Von wegen Luftnummer "Das goldene Zeitalter der Schäume ist da"

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Aluschäume in Autos können Insassen besser schützen

Aus dem geschäumten Metall soll etwa die nächste ICE-Generation bestehen. Mitte Mai zeigte Hipke gemeinsam mit Industriepartnern erstmals einen Prototyp einer Fahrzeugfront aus dem Material. 2,5 Millionen Euro hat die Entwicklung bisher gekostet. Künftig soll ein brandenburgischer Betrieb die Zughauben fertigen. In zwei Jahren könnten sie durch Deutschland rollen, hofft der Ingenieur.

Ein Zug aus diesem Stoff ist leichter als konventionelle Züge, braucht weniger Strom und kann mehr Personen befördern. Triebköpfe aus Kunststoff wären noch leichter. Doch das Material splittert, etwa bei der Kollision mit Vögeln. „Metallschaum bekommt dagegen nur Beulen“, so Hans-Wolfgang Seeliger, Chef des Aluschaumerzeugers Pohltec Metalfoam in Köln. Die Blasen wirkten wie winzige Airbags und dämpften den Aufprall, erläutert Seeliger. Inzwischen schafften es die Hersteller, Hunderte Tonnen Metallschaum im Jahr zu fertigen. Ein wichtiger Abnehmer ist die Autoindustrie. Audi etwa hat im Geländewagen Q7 und Ferrari im Spider F430 Aluschäume eingesetzt, die sich bei Crashs verformen und die Insassen schützen.

von Dieter Dürand, Andreas Menn, Jürgen Rees, Oliver Voß

Schaumbeton bremst Flugzeuge

Und langsam entdeckt die übrige Verkehrsbranche das Geheimnis der stabilen Blasen. Flughäfen wie etwa der Yeager Airport im US-Bundesstaat West Virginia bauen beispielsweise am Ende von Landebahnen Schaumbeton ein, der Flugzeuge abbremsen soll, die nicht mehr stoppen können. Ein ähnliches Konzept wird auch am Flughafen Zürich diskutiert.

Es geht noch ungewöhnlicher: Veikko Hintsanen ist als Kapitän auf den Weltmeeren zu Hause. Soeben hat er, zugleich Chef des Unternehmens Laffcomp, der größten russischen Werft Sevmash zwei noch im Bau befindliche Öltanker abgekauft. Hintsanen will die Schiffe mit Aluschaum vollenden. Ein Investor habe an die zehn Millionen Euro zugesagt, die Verträge aber noch nicht unterzeichnet. Fraunhofer-Forscher Hipke bescheinigt den Schaum-Frachtern viele Vorteile: Sie sollen sogar einer Kollision mit einem Eisberg standhalten. Die Schiffe könnten daher ganzjährig auch im Norden unterwegs sein.

Schaumschiffe wiegen die Hälfte

Seemann Hintsanen träumt davon, Vorbild für eine erneuerte europäische Binnenflotte zu werden. Aus Schaum gebaut, könnte ein Frachter statt rund 1000 Tonnen nur die Hälfte wiegen und so mehr Ladung transportieren. Sie liegen flacher im Wasser und können so auch bei Niedrigwasser fahren. Für unter Kostendruck stehende Reeder eine Verlockung: Obwohl ein Schaumschiff mit circa 90 Millionen Euro ein Viertel mehr koste, amortisiere sich der Kauf nach einem Jahr, hat Hintsanen errechnet.

Schäume können nicht nur große Kräfte bei einem Autounfall verkraften und enorme Lasten in Schiffen transportieren. Sie halten auch brutale Hitze aus und speichern problemlos wertvolle Wärmeenergie. Jede Blase arbeitet wahlweise wie eine eingebaute Thermoskanne oder wie ein Heizkissen. Das sei zurzeit eine der gefragtesten Eigenarten des Materials, sagt Olga Mühldorfer, Vertriebsmanagerin beim russischen Schaumhersteller Exxentis.

Wie gut das in der Praxis funktioniert, will Reiner Buck vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt herausfinden. In einigen Wochen soll in Spanien ein Solarturmkraftwerk von Abengoa Solar bei Sevilla in Betrieb gehen. Um den Turm herum ist ein Feld mit einigen Dutzend Spiegeln von Zimmertürgröße aufgebaut. Sie lenken die Sonnenstrahlen auf die Turmspitze.

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