Transplantationen Wettlauf zum künstlichen Herzen

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Euphorie und Ernüchterung

Die Geschichte der künstlichen Herzen
Ein neues Spenderherz ist oft die Entscheidung zwischen Leben und Tod. Aber wenn es keines gibt, kann eine Maschine helfen Quelle: dpa
1954 Quelle: National Museum of American History
1957 Quelle: National Museum of American History
2004 Quelle: PR
In Entwicklung Quelle: Rudolf Wichert für WirtschaftsWoche

In der Vergangenheit haben Forscher immer wieder nach Alternativen gesucht. Bereits seit den Fünfzigerjahren experimentierten Mediziner mit Maschinen, um das Blut durch den Körper zu pumpen und so das Herz zu entlasten (siehe Fotos). 1969 setzten Operateure in Texas erstmals einem Patienten versuchsweise ein Kunstherz ein. Er überstand damit knapp drei Tage, ehe er ein Spenderherz erhielt, starb kurz darauf aber an einer Lungenentzündung. Die Euphorie war dennoch groß.

Doch erst gute 30 Jahre später kam 2001 mit dem Modell AbioCor des US-Unternehmens Abiomed ein komplett implantierbares Kunstherz in den USA auf den Markt. Insgesamt erhielten es nur 15 Menschen, denn es war technisch nicht ausgereift und sorgte für schwere Probleme mit Blutgerinnseln und Blutungen.

Auch das bisher einzige in den USA und Europa zugelassene implantierbare Kunstherz der Firma SynCardia Systems aus Arizona ist ein Behelf. Der Patient bekommt nur eine Pumpeinheit eingesetzt. Den Antrieb, einen lärmenden Druckluftkompressor, muss er in einem Wägelchen oder Rucksack mit sich führen. Die Maschine ist mit der Pumpe im Brustkorb über zwei Schläuche verbunden, die aus dem Bauch ragen. Die Infektionsgefahr ist erheblich, die Bewegungsfreiheit begrenzt.

Bewegungen einer Qualle

All diese Nachteile haben die voll implantierbaren Kunstherzen nicht, an dem Körfer und Carpentier arbeiten. Die Franzosen haben es mittlerweile geschafft, Antrieb und Steuerung in zwei Handvoll perlmuttartig schimmernden Kunststoff unterzubringen. Mit 800 Gramm ist das System etwa dreimal so schwer wie ein natürliches Herz. Es ist gefüllt mit Sensoren und Mikroprozessoren, die unablässig die Blutzirkulation überwachen, um den Herzschlag je nach körperlicher Anstrengung zu steuern. Ein Motor treibt dazu zwei Pumpen an, die wiederum eine Flüssigkeit abwechselnd in beide Herzkammern pumpen. Dabei wölbt sich jeweils eine der Membranen in die Kammer aus, ähnlich wie sich eine Qualle im Wasser bewegt. Auf diese Weise drückt das Kunstherz sauerstoffarmes Blut aus der rechten Kammer Richtung Lunge und sauerstoffreiches aus der linken Kammer in den übrigen Körper.

Dieses hydraulische System mit Membranen sorgt für sehr sachte Bewegung. Das unterscheidet es von Vorgängerversionen, welche die empfindlichen Blutkörperchen geradezu schredderten. Um das Ganze noch verträglicher für den Patienten zu machen, haben die Entwickler um Carpentier und Piet Jansen, medizinischer Direktor von Carmat, die Membranoberflächen mit Gewebe aus den Herzbeuteln neuseeländischer Kälber überzogen. „Die Tiere
 auf der abgelegenen Insel sind vor riskanten Erkrankungen wie dem Rinderwahnsinn BSE recht gut geschützt“, erklärt Jansen. Menschliche Zellen, die Endothelzellen, besiedeln dieses Gewebe, so wie sie das auch in den übrigen Gefäßen des Herz-Kreislauf-Systems tun. Sie be­einflussen unter anderem die Fließfähigkeit des Blutes, indem sie die Gerinnung steuern.

Organspenden in Deutschland

Allerdings haben die Carmat-Leute nur die Membranen, die den Blutstrom antreiben, mit dem Kälbergewebe überzogen, die Kammerwände nicht. Technisch wäre es sehr schwierig, das gesamte Kunstherz damit auszukleiden, sagt Jansen: „Das ist aber auch gar nicht nötig.“ Wichtig sei noch, dass die Schweineknorpel-Herzklappen des Carmat-Herzens ebenfalls aus biologischem Material seien. „Das senkt das Risiko von Blutgerinnseln und macht keinen Krach, was angenehmer für den Patienten ist“, erklärt der Mediziner.

Seine Energie erhält der Elektromotor von außen. Die Kabel dafür führen aus dem Unterleib, was potenziell ein Infektionsrisiko darstellt. Ähnlich wie ein Mobiltelefon lässt sich das Kunstherz aber auch aufladen, was dem Patienten für eine gewisse Zeit Unabhängigkeit und Bewegungsfreiraum verschafft – bisher rund zwei Stunden.

 

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