Für die Tinnitracks-Therapie müssen Nutzer zunächst einmal zum HNO-Arzt. Der muss den subjektiven Tinnitus eindeutig diagnostizieren. Anschließend könne der Arzt oder ein Hörgeräteakustiker dann die individuelle Tinnitus-Frequenz bestimmen. Auf die abgestimmt, sollen dann die eigenen Songs – je nach Nutzer vom Handy oder Computer – an Tinnitracks geschickt werden, wo man die MP3s zunächst prüft, ob sie sich eignen. „Es kommt auf das Spektrum der Musik an – ist sie mehr höhenlastig oder basslastig etwa. Und dann ist entscheidend, wo die eigene Tinnitus-Frequenz liegt“, so Nötzel.
Diese Kombination aus dem Frequenzspektrum des Musikstücks und der Tinnitus-Frequenz müssen also zusammenpassen. Grundsätzlich ausschließen könne man keine Musik – aber je nach Tinnitus eignen sich bestimmte Musikstile besser oder schlechter, sagt Nötzel. Die typische Rock-Pop-Radiomusik sei meist ideal. Der Einzelfall könne aber immer abweichen – dafür die Analyse.
Medizinprodukt Tinnitracks
Die Idee der Tinnitracks-Therapie ist es, dass Betroffene täglich eine gewisse Zeit tontechnisch bearbeitete Musik hören, die auf ihre eigene Tinnitusfrequenz abgestimmt ist, um so mit der Zeit den Tinnitus leiser werden zu lassen. Die Idee basiert auf dem Ergebnis entsprechender Studien an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
Bislang war das Programm nur als Paket mit Jahreslizenz erhältlich. Kostenpunkt: 539 Euro. Die neuentwickelte Tinnitracks-App bietet Sonormed seit April im Monatsabo für 19 Euro an. Als Behandlungsdauer werden in der Regel sechs bis zwölf Monate empfohlen.
Fachärzte wie etwa Prof. Dr. Birgit Mazurek von der Berliner Charité oder Prof. Dr. Gerhard Hesse von der Deutschen Tinnitus-Liga bezweifeln den Erfolg der Tinnitracks-Therapie. Kernpunkt der Kritik: Wie viele Medizinprodukte gegen Tinnitus fehlen großangelegte Studien, um den Erfolg der Therapie zu belegen.
Die Idee zu Tinnitracks ist inspiriert von Studien aus Münster: Tontechniker Nötzel suchte damals nach einem Thema für seine Diplomarbeit in Medientechnik und stieß auf die Studien der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zur Behandlung des chronischen Tinnitus‘ mithilfe von Musik.
Dort war es gelungen in Studien die Tinnitus-Lautheit und damit auch die Lästigkeit des Tinnitus zu reduzieren. Die Studie war allerdings klein und die Zielgruppe stark eingeschränkt: Es handelte sich um chronischen und tonalen Tinnitus – also einen stabilen Pfeif- oder Piepton. „Wir haben ein innovatives Verfahren zur Behandlung des Tinnitus entwickelt und im Rahmen einer Evaluationsstudie dessen Wirksamkeit für ProbandInnen mit einem ganz bestimmten Tinnitus-Profil nachgewiesen“, berichtet das Institut für Biomagnetismus und Biosignalanalyse (IBB) der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde an der Uni Münster auf seiner Internetseite.
Ob das Verfahren auch bei anderen sogenannten Tinnitus-Profilen, wie etwa bei Hörverlust, sehr hohen Frequenzen oder einem Rauschen hilft, ist laut den Wissenschaftlern nicht bekannt. Außerdem macht das IBB ganz deutlich: „Das Training mit maßgeschneiderter Musik führt nicht zu einer Heilung - bei den Studienteilnehmern wurde der Tinnitus zwar deutlich leiser, aber er verschwand nicht vollständig.“