Trendwende im Energiemarkt Goodbye, Öl

Es ist eine historische Zäsur: Die Industrienationen verbrauchen immer weniger Erdöl, in den Schwellenländern steigt die Nachfrage längst nicht mehr so schnell. Hinter der Abkehr vom schwarzen Gold stecken drei überraschende Megatrends.

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Die traditionelle Ölförderung geht kontinuierlich zurück. Foto: Sebastian Widmann Quelle: dpa

Es war ein blutiger Kampf in der Wüste, der weltweit die Märkte aufschreckte. Im Morgengrauen des 18. Juni griffen Dutzende vermummte Männer auf Jeeps und zu Fuß die größte Erdölraffinerie im Irak an. Die Kämpfer mit den Kalaschnikows und Granatwerfern gehörten zur radikalen Bewegung „Islamischer Staat in Irak und Syrien“, die derzeit im Nahen Osten das Dreiländereck von Syrien über den Irak bis nach Jordanien destabilisiert.

Sechs Tage wüteten die Kämpfe in der Stadt Baidschi gut 200 Kilometer nördlich von Bagdad. Regierungstruppen, teilweise in Zivil, eilten herbei. Hubschrauber und Flugzeuge warfen Bomben auf die Rebellen-Jeeps. Es nützte nichts. Am 24. Juni eroberten die Islamisten die Raffinerie. Es war eine Demonstration der Stärke, die den Ölpreis Ende Juni auf ein Jahresrekord von 115 Dollar trieb. Mit der Begründung, die „globalen Energiemärkte“ schützen zu wollen, schickte US-Präsident Barack Obama Hunderte Militärberater in das Land.

Das Wachstum der Ölnachfrage könnte sich 2015 erstmals dauerhaft abschwächen. In Prozent; ab 2014.

Zwar ist der Ölpreis wieder gesunken, und die Fördergebiete im Süden und Norden des Irak scheinen sicher – doch in Baidschi zeigte sich wie unter einem Brennglas unsere immer noch enorme Abhängigkeit vom Öl. Ohne den Rohstoff geht nichts: Autos, Flugzeuge, Schiffe blieben stehen, die Kunststoffproduktion geriete ins Stocken, Heizungen würden kalt, die Stromversorgung bräche in manchen Ländern zusammen. Doch diese Abhängigkeit beginnt zu enden. Denn weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, vollzieht sich eine historische Zäsur: die Abkehr vom Erdöl.

In den Industriestaaten sinkt der Ölverbrauch bereits seit 2005. Das kommende Jahr könnte einen globalen Wendepunkt markieren, erwarten die Experten der Internationalen Energieagentur IEA in Paris. Ihren Prognosen zufolge wird der Durst nach Erdöl 2016 erstmals langsamer zunehmen als im Vorjahr, ohne dass eine Rezession wütet. Um 2030 herum könnte dann der Verbrauch sogar weltweit zurückgehen.

Mit Ausnahme der Ölkrisen in den Siebzigerjahren würde die Nachfrage nach dem Rohstoff damit zum ersten Mal dauerhaft abnehmen. Erstmals seit der Abenteurer Edwin Drake im US-Bundesstaat Pennsylvania im Jahr 1859 die erste erfolgreiche Ölbohrung in den Boden trieb.

Auslöser der Zeitenwende sind vor allem drei Megatrends: erstens effizientere Technik, gefördert durch immer strengere Klimaschutzregeln. Zweitens ernsthafte Konkurrenz für den Energieträger Öl. Drittens ein verändertes Mobilitätsverhalten durch das explosionsartige Wachstum der Städte.

Doch wie vollzieht sich der Abschied vom Öl konkret? Die Spurensuche sollte dort starten, wo alles begann: vor unserer Haustür.

Die wichtigsten Export- und Importländer von Erdöl
Nigerianische Arbeiter an einer Öl-Leitung Quelle: dpa
Rang 5: Vereinigte Arabische EmirateExport: 120,6 Millionen Tonnen Anteil an Gesamtexporten: 5,8 Prozent Quelle: AP
Rang 4: IrakExport: 120,7 Millionen Tonnen Anteil an den Gesamtexporten: 5,8 Prozent Quelle: dapd
Rang 3: KanadaExport: 128,0 Millionen Tonnen Anteil am Gesamtexport: 6,1 Prozent Quelle: REUTERS
Rang 2: RusslandExport: 239,4 Millionen Tonnen Anteil an Gesamtexporten: 11,4 Prozent Quelle: dpa
Rang 1: Saudi-ArabienExport: 375,5 Millionen Tonnen Anteil am Gesamtexport: 17,9 Prozent Quelle: dpa
Die größten ÖlimporteureRang 6: DeutschlandImport: 93,4 Millionen Tonnen Anteil an den globalen Importen: 4,3 Prozent Quelle: dpa

Deutschland: Vorbild in Sachen Effizienz

Im Morgengrauen an einem Dienstag im August 1996 rollte sich eine Handvoll Greenpeace-Aktivisten aus ihren Betten und bereitete im schweizerischen Luzern eine beinahe historische Demonstration vor. Nicht mit Schlachtrufen oder Plakaten, sondern mit Technik.

Die Umweltschützer starteten mit einem umgebauten Renault Twingo eine 200 Kilometer lange Testfahrt über Zürich und zurück. Techniker hatten für sie die Aerodynamik des Miniwagens verbessert, ihn auf Gewichtsdiät gesetzt und den Motor optimiert. Der Lohn: Der Wagen verbrauchte auf den Schweizer Straßen nur 3,2 Liter auf 100 Kilometer – etwa halb so viel wie vergleichbare Kleinwagen der Zeit.

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