Vampir-Mythen Geköpft, gepfählt und verbrannt

Vampire sind heute nicht mehr nur böse Blutsauger in der Tradition von Dracula, sie können sogar sympathische Züge haben. Ein Gießener Historiker hat sich auf die Suche nach den Ursprüngen des Blutsauger-Mythos begeben.

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Christopher Lee in einer Dracula-Verfilmung. Der Ursprung des Vampir-Mythos liegt weit in der Vergangenheit. Quelle: picture-alliance / obs

Gießen Mal blutrünstig und grausam, mal gerissen und galant: Vampire haben in der Literatur und im Film viele Facetten. Sogar nett können sie mittlerweile sein. Eine Idee, die so gar nichts mit dem Ursprung des Mythos zu tun hat, wie der Gießener Historiker Thomas Bohn sagt.

Der Vampir-Forscher hat nach den geschichtlichen Wurzeln der Blutsauger gefahndet und ging dafür europaweit auf Spurensuche. „Der moderne Vampir ist weit entfernt von den Vorstellungen, die sich Menschen vor Jahrhunderten gemacht haben“, sagt Bohn, der vor kurzem ein Buch über den „Mythos Vampir“ veröffentlicht hat. „Durch Kinofilme und Kinderbücher wirkt der Vampir heute lieb und nett. Er entfernt sich immer mehr von dem, was er eigentlich ist.“

Für seine Forschungen ist der Professor den Untoten durch die Jahrhunderte und Länder gefolgt. In Deutschland, Polen oder der Ukraine stieß er auf den Glauben an verschiedene Vampirwesen, die eines gemeinsam haben: „Im Hintergrund dieser Vorstellungen steht immer die Verabschiedung von den Toten und ihr geregelter Übergang ins Paradies“, erklärt Bohn.

Eine Garantie dafür war, dass eine Leiche verweste. „Eine Leiche, die nicht verwest war, konnte nach den Überzeugungen der Zeitgenossen vom Teufel besessen sein“, so Bohn. Akut wurden die Ängste vor den bösen Mächten dieser Toten etwa dann, wenn Seuchen grassierten.

So versetzen im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts in Südosteuropa ungeklärte Todesfälle die Menschen in Schrecken. Wahrscheinlich brachte eine Milzbrand-Seuche seinerzeit den Menschen den Tod – doch die machten Vampirwesen verantwortlich, die den Lebenden die Energie raubten.

In Panik öffneten Dorfbewohner im Donau-Balkan-Raum Gräber und stießen auf Leichen, die unerwartet frisch oder aufgebläht wirkten, wie Bohn erzählt. Kurzerhand wurden sie geköpft, gepfählt und verbrannt, um den vermeintlichen  Untoten Einhalt zu gebieten.


Die Reißzähne sind eine spätere Erfindung

„Der erste Fall aus dem Donau-Balkan-Raum wurde 1725 in einer Wiener Zeitung berichtet, fand aber zunächst keine breitere Öffentlichkeit“, sagt Bohn. Nach 1730 sei dann ein wahres „Vampirfieber“ ausgebrochen. Es entwickelte sich eine rege Debatte über die Vorfälle in Südosteuropa, die bald den Weg in Universitäten und Zeitungen fand.

„Das Wort Vampir trat jetzt seinen Siegeszug in Europa an“, erläutert der Historiker. In diese Zeit falle auch die Erfindung der Reißzähne. Bis dahin seien sie nicht Teil des Vampir-Volksglaubens gewesen.

Schriftsteller, allen voran Bram Stoker, haben dann das Bild der Blutsauger im Lauf der Jahrhunderte verändert, wie die Gießener Romanistin Kirsten von Hagen erklärt, die ebenfalls zu Vampiren in der Literatur forscht. Der literarischen Figur wurden immer neue Eigenschaften zugeschrieben. So besitzt Stokers Dracula bei aller Grausamkeit bei manchen Filmversionen auch Gefühle.

Und heute? Da ist für Vampire alles möglich. Sogar Menschenfreunde können sie sein, wie Vampir Edward aus der „Bis(s)“-Reihe der US-amerikanischen Autorin Stephenie Meyer. Er saugt lieber Tiere als Menschen aus.

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