonzern Panasonic errichtet hat, ist so etwas wie die Blaupause fürs umweltverträgliche Wohnen der Zukunft. Der 140-Quadratmeter-Bau vereint – von der Solaranlage auf dem Dach über den Batteriepuffer im Haus bis zur Brennstoffzelle im Garten – jede Menge High Tech. "Wir wollen den CO2-Ausstoß des Hauses ohne Komforteinbußen auf nahe null senken", sagt Panasonic-Europa-Chef Laurent Abadie. Zwei Drittel des Sparprojekts sind schon geschafft.
Vernetzt, intelligent, energieautark – so sollen Häuser künftig sein. Für dieses Ziel lassen sich Unternehmen und Forscher weltweit einiges einfallen. Zu den anspruchsvollsten Vorhaben gehört die Integration druckbarer Solarzellen aus Farbstoffen in Fenster und Fassaden, wo sie Strom produzieren. Das Dresdner Solar-Startup Heliatek und der US-Glashersteller Pilkington wollen solche Plastikzellen schon bald im großen Stil anbieten.
Wissenschaftler der Uni Bayreuth wiederum treiben ein EU-Projekt voran, das Mehrfachverglasungen ersetzen soll. Eine Einfachscheibe aus Kunststoff-Glas-Verbundmaterial soll ebenso gut isolieren. Zugleich soll sie einfallendes Sonnenlicht im Winter völlig absorbieren und so Räume wärmen. Im Sommer dagegen reflektiert sie das Licht und hält die Hitze draußen.
Die Innovationen enden nicht bei der Gebäudehülle. Der US-Glasspezialist Corning integriert Displays in Spiegel und Küchen-Arbeitsplatten. Die Bewohner können darüber ins Internet gehen oder die Rollos steuern. Haustechnikhersteller wie Bosch, Siemens und Miele arbeiten an Softwareprogrammen, die es ermöglichen, via Smartphone zu prüfen, ob der Herd ausgeschaltet ist, oder sich Live-Bilder vom Kühlschrankinhalt anzeigen zu lassen.
Dem US-Architekten Mitchell Joachim ist das alles nicht radikal genug. Seine Idee: ein Haus aus Bäumen und Pflanzen, die zu einem Gebäude verwachsen. Die Innenwände will er mit Lehm und Stroh verputzen. Es wäre das erste wahre Ökohaus.
Kill Pill
Bisher gleicht die Arbeit von Krebsärzten oft einem Sisyphos-Job: Ganz gleich, ob sie Tumore aus dem Körper schneiden oder ihnen mit Strahlen und Medikamenten zu Leibe rücken – die tödlichen Wucherungen wachsen meist nach oder sprießen an neuen Stellen im Körper.
Den Grund dafür haben Forscher wie Andreas Trumpp vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg vor wenigen Jahren entdeckt: es sind sogenannte Krebsstammzellen. Sie überdauern – zum Teil gut geschützt in eigenen Höhlensystemen – alle medizinischen Attacken in einer Art biologischem Tiefschlaf. Sobald die Krebsmedikamente abgesetzt und die Strahlentherapien beendet sind, erwachen sie und lassen neue Tumore wachsen.
Unternehmen wie Trumpps Gründung Hi-Stem und mehrere Pharmakonzerne forschen deshalb nach Medikamenten, die Krebsstammzellen ausmerzen – oder wenigstens in Schach halten können.
So leitet Michael Wolf beim Darmstädter Pharmaunternehmen Merck ein zwölfköpfiges Forscherteam, das solche Therapien entwickelt. Er schätzt: "Im Jahr 2025 werden Medikamente gegen Krebsstammzellen zumindest eine von mehreren Behandlungsoptionen darstellen." Einige Wirkstoffkandidaten, die das körpereigene Abwehrsystem auf Krebsstammzellen hetzt, hat seine Gruppe schon gefunden. Zumindest bei Mäusen verhinderten die Substanzen, dass Tumore sich neu bildeten.
Noch weiter in der Entwicklung ist der Pharmakonzern Bayer. Das Unternehmen testet mit dem US-Konzern Oncomed Pharmaceuticals eine andere Wirkstoffgruppe gegen Krebsstammzellen an Menschen. Bertolt Kreft, Immuntherapie-Chef der in Berlin ansässigen Bayer-Onkologie-Forschung, ist überzeugt, dass dieser Weg, wenn er beim Menschen ebenfalls funktioniert, ganz neue Chancen für die Krebsheilung bietet: "Wir könnten die Krankheit endlich bei der Wurzel packen."