Von wegen Luftnummer "Das goldene Zeitalter der Schäume ist da"

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Bier mit Eisschaum, luftige Butter - der Schaum boomt

Nicht minder irritierend wäre umgekehrt vermutlich ein Bier ganz ohne Schaum, das wohl älteste Lebensmittel mit weißer Haube. Selbst Brot, Waffeln, Kuchen und Pizza sind für Lebensmitteltechniker nichts weiter als erstarrter Schaum. Eiscreme etwa wäre ohne Luft steinhart. „Der Mensch hat im Laufe der Evolution eine Vorliebe für Schaum entwickelt. Er steht für Genuss“, sagt der Erlanger Schaumforscher Antonio Delgado. Schäume sind außerdem leicht und haben oft weniger Kalorien.

Diese Eigenschaften machen Schäume attraktiv für die Lebensmittelindustrie. Und erst in jüngster Zeit werden sie auch hier berechenbar. Kürzlich rief eine große deutsche Brauerei Delgado zur Hilfe. Auf dem Braukessel mit der Bierwürze türmte sich anderthalb Meter hoch der Schaum. Er stört, weil übelschmeckende Stoffe bei diesem Produktionsschritt nicht verdampfen können. „Im Extremfall muss die ganze Charge entsorgt werden, was Hunderttausende Euro kostet“, erklärt Delgado.

Zehn Fakten über Bier
Das billigste BierAm wenigsten kostet Bier in der Ukraine und Vietnam. Hier muss man jeweils 0,43 Euro für eine 0,5-Liter-Flasche hinlegen. Generell ist das Bier in Südostasien und Osteuropa am günstigsten, besagen die Daten des Lebenserhaltungskosten-Portals "Numbeo". Auf Ukraine und Vietnam folgen Kambodscha (0,50 Euro), Saudi Arabien (0,51 Euro), Tschechien (0,52 Euro) und China (0,54 Euro). Quelle: dpa
Das teuerste BierIm nahen und Mittleren Osten müssen Biertrinker am tiefsten ins Portemonnaie greifen. Mit 5,67 Euro ist eine 0,5-Liter-Flasche Bier im Iran weltweit am teuersten. In Kuweit sind es 5,21 Euro und in der Vereinigten Arabischen Emiraten 4,56 Euro. Quelle: dpa
Die größten BierbrauerIn China wird weltweit meisten Bier wird gebraut. 490,2 Millionen Hektoliter flossen 2012 hier aus den Brauereien hinaus, schätzt der Hopfenhersteller Barth-Haas. Es folgen die USA (229,3 Millionen Hektoliter), Brasilien (132,8 Millionen Hektolitern), Russland (97,4 Millionen Hektoliter) und Deutschland (94,6 Millionen Hektoliter). Quelle: AP
Europas größte BiertrinkerWir sind Europameister – im Biertrinken. Mit 86 Millionen Hektolitern Bier trank keine andere europäische Nation 2012 so viel Bier wie die Deutschen. Auch in den Vorjahren lag Deutschland an der Spitze, berichtet die Vereinigung „Brewers of Europe“.  Hinter Deutschland kommen das Vereinigte Königreich (43 Millionen Hektoliter), Polen (38 Millionen Hektoliter), Spanien (35 Millionen Hektoliter) und Frankreich (20 Millionen Hektoliter). Quelle: dpa
Europas spendabelste BiertrinkerDie Briten geben am meisten für Bier in Europa aus. 2012 waren es den „Brewers of Europe“ zufolge 20 Milliarden Euro. Dahinter kommen die Deutschen mit 19 Milliarden Euro, die Spanier mit 14,6 Milliarden Euro, und die Italiener mit 9,7 Milliarden Euro. Quelle: REUTERS
Die weltweit größten BierbrauerDie weltweit größte Brauerei ist das belgisch-amerikanische Unternehmen Anheuser Busch InBev. 352,9 Millionen Hektoliter Bier pumpte das Konglomerat 2012 in die Welt. Laut Zahlen des Hopfenherstellers Barth-Haas folgt dahinter die englische Brauer SAB Miller (190 Millionen Hektoliter), sowie die niederländische Konkurrenz von Heineken (171,7 Hektoliter). Quelle: dpa
Die wertvollsten BiermarkenDie Light-Version des US-Biers Budweiser besitzt den weltweit höchsten Markenwert. Bud Light ist mit 12,6 Milliarden US-Dollar die wertvollste Biermarke. Das original Budweiser kommt laut der Werbeagentur Millward Brown erst auf den zweiten Platz. Budweiser wies 2012 einen Markenwert von 11,8 Milliarden US-Dollar auf. In der Rangliste folgen Heineken (8,7 Milliarden US-Dollar), Stella Artois (8,2 Milliarden US-Dollar) und Corona (8 Milliarden US-Dollar). Eine deutsche Biermarke ist unter den Top 10 nicht zu finden. Quelle: AP

Er näherte sich dem Problem rechnerisch. Sein Ratschlag: Durch eine vier Grad höhere Temperatur im Kessel würden die Lamellen der Schaumblasen so dünn, dass fast alle zerplatzten. Es funktionierte, seitdem lief die Brauerei wieder reibungslos.

Ein Latte macchiato im Weltall

Heute stehen rund 20 Lebensmittelunternehmen, darunter Mars und Nestlé, bei Delgado auf der Kundenliste. Sie wollen ihre neuen Schaumkreationen – Desserts, Waffeln oder Kaffeegetränke – rechnerisch in den Griff bekommen, um dann schnell große Mengen erzeugen zu können. Denn Schaumiges boomt.

So lancierte der Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé 2006 vier Kaffeeprodukte, die per Kapselmaschine Milch- oder Espressoschaum liefern. Heute sind es mehr als 50. Und Susanne Kulhanek, Forschungsmanagerin von Nescafé Dolce Gusto, sagt: „Die Pipeline mit neuen Produkten ist voll.“ Nestlé treibt seine Schaumschlägerei mittlerweile in ungeahnte Höhen. Selbst auf der Internationalen Raumstation lässt der Konzern testen, wie die luftige Masse unter Schwerelosigkeit entsteht. Künftig gibt’s dann womöglich Latte macchiato im Orbit.

Die Branche forscht auch deshalb so intensiv am Schaum, weil er intensiver als das pure Lebensmittel schmeckt. Aus jeder Pore können beim Kauen Aromen austreten. Deshalb dürfte das luftige Etwas Basis vieler Lightprodukte werden, erwartet Jörg Hinrichs, Lebensmitteltechnologe von der Universität Hohenheim: „Fettreduzierte Produkte enthalten oft viel Zucker, damit sie nach etwas schmecken. Bei Schaum erübrigt sich das.“ Luftige Streichkäse, Desserts und geschäumte Butter gibt es schon.

Um Diätprodukte ging es der japanischen Brauerei Kirin nicht, als sie im März 2012 ein Bier mit kühlem Eisschaum auf den Markt brachte. Minus fünf Grad hat die Krone des Getränks, das auch nach Deutschland exportiert wird. Die Produktentwickler hätten ein hippes Bier für junge Leute erfinden wollen und sich vom Eiskaffee der Kaffeekette Starbucks inspirieren lassen, erzählt Naoyuki Yasutake, Verkaufsmanager für Europa.

Zugleich aber erfüllt der Schaum noch einen ganz praktischen Zweck: „Viele junge Leute wollen nicht betrunken sein und trinken daher langsamer. Also muss das Bier länger kühl bleiben.“ Die luftige Eishaube reicht für eine halbe Stunde.

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