Es ist ein Klingeln, Piepen oder Rauschen, das sich etwa durch eine Entzündung, nach einem Hörsturz oder zu viel Lärm einschleicht. „Tinnitus bedeutet zunächst einmal Ohrgeräusche und es handelt sich dabei medizinisch um ein Symptom, hinter dem viele medizinische Ursachen stehen können“, erklärt Birgit Mazurek, Direktorin des Tinnituszentrums der Berliner Charité.
Eine ideale Behandlung gibt es derzeit noch nicht. Und das, obwohl es Schätzungen zufolge in Deutschland mehr als 3,2 Millionen Betroffene gibt und der Tinnitus beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt eines der häufigsten Symptome ist.
Aktuelle Tinnitus-Behandlungen sind vergleichbar mit der Schmerztherapie – denn die Symptome Schmerz und Tinnitus sind ähnlich, sagt die Medizinerin: „Auch die Schmerzforschung hat kein richtiges Pharmakon, um chronische Schmerzen verschwinden zu lassen. In beiden Fällen können die Ursachen, die die Symptome getriggert haben, vielfältig sein und wir haben es nicht in der Hand, den Auslöser sozusagen herauszuschneiden oder etwas zu spritzen und dann ist es weg.“
Geforscht, produziert und therapiert wird trotzdem fleißig. Immer wieder kommen neue Verfahren auf den Markt, die den Leidensdruck von Tinnitus-Patienten mildern sollen. Viele sind Humbug und Geldmacherei, sagen die Experten. „Wir raten Betroffenen, dass sie nicht so schnell Geld für Dinge ausgeben, die gar nicht bewiesen sind“, sagt Gerhard Hesse, Sprecher des Fachlichen Beirats der Deutschen Tinnitus-Liga (DTL).
Das Problem: Schwindende Lebensqualität ist eine zentrale Begleiterscheinung bei den Betroffenen. Sie leiden häufig etwa unter Konzentrationsschwierigkeiten, Depressionen oder Einschlafproblemen. Ihr Wunsch nach Heilung ist deshalb extrem groß – ebenso die Versuchung, nichts unversucht zu lassen, egal wie teuer.
Die 4 Säulen der Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT)
Es ist der erste Schritt der Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT). Hierbei geht es zunächst um die Beratung und Aufklärung zum Tinnitus. Ziel ist es, dass der Betroffene die Mechanismen versteht, die zum Tinnitus und dessen Verstärkung führen, und so mögliche Angstgefühle abbauen lernt. Im Verlauf der gesamten Therapie gibt es normalerweise mehrere Gesprächstermine.
Besonders in Deutschland ist auch eine Tinnitus-zentrierte psychotherapeutische Behandlung Teil der TRT. Ziel der Betreuung ist die psychische Belastung des Patienten durch den Tinnitus zu reduzieren. oder depressive Verstimmungen, Stress oder eine innere Anspannung sind häufig Begleiterscheinungen des Tinnitus‘. Deshalb gehört beispielsweise die Gruppenarbeit mit anderen Tinnitus-Betroffenen zu den Bewältigungsstrategien.
Um Belastungen im Alltag besser entgegenzuwirken und das eigene Stressmanagement zu verbessern gehören auch Entspannungstechniken zur TRT. Mit deren Hilfe soll die Belastung im Alltag reduziert und die Lebensqualität so verbessert werden. Auch Hörtrainings, die den Patienten wieder für die Geräusche der Umwelt sensibler machen, gehören dazu.
Wer den Tinnitus trotzdem nicht erträgt, für den könnten ein spezielles Hörgerät oder ein sogenannter Rauscher eine Lösung sein – sie sollen Stille vermeiden, indem sie ein permanentes, leises Rauschen erzeugen. Das soll den fiesen Piepston nicht überdecken, sondern die Gewöhnung leichter machen.
Grundsätzlich wird heute beim akuten Tinnitus dieselbe Therapie angewandt wie beim Hörsturz. Das heißt, der HNO-Arzt behandelt mit Cortison. Viele akute Hörgeräusche verschwinden auch von selbst. Wer den nervigen Ton aber länger als zwölf Monate hört, gilt als chronisch krank. In diesem Fall gehören für die Experten eine ausführliche Beratung, Entspannungs- und Gesprächstherapie zu den Methoden das Tinnitus-Leiden zu lindern. Denn sehr oft gehört zum Tinnitus auch eine psychische Komponente.
Neue Untersuchungen, neue Wege
Eine heute angewandte Methode, um den Tinnitus abzumildern, ist die in den USA entwickelte Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT). Eine Behandlungsmethode, bei der der chronische Tinnitus quasi aus dem Bewusstsein verdrängt werden soll. Die Idee dahinter: Der Tinnitus ist im Grunde kein laut messbares Geräusch, sondern in erster Linie ein subjektives Lautheitsempfinden.
Durch entsprechende Übungen sollen Patienten lernen, wie sie diesen Ton hinnehmen und ignorieren können, sodass er am Ende weniger laut erscheint. Dazu gehören vier Etappen der Therapie: Beratungsgespräche (Counseling genannt), psychologische Betreuung, Entspannungstechniken und Geräteversorgung etwa mit einem Hörgerät.
Neue Forschungen ergeben aber auch andere Wege. So sollen mithilfe einer innovativen Untersuchungsmethode namens Positronen-Emissions-Tomographie (PET) Tinnitus-spezifische Aktivitäten auf der Großhirnrinde nachgewiesen worden sein. „Das Wichtige ist, dass der Tinnitus nur zu einer Belastung wird, wenn er durch Verschaltung im Gehirn zu bestimmten Anregungen führt und das wollte man nachweisen“, erklärt Hesse.
Die Idee: Durch eine permanente Überaktivität einiger Nervenzellen auf der Großhirnrinde werde dort der tonale, subjektive Tinnitus ausgelöst.
Verschiedene neue Tinnitus-Therapie-Angebote konzentrieren sich nun darauf, diese Überaktivität herunterzuschrauben – etwa indem sie die anderen Nervenzellen stärker aktivieren oder die überaktiven Zellen hemmen.
Eine solche Methode verbirgt sich hinter Tinnitracks – ein Medizinprodukt, das eine Art Musiktherapie verspricht. Die Idee klingt überraschend einfach: Im Grunde muss der Betroffene nur Musik hören. Mit Tinnitracks wird selbstausgewählte Musik tontechnisch bearbeitet: Aus den Musikstücken wird die individuelle Tinnitus-Frequenz des Nutzers herausgefiltert.
Das Ziel: Beim Hören der bearbeiteten Musik soll die Überaktivität der Nervenzellen im Hörzentrum gehemmt werden und der Tinnitus so mit der Zeit leiser werden. Der Patient hört also einfach nur seine Lieblingsmusik, die für ihn auch nicht stark verändert klingt“, erklärt Adrian Nötzel, Leiter Forschung und Entwicklung für Tinnitracks.
Lieblingsmusik als Therapie
Für die Tinnitracks-Therapie müssen Nutzer zunächst einmal zum HNO-Arzt. Der muss den subjektiven Tinnitus eindeutig diagnostizieren. Anschließend könne der Arzt oder ein Hörgeräteakustiker dann die individuelle Tinnitus-Frequenz bestimmen. Auf die abgestimmt, sollen dann die eigenen Songs – je nach Nutzer vom Handy oder Computer – an Tinnitracks geschickt werden, wo man die MP3s zunächst prüft, ob sie sich eignen. „Es kommt auf das Spektrum der Musik an – ist sie mehr höhenlastig oder basslastig etwa. Und dann ist entscheidend, wo die eigene Tinnitus-Frequenz liegt“, so Nötzel.
Diese Kombination aus dem Frequenzspektrum des Musikstücks und der Tinnitus-Frequenz müssen also zusammenpassen. Grundsätzlich ausschließen könne man keine Musik – aber je nach Tinnitus eignen sich bestimmte Musikstile besser oder schlechter, sagt Nötzel. Die typische Rock-Pop-Radiomusik sei meist ideal. Der Einzelfall könne aber immer abweichen – dafür die Analyse.
Medizinprodukt Tinnitracks
Die Idee der Tinnitracks-Therapie ist es, dass Betroffene täglich eine gewisse Zeit tontechnisch bearbeitete Musik hören, die auf ihre eigene Tinnitusfrequenz abgestimmt ist, um so mit der Zeit den Tinnitus leiser werden zu lassen. Die Idee basiert auf dem Ergebnis entsprechender Studien an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
Bislang war das Programm nur als Paket mit Jahreslizenz erhältlich. Kostenpunkt: 539 Euro. Die neuentwickelte Tinnitracks-App bietet Sonormed seit April im Monatsabo für 19 Euro an. Als Behandlungsdauer werden in der Regel sechs bis zwölf Monate empfohlen.
Fachärzte wie etwa Prof. Dr. Birgit Mazurek von der Berliner Charité oder Prof. Dr. Gerhard Hesse von der Deutschen Tinnitus-Liga bezweifeln den Erfolg der Tinnitracks-Therapie. Kernpunkt der Kritik: Wie viele Medizinprodukte gegen Tinnitus fehlen großangelegte Studien, um den Erfolg der Therapie zu belegen.
Die Idee zu Tinnitracks ist inspiriert von Studien aus Münster: Tontechniker Nötzel suchte damals nach einem Thema für seine Diplomarbeit in Medientechnik und stieß auf die Studien der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zur Behandlung des chronischen Tinnitus‘ mithilfe von Musik.
Dort war es gelungen in Studien die Tinnitus-Lautheit und damit auch die Lästigkeit des Tinnitus zu reduzieren. Die Studie war allerdings klein und die Zielgruppe stark eingeschränkt: Es handelte sich um chronischen und tonalen Tinnitus – also einen stabilen Pfeif- oder Piepton. „Wir haben ein innovatives Verfahren zur Behandlung des Tinnitus entwickelt und im Rahmen einer Evaluationsstudie dessen Wirksamkeit für ProbandInnen mit einem ganz bestimmten Tinnitus-Profil nachgewiesen“, berichtet das Institut für Biomagnetismus und Biosignalanalyse (IBB) der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde an der Uni Münster auf seiner Internetseite.
Ob das Verfahren auch bei anderen sogenannten Tinnitus-Profilen, wie etwa bei Hörverlust, sehr hohen Frequenzen oder einem Rauschen hilft, ist laut den Wissenschaftlern nicht bekannt. Außerdem macht das IBB ganz deutlich: „Das Training mit maßgeschneiderter Musik führt nicht zu einer Heilung - bei den Studienteilnehmern wurde der Tinnitus zwar deutlich leiser, aber er verschwand nicht vollständig.“
HNO-Experten skeptisch
Auf Grundlage dieser Studien entwickelte Nötzel erst seine Diplomarbeit und dann das Medizinprodukt. Schließlich gründete er dann Ende 2012 gemeinsam mit Diplom-Wirtschaftsinformatiker Matthias Lanz und Diplom-Kaufmann Jörg Land die Sonormed GmbH. Tinnitracks wurde zum ersten Produkt.
Die HNO-Experten sind allerdings sehr skeptisch: „Wenn man Musik hört, ist das grundsätzlich etwas sehr angenehmes, da sie entspannt und ein positives Erlebnis erzeugt – damit arbeitet auch die Musiktherapie“, sagt DTL-Sprecher Hesse. „Der Ansatz der Tinnitracks-App ist im Grunde gar nicht neu.“ Hesse forschte bereits in den Neunzigern selbst in dieser Richtung und machte vergleichbare Studien. „Bei meinen eigenen Erfahrungen war das Ergebnis eindeutig: Da war die Musik ohne Verfremdung im Ergebnis genauso hilfreich wie mit Verfremdung.
Deutschlands Lärmquellen in Dezibel
Stille
Schneefall
Ticken einer Taschenuhr
Flüstern
Kühlschrank
Leises Gespräch, ruhiger Bach
Optimaler Schutz laut Deutscher Gesellschaft für Akustik: 50 dB tagsüber und 40 dB nachts
Normales Gespräch
Zielwerte des Umweltbundesamts und der WHO: 65 dB tagsüber und 55 dB nachts
Lautes Gespräch, Rasenmäher, sieben Meter entfernt
Grobe Richtschnur für Richter: 70 dB tagsüber und 60 dB nachts gelten meist als zumutbar
Starker Straßenverkehr, laute Radiomusik
Unzumutbare Dauerbelastung: 75 dB Lärm gilt unter Experten als langfristig nicht mehr tolerierbar
Airbus A319 in 450 Meter Höhe, Presslufthammer, Güterzug
Alter Güterzug, Boeing 747 in 450 Meter Höhe
Alter Güterzug auf schlechten Schienen
Kampfjet in sieben Meter Entfernung
Schmerzgrenze
„Warum es mit einer andersartigen Verfremdung besser funktionieren soll – da fehlen einfach die Studien.“ Auch Mazurek sieht das kritisch – schließlich beziehe sich die Sonormed nur auf die Studien aus Münster ohne eigene Studien für ihr Produkt gemacht zu haben. „Ich würde da sehr zurückhaltend sein und auch warnen, denn durch die Stimulation in der Nähe des Ohrgeräuschs kann man dieses auch verstärken. Das muss einem klar sein“, sagt die Charité-Medizinerin. „Die Idee ist grundsätzlich in Ordnung und hörtherapeutische Ansätze zur Tinnitus-Linderung sind ein möglicher Weg, aber ob diese App das kann, dass muss erst noch belegt werden.“
Ebenfalls mit Musik aber in einer viel breiter angelegten Therapie wird in Heidelberg der Tinnitus bekämpft: Seit elf Jahren wird am Deutschen Zentrum für Musiktherapieforschung (DZM) – dem Viktor Dulger Institut – die Behandlung von Tinnitus mittels Neuromusiktherapie erforscht.
Am größten musiktherapeutischen Forschungsinstitut Europas arbeiten Mediziner und Musiktherapeuten gemeinsam mit Psychologen und Musikwissenschaftlern an Konzepten der Musiktherapie und -medizin. Ihr Ziel: die Lebenssituation Tinnitus-kranker Menschen verbessern. Dazu gehört neben dem Forschungsinstitut die Tinnitusambulanz des DZM, in der seit 2004 rund 1000 Patienten mit chronischem Tinnitus behandelt wurden.
Neuromusiktherapie als Rund-um-Angebot
„Musik und Tinnitus haben sehr viele Gemeinsamkeiten“, sagt Dr. Heike Argstatter, Vorstandsvorsitzende des DZM. „Vor allem bei der Verarbeitung im Gehirn. Wir gehen davon aus, dass der Tinnitus durch eine Veränderung bestimmter Hirnstrukturen ausgelöst wird und diese Veränderungen versuchen wir durch gezielten Einsatz von musikalischen Reizen rückgängig zu machen.“ Das heißt, Patienten sollen den Ton nach der Therapie nicht mehr wahrnehmen oder – wenn sie ihn noch immer hören – den Ton viel besser in ihre normale Hörumgebung integrieren können.
Im Gegensatz zu Tinnitracks, geht die DZM-Therapie über das reine Musikhören hinaus: „Wir gehen davon aus, dass die Veränderungen nicht alleine auf der hörbaren Seite sind, die den Tinnitus ausmachen, sondern dass eine psychologische Komponente eine gravierende Rolle spielt“, so Argstatter. „Wenn das nicht berücksichtigt wird, gehen wir davon aus, dass es durchaus Patienten gibt, denen eine reine Hörtherapie hilft, aber die Mehrzahl der Patienten – zumindest bei uns – haben nicht nur Hörprobleme, sondern auch andere Dinge die bearbeitet werden müssen.“
Beim Therapieansatz in Heidelberg werden zum einen aktive musikalische Übungen eingesetzt, um den Tinnitus bewusster kontrollieren zu können. So gehören Resonanzübungen zum Therapieprogramm. „Üblicherweise wird zur Behandlung von Tinnitus die Durchblutung angeregt. Das macht man häufig durch Medikamente, kann man aber viel besser über diese Resonanzübung erreichen“, so Argstatter. Dadurch würden Vibrationen im Kopf erzeugt, die ebenfalls die Durchblutung anregen.
Ein weiterer Aspekt dieser Therapie ist Entspannungsmusik, in die immer wieder der Tinnitus-Ton eingeblendet wird. „Die Patienten lernen quasi nur auf die angenehme Musik zu achten und eben diesen Störgeräuschen keine Aufmerksamkeit zu schenken – sie also aktiv herauszufiltern“, so Argstatter.
Entspannungsübungen und Techniken zur Stressbewältigung sowie Hörtrainings zur „Normalisierung“ der betroffenen Netzwerke im Gehirn gehören ebenso dazu. „Nach der Therapie hören die Patienten anders – das berichten sie ganz subjektiv in den Fragebögen“, sagt Argstatter. Demnach verspüren rund 80 Prozent eine deutliche Minderung der Tinnitus-Belastung und bei jedem zehnten sei der Tinnitus sogar komplett verschwunden. „Diese Veränderungen lassen sich auch direkt im Gehirn nachweisen“, so Argstatter. „Die Verbesserungen sind also nicht nur Einbildung oder subjektives Empfinden, sondern eine nachweisbare Tatsache.“
Der Schalter gegen den Tinnitus
Ein interessanter Punkt: Eine Studie, in der die einzelnen Aspekte der Therapie getestet wurden, um herauszufinden, welcher am wirkungsvollsten ist, wurde frühzeitig abgebrochen. Der Grund: Die Effekte, die bei der ganzheitlichen Therapie zum Erfolg führten, waren bei der Anwendungen einzelner Therapieschritte einfach nicht da. „Die Patienten hatten nur bei allen Komponenten gemeinsam einen dauerhaften Verbesserungseffekt“, so Argstatter.
„Es wirkt als Gesamtpaket und so ist es sicherlich ein guter Ansatz“ sagt Hesse. Allerdings verspreche die Therapie zu viel und sei relativ teuer, gibt der Professor zu bedenken. Auch Mazurek weist darauf hin: „Es fehlen breit angelegte multizentrische Auswertungen, sodass einzelne Studien nicht in den Leitlinien als Therapieempfehlung berücksichtigt wurden.“
Im Bereich der Medizinprodukte gibt es viele derartige Angebote, die keine Empfehlung in den offiziellen Leitlinien der HNO-Experten bekommen. Die gehen noch in ganz andere Richtungen – so forschen Mediziner in Antwerpen an einem Gel und ein schwedisches Unternehmen hat ein Pflaster auf den Markt geworfen, dass durch Licht Heilung verspricht – wie es funktioniert versteht der Laie aber nicht. Scharlatanerie, nennt Hesse diese Entwicklungen, die vor allem dadurch hervorgerufen werden, dass es zum einen nicht die ultimativ richtige Behandlung gibt, zum anderen die Krankenkassen die meisten Leistungen über Cortison hinaus sowieso nicht zahlen und der Markt so große finanzielle Anreize bietet.
Der Rat der Deutschen Tinnitus-Liga: „Wenn ein Produkt verspricht den Tinnitus vollständig wegzubekommen, ist Vorsicht geboten“, so Hesse. Ein ausführliches Beratungsgespräch mit dem HNO-Arzt, Selbsthilfegruppen und Entspannungstherapie seien gute Ausgangspunkte.
Perspektivisch kann Tinnitus-Betroffenen abschließend nur durch eine Heilung im Innenohr geholfen werden – die Verwirklichung dieses Ziels liegt aber noch in weiter Ferne. „Das ist eine Frage, die man nur gentherapeutisch lösen kann, indem man die geschädigten Zellen über Gene wieder reaktiviert und davon ist die Forschung leider noch sehr, sehr weit entfernt“, so Hesse. „Diesen einen Schalter zu identifizieren, den man dann umlegen kann – das ist noch Zukunftsmusik“, sagt auch Mazurek.
Bis die Forschung wirkliche Innovationen zur Tinnitus-Heilung findet, dürften also noch viele Jahre ins Land gehen. Eines haben heutige Betroffene älteren Generationen aber voraus: Die Wissenschaft ist dem Ursprung des Tinnitus‘ näher als jemals zuvor und aktuelle Therapieansätze helfen zumindest sehr gut, den Leidensdruck der Betroffenen zu reduzieren, um das Leben auch mit Piepen im Ohr – leise oder laut – zumindest wieder lebenswerter zu machen.